Vitamin D Supplementation komplett wirkungslos? Neue Meta-Analyse
Vitamin D galt lange als eines der wichtigsten Vitamine zur Stärkung des Immunsystems. Es wurde intensiv erforscht, insbesondere im Zusammenhang mit Atemwegsinfektionen wie Erkältungen, Grippe und sogar COVID-19. Doch eine neue Meta-Analyse, veröffentlicht in The Lancet Diabetes & Endocrinology, wirft Zweifel auf: Sie kommt zu dem Schluss, dass Vitamin D-Supplementierung keinen signifikanten Schutz vor akuten Atemwegsinfektionen (ARIs) bietet.
Diese Studie ist die bisher größte und aktuellste Untersuchung zum Thema. Sie umfasst 46 randomisierte kontrollierte Studien (RCTs) mit insgesamt über 65.000 Teilnehmern. Solche Meta-Analysen gelten als die höchste Form wissenschaftlicher Evidenz, da sie viele Einzelstudien zusammenfassen und dadurch genauere Ergebnisse liefern. Doch genau hier liegt auch das Problem: Welche Studien eingeschlossen oder ausgeschlossen werden, beeinflusst das Ergebnis erheblich.
Ergebnisse der neuen Meta-Analyse
Die Forscher fanden Folgendes heraus:
Kein signifikanter Schutz vor Atemwegsinfektionen
- Teilnehmer, die Vitamin D erhielten, hatten kein geringeres Risiko für Erkältungen oder andere Atemwegsinfektionen als jene, die ein Placebo bekamen.
Auch Menschen mit niedrigen Vitamin-D-Werten profitierten nicht
- In früheren Studien wurde oft vermutet, dass Menschen mit Vitamin-D-Mangel am meisten profitieren würden. Doch selbst bei Teilnehmern mit niedrigen Ausgangswerten (<25 nmol/L) zeigte sich kein überzeugender Vorteil.
Kein Schutz vor schweren Verläufen
- Es wurde ebenfalls untersucht, ob Vitamin D das Risiko einer Krankenhauseinweisung oder gar eines tödlichen Verlaufs einer Atemwegsinfektion reduziert. Auch hier zeigte sich kein signifikanter Effekt.
Auf den ersten Blick scheint dies eine klare Absage an die Theorie, dass Vitamin D vor Erkältungen und ähnlichen Infektionen schützt. Doch hier ist Vorsicht geboten – denn diese Schlussfolgerung basiert auf einer wichtigen Fehlannahme: Sie betrachtet Vitamin D isoliert und ignoriert jahrzehntelange Forschungsergebnisse über seine Synergien mit anderen Nährstoffen.
Was diese Meta-Analyse ignoriert: Die vergessene Forschung seit 1941
Das größte Problem der neuen Meta-Analyse ist, dass sie ältere wissenschaftliche Erkenntnisse völlig ausblendet. Bereits 1941 wurde nachgewiesen, dass Vitamin D nur in Kombination mit Vitamin A eine Schutzwirkung gegen Erkältungen entfaltet.
Die Studien von 1941: Vitamin D wirkt nur mit Vitamin A
Damals fanden Forscher heraus, dass:
✅ Vitamin D allein wenig bis gar keinen Schutz vor Erkältungen bietet.
✅ Erst die Kombination von Vitamin D mit Vitamin A zeigte eine deutliche Reduktion der Infektionen.
✅ Zu viel Vitamin D ohne Vitamin A kann sogar das Immunsystem schwächen.
Die Erkenntnisse wurden später mehrfach bestätigt. Studien zeigten, dass Vitamin A:
- Die Barrierefunktion der Schleimhäute stärkt, die erste Verteidigungslinie gegen Viren.
- Die Immunreaktion ausbalanciert, sodass das Immunsystem nicht überreagiert oder zu schwach bleibt.
- Toxische Effekte hoher Vitamin-D-Dosen verhindert, indem es die Rezeptoren reguliert.
Diese Forschung ist nicht obsolet – sie wurde einfach vergessen oder ignoriert. Die neue Meta-Analyse berücksichtigt nur Studien, in denen Vitamin D allein supplementiert wurde. Kein Wunder also, dass sich kein signifikanter Effekt zeigt – denn die Forscher haben einen entscheidenden Kofaktor übersehen.
Das grösste Problem an neuen Büchern ist, dass man die alten nicht mehr liest!
Jacques Bainville
Warum Vitamin D, A & K zusammenwirken müssen
Vitamin D ist kein Einzelkämpfer. Es gehört zu den fettlöslichen Vitaminen, die in einem komplexen Zusammenspiel agieren:
✅ Vitamin A (Retinol)
- Reguliert die Umwandlung und Wirkung von Vitamin D.
- Verhindert Vitamin-D-Toxizität und übermäßige Kalziumeinlagerung.
- Unterstützt die Immunabwehr durch die Schleimhäute.
✅ Vitamin K (insbesondere K2)
- Lenkt das durch Vitamin D aufgenommene Kalzium in die Knochen und verhindert Verkalkungen in Arterien.
- Unterstützt Vitamin D in der Regulation der Immunantwort.
✅ Vitamin D (Cholecalciferol)
- Fördert die Produktion antimikrobieller Peptide, die Viren und Bakterien abwehren.
- Reguliert das Immunsystem und verhindert überschießende Entzündungsreaktionen.
Ohne genügend Vitamin A kann Vitamin D paradoxerweise sogar Entzündungen verstärken, anstatt sie zu reduzieren!
Hohe Vitamin-D-Spiegel sind mit Gesundheit assoziiert – doch das heißt nicht, dass Supplementierung automatisch gesund macht
Daten aus unzähligen epidemiologischen Studien zeigen über jeden Zweifel hinweg: Menschen mit hohen Vitamin-D-Spiegeln sind im Durchschnitt gesünder als jene mit niedrigen Spiegeln. Ein optimaler Vitamin-D-Status wird mit geringerem Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen, metabolisches Syndrom, Autoimmunerkrankungen, Krebs und Infektionen in Verbindung gebracht.
Aber bedeutet das automatisch, dass eine Vitamin-D-Supplementierung die Gesundheit verbessert?
Nein – und genau hier liegt ein weitverbreitetes Missverständnis.
Niedriger Vitamin-D-Spiegel als Zeichen eines allgemeinen Gesundheitsdefizits
Ein niedriger Vitamin-D-Spiegel ist kein isoliertes Problem, sondern vielmehr ein Marker für ein tiefer liegendes gesundheitliches Ungleichgewicht.
Menschen mit niedrigen Vitamin-D-Spiegeln leiden oft gleichzeitig unter:
- Allgemeinem Sonnenmangel → Weniger Zeit im Freien, weniger Bewegung, weniger Lichtaufnahme.
- Chronischer Entzündung → Erhöhter Verbrauch von Vitamin D und gestörte Umwandlung in seine aktive Form.
- Nährstoffdefiziten → Fehlende Co-Faktoren wie Vitamin A, K2, Magnesium und Omega-3-Fettsäuren.
In der Wissenschaft nennt man diesen Effekt “Reverse Causation” (umgekehrte Kausalität). Es ist nicht so, dass niedriges Vitamin D die Krankheit verursacht, sondern vielmehr, dass die Krankheit oder ein ungesunder Lebensstil niedrige Vitamin-D-Werte verursacht.
Warum einfaches Ergänzen von Vitamin D oft nicht hilft
Wenn ein niedriger Vitamin-D-Spiegel nur ein Symptom eines tieferen Problems ist, dann wird eine reine Supplementierung oft nicht die gewünschten gesundheitlichen Vorteile bringen.
Beispiel: Menschen mit chronischen Krankheiten haben oft niedrige Vitamin-D-Werte.
Aber anstatt zu fragen: „Fehlt ihnen Vitamin D?“, sollten wir fragen: „Warum haben sie niedrige Werte?“
Das Problem ist oft nicht der Mangel an Vitamin D selbst, sondern eine gestörte Biologie – Sonnenmangel, Entzündung, Mikronährstoffmängel, schlechter Stoffwechsel.
Die richtige Strategie: Wurzeln statt Symptome behandeln
Statt einfach hochdosiertes Vitamin D zu nehmen, sollte die Grundlage für gesunde Vitamin-D-Spiegel geschaffen werden:
✅ Mehr Sonnenlicht & Bewegung im Freien
✅ Reduktion chronischer Entzündung (durch Ernährung, Schlaf, Stressmanagement)
✅ Optimierung von Vitamin-A- & Vitamin-K2-Aufnahme (Leber, Eigelb, Butter von Weidekühen)
✅ Gesunde Ernährung mit Magnesium & Omega-3-Fettsäuren
Denn Vitamin D ist kein Wundermittel – es ist ein Marker für ein gesundes Leben.
Warum Sonnenlicht mehr ist als nur Vitamin D
Ein weiteres Problem: Vitamin D aus Tabletten ist nicht dasselbe wie Vitamin D aus Sonnenlicht.
Wir wissen, dass Menschen mit höheren Vitamin D Spiegeln gesünder sind. Aber warum konnte das für Vitamin D Supplementation bisher nicht gezeigt werden?
☀️ Sonnenlicht enthält neben UVB (Vitamin-D-Produktion) auch rotes und infrarotes Licht, das tief in die Haut eindringt und die Mitochondrien stimuliert.
Vitamin A absorbiert blaues Licht und schützt vor übermäßiger Lichtschädigung.
Vitamin D absorbiert UV-Licht und startet so die Produktion in der Haut.
Rotes Licht (Sonnenaufgang & -untergang) reichert das Blut mit Energie an und unterstützt die Zellheilung.
Moderne Lebensweise = Vitamin-D-Defizit trotz Sonne?
Menschen, die viel künstlichem Licht (LEDs, Bildschirme) ausgesetzt sind, verbrauchen mehr Vitamin A. Dies kann indirekt die Vitamin-D-Produktion hemmen – selbst wenn ausreichend UVB-Licht vorhanden ist.
Natürliche Quellen für Vitamin D, A & K
Anstatt nur einzelne Nährstoffe zu supplementieren, sollten wir uns an die Natur halten. Viele traditionelle Lebensmittel enthalten alle drei fettlöslichen Vitamine in perfekter Balance:
Eigelb – Reich an Vitamin A, D & K
Lebertran – Natürliche Quelle von Vitamin A & D sowie Omega-3-Fettsäuren
Butter von Weidekühen – Hoher Gehalt an Vitamin A & K2
Fermentierte Lebensmittel (z. B. Natto) – Beste pflanzliche Quelle für Vitamin K2
Innereien (Leber, Herz) – Enthalten besonders viel Vitamin A
Die Natur stellt uns diese Nährstoffe nicht zufällig gemeinsam zur Verfügung. Doch moderne Ernährungstrends (z. B. fettarme Diäten, pflanzenbasierte Ernährung ohne tierische Fette) sorgen oft dafür, dass Menschen ein Ungleichgewicht zwischen diesen essenziellen Vitaminen haben.
Fazit: Vitamin D ist kein Einzelspieler
Die neue Meta-Analyse mag auf den ersten Blick überzeugend wirken. Doch sie basiert auf einer falschen Annahme: Vitamin D wirkt isoliert.
- Vitamin D braucht Vitamin A & K, um richtig zu funktionieren.
- Seit 1941 wissen wir, dass Vitamin D allein nicht ausreicht – doch moderne Studien ignorieren diese Erkenntnis.
- Sonnenlicht ist mehr als nur Vitamin D – es ist eine komplexe Lichttherapie für den Körper.
- Unsere moderne Lebensweise (künstliches Licht, fettarme Ernährung) verstärkt das Problem.
Praktische Empfehlung
Statt nur Vitamin D zu supplementieren, sollte man auf eine ganzheitliche Strategie setzen:
✔️ Tägliche Sonnenexposition – Morgens und abends für das volle Lichtspektrum.
✔️ Ernährung mit natürlichen Vitamin-D-Quellen – Eigelb, Leber, Butter, Fisch.
✔️ Vitamin A & K immer mitdenken – Lebertran oder tierische Fette konsumieren.
✔️ Blaulicht reduzieren – Weniger Bildschirme & LED-Licht am Abend.
✔️ Mitochondrien stärken – Rotlicht-Therapie, gesunde Ernährung, Bewegung.
Gesundheit ist kein isolierter Nährstoff – sie ist das Zusammenspiel von Licht, Nahrung und Natur.
Quellen
D. A. Jolliffe et al., “Vitamin D supplementation to prevent acute respiratory infections: systematic review and meta-analysis of stratified aggregate data,” The Lancet Diabetes & Endocrinology, vol. 2025, no. 2, pp. 1-12, Feb. 2025, doi: 10.1016/S2213-8587(24)00348-6.
SPIESMAN IG. MASSIVE DOSES OF VITAMINS A AND D IN THE PREVENTION OF THE COMMON COLD. Arch Otolaryngol. 1941;34(4):787–791. doi:10.1001/archotol.1941.00660040843010
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