Sollte Fleisch verboten werden?
Im Mai 2023 gab es erneut Aufruhr, weil der BILD-Zeitung angeblich „interne Dokumente“ der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) vorlägen, die verlauten lassen, dass sich die neuen Empfehlung in die Richtung wenden, dass Deutsche nur noch 10 Gramm Fleisch pro Tag essen sollten.
Die BILD ist natürlich berüchtigt für wilde Überschriften. Und ständig stellen diverseste Organisationen, Personen und Institutionen die verrücktesten Forderungen, ohne dass wir das Bedürfnis verspüren, darauf einzeln reagieren zu müssen. Jedoch kochen im Moment die gesellschaftlichen Emotionen im Feld unserer Nahrung, der Nachhaltigkeit, der Moral sowie der Wirtschaftlichkeit und Sinnhaftigkeit diverser Ideen hoch. Und diese hochkochenden Emotionen kommen bei den Menschen an. Sie beeinflussen ihre Gesundheit. Und bei uns in der Praxis treffen dann viele Menschen ein, die unter dieser emotionalen Hitze leiden und das Gefühl haben, mit ihrer Perspektive nicht mehr gesehen und gehört zu werden und sich nicht mehr ausdrücken und entfalten zu können.
Im Speziellen spitzt sich dieser Konflikt gerade auf das Thema Fleisch zu. Aus einer Frage von individuellen Ernährungsgewohnheiten wird ein gesellschaftliches Pulverfass, randvoll mit unterschiedlichsten Konflikten – moralische, spirituelle, politische, ökologische, wirtschaftliche und gesundheitliche – die alle hinter diesem Nahrungsmittel stehen. Ein Nahrungsmittel, das schon immer Teil der natürlichen Nahrungskette zahlreicher biologischer Lebewesen war (darunter auch das Säugetier Mensch).
Wir wollen in diesem Artikel gar nicht definieren, was »wahr« und was «falsch« ist. Wir glauben vielmehr, dass Menschen immer dann am besten miteinander und mit unserer Umwelt klargekommen sind, wenn wir erkannt haben, dass es nicht »die eine absolute Wahrheit« gibt. Sondern dass wir über den freien Dialog, das freie Teilen unterschiedlichster, teilweise sehr persönlicher Perspektiven, die größte Chance haben, dem näher zu kommen, was wir »Wahrheit« nennen könnten. Dieser gelebte Pluralismus ist das Fundament für Innovation, Kreativität, Wissenschaft und gesunde Gemeinschaft.
Dieser Artikel dient deshalb weder als Zündstoff für das Pro-Lager, noch für das Kontra-Lager. Dies ist ein Artikel für alle, die irgendwo in der Mitte leben und gerade (zurecht) mächtig verwirrt sind, wie sie durch dieses emotionale Gewirr navigieren sollen. Ein Artikel für alle, die ein Potpourri verschiedener Perspektiven auf das Thema Fleischkonsum kennenlernen wollen, um anschließend selbstständig und frei Entscheidungen für ihren individuellen Lebensentwurf ableiten zu können.
Manche lesen den Artikel und essen danach vielleicht weniger Fleisch. Manche lesen ihn und essen danach mehr. Jeder Jeck ist anders.
Starten wollen wir mit der Perspektive Gesundheit. Denn diese ist immer ein großer Teil der Argumentation. Es heißt, Fleisch sei ungesund und verantwortlich für moderne Krankheiten wie Diabetes Typ 2, Herzerkrankungen, Krebs. Also Krankheiten, die vor allem seit dem 20. Jahrhundert auf dem Vormarsch sind und die bei Tieren in freier Wildbahn so gut wie gar nicht existieren. Wie kann das sein?
Gibt es denn neue Erkenntnisse über Fleisch und Gesundheit?
Als im Mai 2023 die Gerüchte um die neuen deutschlandweiten und teilweise sogar weltweit geplanten Empfehlungen einer täglichen Fleischobergrenze von 10 Gramm laut wurden, haben uns viele Menschen kontaktiert und nach den neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen gefragt, auf denen eine solche Empfehlung fußt.
Die Bestrebungen, den Fleischkonsum weltweit zu reduzieren, sind nicht neu und haben unter dem Namen „Planetary Health Diet“ schon vor Jahren eine enorme politische und wirtschaftliche Größe erreicht, die jetzt anscheinend auch die DGE erreicht hat. Denn die DGE beruft sich bei ihrer Begründung gar nicht auf neue gesundheitliche Informationen, sondern rein auf den Aspekt der „Nachhaltigkeit“. Die DGE sagte dazu, dass sie ihre Methodik der Empfehlungserstellung dahingehend geändert habe, dass Nachhaltigkeit jetzt einen größeren Stellenwert bekommt.
Das wäre in Sachen Gesundheit auch eine scharfe Kehrtwende, denn erst Ende 2019 erschien eine riesige zusammenfassende Studie (Meta-Analyse) über die unter anderen in der Süddeutschen Zeitung, der FAZ und anderen großen Medien berichtet wurde.
Diese Studie kam zu dem klaren Schluss, dass die bisherige Wissenschaft, die angeblich Zusammenhänge über die ungesunden Effekte von rotem Fleisch zeigen würde, so schwach sei, dass man die Aussage „Fleisch ist ungesund“ aus wissenschaftlicher Perspektive einfach nicht treffen kann.
Auch die DGE hat sich bei dieser Fragestellung immer recht neutral gezeigt, und formulierte sogar scharf, dass sie aus gesundheitlichen Gründen sogar klar von einer veganen Ernährung, speziell für Kinder, Schwangere und Stillende abrate.
„Das vorliegende Dokument zeigt lediglich die vorläufigen Ergebnisse unserer neuen Methode“ so ein Sprecher der DGE über die neuen Empfehlungen. Er fährt fort mit einer sehr klaren und recht absoluten Aussage:
„Niemand möchte den Menschen ihre gelegentliche Currywurst verbieten. Aber der Fleischkonsum in der Bevölkerung ist aus gesundheitlichen und nachhaltigen Gründen insgesamt zu hoch, das ist wissenschaftlicher Fakt.“
Dass es ein wissenschaftlicher Fakt sei, dass Fleischkonsum zu hoch sei für Gesundheit, konnte zumindest von Seiten der Wissenschaft noch nicht gezeigt werden. „Der Zusammenhang zwischen Fleischkonsum und Sterblichkeit aller Ursachen ist sehr gering und von sehr geringer Qualität“, so die Wissenschaftler der eben genannten Meta-Analyse mit über 500.000 Teilnehmern.
Hochinteressierte Wissenschaftler und erfahrene Kliniker sind schon lange nicht mehr der Annahme, dass es überhaupt »den EINEN Ernährungsfaktor« gäbe, der Gesundheit ausmacht. Immer klarer werde die Relevanz der Nahrungsmittelqualität und Herkunft (Fleisch ist nicht Fleisch), Konstellation der Darmflora, der individuellen genetischen und habituellen Aspekte, sozialen Beziehungen, Schlafqualität, und sogar Lichtkontakt (Sonne oder Bildschirm?). Verglichen mit all den genannten Faktoren spielt der Faktor „Fleisch oder nicht-Fleisch“ eine recht untergeordnete Rolle, wenn man die wissenschaftliche Stärke der Zusammenhänge betrachtet.
Sicherlich gibt es unterschiedliche Perspektiven darauf, wie sehr man jeden Faktor optimieren möchte und wir werden auf alle relevanten wissenschaftlichen Aspekte von Fleisch und Gesundheit im Detail eingehen, damit jeder für sich sein individuelles Leben anhand der vorliegenden Daten so ausgestalten kann wie er möchte.
Wir möchten gleichzeitig klar darstellen, dass es bei einem Großteil der Bestrebungen gar nicht um wissenschaftliche Erkenntnisse in Bezug zu individueller Gesundheit geht, sondern um die Fragen der Wirtschaftlichkeit, der Spiritualität/Moral sowie der Nachhaltigkeit. Und ja, sicherlich gehen all diese Faktoren Hand in Hand mit dem Thema Gesundheit, jedoch halten wir es für unehrlich zu sagen „Fleisch ist ungesund“, nur um damit Nachhaltigkeitsziele, spirituelle Ziele, politische Ziele oder wirtschaftliche Ziele zu verfolgen.
Wir sind klar dagegen die Gesundheit als Vorwand für eines der anderen Ziele zu verwenden!
Ziele der Nachhaltigkeit, der Spiritualität, der Politik und der Wirtschaft sind für sich selbst wichtig und werden bei entsprechender Stichhaltigkeit und Resonanz mit den Menschen auch für sich stehen können. Es ist bei schönen, wahren und guten Ideen gar nicht notwendig, sie in einem anderen Kleid zu verstecken.
Die Perspektive der Nachhaltigkeit, Spiritualität, Wirtschaftlichkeit
Wirtschaftlichkeit geht ohne Frage Hand in Hand mit Gesundheit. Beim Thema Wirtschaftlichkeit ist es relevant wichtig zu beleuchten, dass die individuelle Kaufkraft der meisten deutschen Bürger seit den 1970ern stark abgenommen hat und daher echte, natürliche Nahrung, wie zum Beispiel Fleisch, immer schwerer finanzierbar und realisierbar wird für den normalen Menschen.
Dazu haben wir einen ausführlichen Artikel über die Rolle von gesundem Geld geschrieben.
Auch Spiritualität und Gesundheit gehen natürlich Hand in Hand. Zum Thema der Spiritualität/Moral vertreten wir die Gewissensfreiheit, dass jeder Mensch in seinem Erklärungsmodell zu Anfängen, Ursachen und Absichten des Lebens seine eigene Geschichte haben darf und auf dieser Basis in seiner Lebensgestaltung absolut frei ist. Ein Veganer ist nicht mehr oder weniger spirituell oder moralisch verantwortungsbewusster als ein Currywurst-Esser. Wir halten die Wertung über spirituelle Integrität einzelner Menschen aufgrund äußerer Merkmale oder Verhaltensweisen für zu unfair und haltlos.
Auch Nachhaltigkeit und Umweltschutz gehen Hand in Hand mit dem Thema Gesundheit. MOJO ist eng verbunden mit lokalen Land- und Viehwirten, da wir Nachhaltigkeit primär in starker lokalen und regionalen Strukturen sowie gesunden Böden verwirklicht sehen. Wir beziehen unsere Eier, unser Fleisch und unsere Pflanzen zum größten Teil direkt von lokalen und regionalen Landwirten. Und wir wissen, dass sich dies viele zeitlich, finanziell, energetisch oder auch einfach so nicht leisten können oder möchten. Und das ist völlig okay. (siehe obrigen Abschnitt zu Moral).
Aus unserer Erfahrung und dem Austausch mit den Landwirten können wir die Behauptung, Fleischkonsum sowie lokale, regenerative Viehwirtschaft sei nicht nachhaltig sei oder gar „schlecht fürs Klima“ nicht unterschreiben. Unter anderem, weil zu einem gesunden Menschen, einer gesunden Umwelt, einem gesunden Boden sowie einem gesunden Mikrofilm die Interaktion mit Tieren gehört.
Jede Form der Monokultur (mit Tieren sowie mit Pflanzen) kann nicht regenerativ sein, weil Mineralien, Mikroorganismen, Pflanzen und Tiere sich gegenseitig brauchen für nachhaltiges und regeneratives Wachstum. Auf die Aspekte der Bodengesundheit und der nachhaltigen Tierwirtschaft gehen unsere engen Partner von SOILIFY viel mehr im Detail ein. Hier findest du als Einsteig ein spannendes Video über regenerative Viehwirtschaft am Beispiel von Viviane Thebys Permakulturhof Scheuerhof, den wir mit MOJO regelmäßig besuchen, um mehr über Böden und Nachhaltigkeit zu lernen.
Wir bei MOJO vertreten in sofern ein ganzheitliches Bild von Gesundheit, als dass alles immer nur im Kontext seines Biotops existiert. Auch der Mensch existiert nur in und mit seinem Biotop. So etwas wie isolierte, individuelle Gesundheit gibt es nicht, denn Gesundheit ist Resultat und Ursache des gesamten Biotops. Dazu gehört ein gesunder sozialer Umgang, eine gesunde Landwirtschaft, eine gesunde Marktwirtschaft, ein gesundes Geldsystem, eine gesunde Nahrungsversorgung sowie gesunde Böden, Mikroorganismen, Pflanzen und Tiere.
Das ist eine Perspektive, die für unseren rationalen Verstand, der gerne simple Ursache-Wirkungs-Ketten formulieren möchte, nicht immer einfach zu greifen ist. Uns hilft dabei die grundsätzliche Idee von EGO vs. ÖKO.
Den Bibelvers aus Genesis 1,28 „Seid fruchtbar und mehrt euch, füllt die Erde und unterwerft sie und waltet über die Fische des Meeres, über die Vögel des Himmels und über alle Tiere, die auf der Erde kriechen!“ kann man als totalitären Herrschafts- und Bestimmungsauftrag verstehen – oder man kann ihn als verantwortungsvolles und bewusstes Interagieren verstehen.
Wir verstehen die Interaktion des Menschen mit seinem Umfeld eher als organische, gärtnerische Aktivität, statt als totalitäre Aufgabe mit Kontrollanspruch.
Darf ich noch? Dürfen die anderen?
Soviel zu den allgemeinen inhaltlichen Aspekten. Werfen wir einen Blick auf die Methoden.
Das Thema Nahrung ist deshalb mit so intensiven Emotionen verkoppelt, weil sehr große, urmenschliche Werte wie Gesundheit, Nachhaltigkeit, Moral, Wirtschaftlichkeit und vor allem Freiheit fast untrennbar verbunden scheinen.
„Darf ich XYZ essen?“ Ist eine der häufigsten Fragen, die wir bekommen. Grundsätzlich ist natürlich jeder Mensch frei, und keiner wird verhaftet für seine individuellen Nahrungsentscheidungen, jedoch schwingt die Frage des „Dürfens“ immer mit, weil Nahrungsentscheidungen die Grenzen von Gesundheit, Nachhaltigkeit und Freiheit testen. Und auch wenn die DGE eine Currywurst nicht verbieten will (oder kann), so sendet sie mit ihren Botschaften Signale darüber, wie wir gesellschaftlich und sozial mit diesem Thema umgehen werden.
Auch ohne etwas zu verbieten, kann die Ausgrenzung durch Beschämung und Beschuldigung einem Strafmaß gleichkommen, wie wir alle erst aktuell in der Corona-Krise auf unterschiedlichste Art und Weise zu spüren bekommen haben.
Die subtile Beschämung ist sogar Teil der politischen Strategie zur Reduktion des Fleischkonsums, wie sie in der zuvor erwähnten Planetary Health Diet konkret vorgesehen ist. Diese subtile Beschämung nennt sich „Nudging“ in der Verhaltenspsychologie. Das World Economic Forum, welches einer der Hauptförderer der Planetary Health Dient ist, präsentiert diese Strategie nüchtern mit dem Titel: „Eine einfache Methode um Menschen dazu zu bringen, weniger Fleisch zu essen“.
Dabei berufen sie sich auf eine Studie, die gezeigt hat, dass Menschen in einer Kantine weniger Fleisch essen, wenn sie mit folgenden Statements konfrontiert werden:
Gesundheit und Umwelt: „Sie werden überrascht sein, welche positiven Auswirkungen pflanzliche Lebensmittel sowohl auf den Planeten, als auch auf Ihre Gesundheit haben können. Wählen Sie pflanzliche Gerichte, um Ihren CO2-Fußabdruck zu verringern und die Ernährung zu verbessern. Es geht um das Gute für Sie und den Planeten.“
Treten Sie einer Bewegung bei: „90% der Amerikaner nehmen die Umstellung vor, weniger Fleisch zu essen. Schließen Sie sich dieser wachsenden Bewegung an und entscheiden Sie sich für Gerichte auf pflanzlicher Basis, die weniger Auswirkungen auf das Klima haben und umweltfreundlicher sind.“
Das World Economic Forum schloss dazu kürzlich eine Partnerschaft mit den Vereinten Nationen, um die Nachhaltigkeitsziele beschleunigt voranzubringen. Das klingt natürlich erstmal gut. Einige Fachleute sehen darin aber auch einen gefährlichen Eingriff in die Freiheit und Unbefangenheit der Vereinten Nationen sowie ihrer Mitgliedsstaaten und Bürger.
„Diese Vereinbarung zwischen den Vereinten Nationen und dem WEF formalisiert eine beunruhigende Vereinnahmung der Vereinten Nationen durch Unternehmen.“ Es bewegt die Welt gefährlich in Richtung einer privatisierten und undemokratischen globalen Regierungsführung“, sagt Gonzalo Berrón vom Transnational Institute, einer der Hauptorganisatoren des offenen Briefes.
Harris Gleckman, ein ehemaliger UN-Beamter und Senior Fellow an der University of Massachusetts, sagt: „Diese strategische Vereinbarung ist ein Coup für die Unternehmensführer in Davos, aber was bietet sie den Vereinten Nationen und der internationalen Gemeinschaft?“ Dies verschafft einigen der umstrittensten Unternehmen einen beispiellosen Zugang zum Herzen der UN, doch wurde dies noch nicht einmal von den Mitgliedsländern der UN und schon gar nicht von der breiten Öffentlichkeit angemessen diskutiert.“
Wer entscheidet über richtig und falsch?
Haben unsere Nahrungsentscheidungen einen Einfluss auf individuelle und soziale Gesundheit? Ja, absolut!
Haben unsere Nahrungsentscheidungen einen Einfluss auf unsere Umwelt, auf unsere Böden, auf unsere Pflanzen- und Tierwelt? Ja, absolut!
Steckt daher in unseren Nahrungsentscheidungen eine große Verantwortung? Ja, absolut!
Sollten ungewählte Vertreter über dieses Richtig und Falsch für die Menschen entscheiden? Zumindest in einer demokratischen Grundordnung sollte dies nicht der Fall sein.
Aus einer demokratischen Grundordnung heraus lässt sich zumindest nachvollziehen, dass gewählte Volksvertreter über solch tiefgreifenden Eingriffe in das menschliche Leben entscheiden sollten — auch wenn wir selbst da eine noch libertärere Auffassung vertreten.
Unsere libertäre Perspektive auf Freiheit lässt sich zusammenfassen mit „Leben und leben lassen“ oder wie wir in Köln sagen: „Jeder Jeck is anders!“. Dies sind individuelle Entscheidungen, die in die Hand des Volkes gehören – und das sind sie nicht, wenn sie durch einzelne Institutionen mit zumindest uneindeutiger Argumentation und Motivation gelenkt werden.
Wir haben in der MOJO Online Gemeinschaft nach individuellen Erfahrungen in Bezug zu Fleisch und Gesundheit gefragt. Hier sind einige der Antworten:
Fleisch als Urnahrungsquelle hat über Jahrtausende den Menschen das Überleben ermöglicht. Als wir noch nichts haltbar machen konnten, muss es insbesondere in den Wintermonaten die Quelle gewesen sein. Das Genom ist also darauf eingestellt.
Wenn wir die letzten Jahren ausklammern, dann stand Fleisch immer für Kraft und Energie und für was Besonderes und Gutes. Dies war in meiner Kindheit noch akzeptiert.
Ich finde, dass Fleisch zu unserem Leben dazugehört. Ich hab eine Zeitlang vegan/vegetarisch gelebt, einfach um zu schauen, wie es mir damit geht. War damit auch kraftloser. Heute mehr Fleisch, aber auch mal vegetarisch/vegane Tage, weil ich einfach Lust darauf habe.
Ich kenne es aus meiner Kindheit noch so, dass ein Stück Fleisch fast täglich auf den Teller gehört. Meine Oma hatte noch Hühner, mein Vater hat Kaninchen geschlachtet zu Hause.
Mein Gefühl, wie ich im Vergleich jetzt (sehr viel Fleisch, bis zu 21x/Woche) zu 2015-2020 (vegan) gesundheitlich dastehe:
Ich bin 30 und schneller, stärker, beweglich usw. als viele 12-25-jährige sonst…
Was ich in mancher Woche so stemme, das hab ich früher nicht in einem Jahr gerissen.
Fühlt sich einfach rundum besser an mit Fleisch.
Die Wissenschaft um Antinährstoffe usw. ist mir da auch gar nicht so wichtig. Wer weiß, was es da alles an Stoffen gibt, die wir gar nicht kennen. Gefühl und Realität/Erlebnis spricht da mehr Klartext… meine Meinung.
Plus die Arbeit mit meinen Klienten. Neulich wieder eine, die 14 Tage tierbasiert durchgezogen hat und sich der Darm so schnell krass verbessert hat… von einem Coaching Termin zum anderen siehst du da gefühlt einen anderen Menschen.
Wenn wir anfangen Fleisch zu verbieten, über Staatsgewalt, über Beschämung, Beschuldigung oder andere Formen der Sozialgewalt, dann sprechen wir diesen Menschen ihre offensichtlich erlebte Wahrheit ab. Wir verletzen damit die Menschenwürde, denn die Würde des Menschen entspringt im individuellen, sehr persönlichen Erleben von innen heraus. Von hinter den Pupillen nach außen.
Die subjektive, individuelle, gefühlte Wahr-Nehmung eines Menschen zu sehen, wahrzunehmen und diese nicht kleinzureden oder ihm abzusprechen ist es, was es im Kern bedeutet, wenn wir im Artikel 1 des deutschen Grundgesetzes sagen: „Die Würde des Menschen ist unantastbar“. Damit beruft sich das deutsche Grundgesetz unter anderem auch auf Immanuel Kant, der dieses philosophische Feld mit dem Satz „Alles hat einen Wert, der Mensch jedoch hat eine Würde“ abschließt.
Im Folgenden stellen wir dir zusätzlich zur philosophischen, politischen und juristischen Perspektive eine wissenschaftliche Perspektive dafür vor, warum ein Verbot eines natürlichen Nahrungsmittels (entweder durch Staatsgewalt oder Nudging oder Sozialgewalt) auch biologisch absurd.
Biochemische Individualität
Wir haben zwar fast alle zwei Arme, zwei Beine, eine Nase und zwei Ohren, wir haben also echt viel gemeinsam, aber gleichzeitig sind unsere Beine und Arme unterschiedlich lang und dick, Nasen und Ohren sehen unterschiedlich aus. Und genauso, wie wir uns äußerlich unterscheiden, unterscheiden wir uns auch innerlich.
Der Biochemie-Forscher Roger Williams, der unter anderem entscheidend an der Entdeckung vieler Vitamine beteiligt war, fasste viele seiner Erkenntnisse in einem tollen Buch namens Biochemical Individuality („Biochemische Individualität“) zusammen. Dieses ist voll mit Daten und Schaubildern über die unterschiedlichen Formen und Größen unseres Verdauungsapparates. Kein Magen-Darm-Trakt sieht aus wie ein anderer. In der Abbildung unterhalb kannst du die verschiedenen Formen sehen, die ein menschlicher Magen annimmt. Mit unterschiedlicher Form entsteht auch eine unterschiedliche Funktion.
Kein Magen-Darm-Trakt funktioniert wie ein anderer. In größerer Tiefe geht er auch auf die funktionalen Unterschiede verschiedener Verdauungstrakte ein. So unterscheiden sich zum Beispiel die Mengen der Enzyme zur Fleischverdauung (Pepsine) im Magen je nach Individuum um bis zu Faktor 1.000. Das heißt, dass einige Menschen 1.000x mehr fleischverdauuende Enzyme im Magen haben als andere.
Diese biochemische Individualität hat etwas mit Habituierung zu tun. Wenn man zum Beispiel weniger Fleisch isst, dann reduziert der Körper alle Stoffwechselprozesse, die zu diesem Stoffwechsel entscheidend sind, denn im Kern geht es dem Körper immer darum, Energie möglichst effizient einzusetzen. Die biochemische Individualität hat jedoch auch genetische Aspekte.
Ein Forscher, der die genetischen Veränderungen des Stoffwechsels, vor allem in Bezug auf unser Lieblingsthema, die Mitochondrien, fantastisch aufgearbeitet hat, ist der Mitochondrienforscher Douglas Wallace. Ihm haben wir unter anderem zu verdanken, dass wir heute wissen, dass unsere Mitochondrien fast ausschließlich über die mütterliche Seite vererbt werden, was uns heute zum Beispiel sehr hilft zu verstehen, warum sich manche (Lebensstil/Stoffwechsel-)Erkrankungen durch eine rein mütterliche Verwandtschaftslinie ziehen, was durch klassische Genetik nicht erklärbar wäre.
Er stellte auch fest, dass sich nicht nur unsere menschliche DNA mit der historischen Wanderung der Menschheit gewandelt hat und an das neue Umfeld angepasst hat, sondern auch unsere Mitochondrien entscheidende Unterschiede vorweisen, je nachdem wo die genetische Linie unserer Mitochondrien territorial und historisch zuhause war. In der Abbildung sehen wir die historische Wanderung der Menschheit aus Afrika („Out of Africa Theory“) in die verschiedenen Abschnitte der Welt und welche unterschiedlichen mitochondrialen Haplotypen (unterschiedliche mitochondriale DNA und Funktion) sich in den verschiedenen Regionen der Welt heute primär finden lassen.
Die moderne Mitochondrienforschung weist unter anderem auf konkrete Unterschiede im Fettstoffwechsel hin, wie zum Beispiel einer effizienteren Verstoffwechselung von Fetten in den mitochondrialen Haplotypen, die sich eher in nördlichen, kälteren Gefilden finden lassen. Auf dieser Basis ist es natürlich wenig überraschend, dass Menschen immer die Nahrung gegessen haben mit der sie über die Jahrtausende ko-evolutioniert sind. Daten über Naturvölker zeigen zum Beispiel eindeutig, dass Naturvölker, die mehr in nördlichen Gefilden leben, mehr Tiere und mehr Fette konsumieren als Menschen in Äquatornähe, die mehr Pflanzen und weniger Tiere konsumieren.
Territoriale Unterschiede zeigen unter anderem, dass in Äquator- und Tropennähe die Kombination aus Proteinen und Kohlenhydraten auf Basis der höheren Photosyntheserate von Pflanzen deutlich mehr verfügbar ist als in Arktis- und Polnähe, wo die Winter lang sind, die Sonne flach steht, Pflanzen eine viel geringere Photosyntheserate besitzen, wo die Tiere (inklusive Fischen) jedoch sehr viel fettreicher sind als in Äquatornähe.
Saisonale Unterschiede spielen vor allen Dingen in moderaten Klimazonen wie Mitteleuropa eine immense Rolle. Im Sommer steigt die Verfügbarkeit von Kohlenhydraten und im Winter die Verfügbarkeit von Fetten.
Diese biochemische Individualität auf Basis von individuellen Unterschieden der klassischen Genetik, der mitochondrialen Genetik und unterschiedlichster Habituation ist ein wichtiger Fokuspunkt unserer Arbeit und der modernsten Forschung im Bereich der Ernährungslehre und unter diesem Aspekt ist für uns eine dogmatische Positionierung für oder gegen eine bestimmte Ernährungsweise, vor allem wenn sie mit einer Verbotskultur einhergeht, recht absurd.
Wieso soll Fleisch denn für den Menschen überhaupt ungesund sein?
Woher kommen eigentlich die Urteile über die ungesunden Aspekte von Fleisch? Wie sind diese Urteile mit der biochemischen Individualität vereinbar? Was wurde herausgefunden, dass einige Leute zu dem Schluss gelangt sind, kein Fleisch mehr zu essen, oder gar andere Menschen mit mehr oder weniger Gewalt dazu zu bringen, es ihnen gleich zu tun?
Wir wollen nicht an einem Marktschreiwettbewerb teilnehmen an dem jeder „seine Wahrheit“ einfach lauter schreit als der andere, sondern wir wollen dich an unserem Denkprozess teilhaben lassen, wie wir versuchen, überhaupt an Wahrheit heranzukommen. Bei MOJO kommt auch jeder individuelle Mensch zu unterschiedlichen Schlüssen und Entscheidungen. Manche Mitarbeiter und Kunden essen mehr, manche weniger Fleisch oder gar kein Fleisch.
Du darfst und sollst dir mit Hilfe dieser Perspektiven und den zur Verfügung stehenden Informationen auch deine eigene Perspektive bilden und deine eigenen Entscheidungen ableiten. Wir glauben, dass es nicht hilfreich und förderlich für Gesundheit ist, jemanden zu ÜBER-zeugen oder gar zu zwingen. Wir leben lieber vor, inspirieren und helfen, die eigene Wahr-Nehmung zu schulen und zu schärfen, aber auch dazu gibt es unterschiedliche Perspektiven.
Wir finden es wichtig, dass wir offen für diese unterschiedlichen Perspektiven bleiben. Innerhalb unserer Disziplin und darüber hinaus. Wir haben schon vorhin über Demokratie gesprochen. Ein Zeichen einer gesunden Demokratie ist es, dass sich verschiedene Gewerke ausbilden, die Verantwortung für verschiedene Teilbereiche des Zusammenlebens übernehmen. Und natürlich ist es wichtig, dass sich diese Gewerke unter einander vertrauen und unterstützen. Aber das gelingt nur, wenn diese Gewerke auch ihrem Auftrag treu bleiben. Die höchste Priorität eines Bildungsministeriums ist die Bildung. Die höchste Priorität des Wirtschaftsministeriums ist die Wirtschaft. Alles andere wird dadurch zwar nicht unwichtig, aber wenn das Bildungsministerium anfängt, für die Ziele des Wirtschaftsministeriums zu arbeiten, wie können wir ihm dann noch vertrauen, dass die Qualität unserer Bildung gewährleistet ist? Und genau das passiert, wenn beim Thema Ernährung das Argument der Gesundheit mit anderen (nicht unwichtigen!) Motiven vermischt wird.
Wir finden es an diesem Punkt hilfreich, einfach ein paar Ressourcen mit dir zu teilen. Und zwar jeweils Links zu Personen, Ressourcen und Ideen, die unserer Meinung nach die jeweilige Perspektive recht fair und umfassend repräsentieren. Es gibt einige Menschen, die kommen zu dem Urteil, dass Fleisch „gut“ für ihre Gesundheit sei. Andere kommen zu dem Schluss, dass es „schlecht“ für ihre Gesundheit sei.
Kennst du weitere hilfreiche Quellen? Dann teile sie unten in den Kommentaren! Und wenn du an weiteren MOJO Perspektiven interessiert bist, dann hol dir unser MOJO Starterset. Darüber erlangst du automatisch Zugang zur Online Community »Mitmachschaft«, in welcher wir uns ruhig und konstruktiv mit den schwierigen Themen unserer Generation auseinandersetzen.
Was soll ich denn jetzt machen?
Jeder Mensch nimmt immer die unterschiedlichen konkreten, faktischen Beobachtungen seiner Umwelt und formt daraus seine eigenen Handlungsanweisungen, seine eigene Moral. Das ist völlig normal. Keiner macht dabei einen Fehler, weil er zu individuellen Schlüssen kommt. Individuelle Schlüsse sind was gutes und in der fairen Interaktion verschiedene moralischer Vorstellungen entsteht Gemeinschaft. Den Wert darin zu erkennen und dementsprechend zu leben ist der Ursprung von Freiheit. Individuell wie gesellschaftlich, denn eine Gesellschaft kann nur so frei sein, wie die Individuen, die darin leben. Ob eine unfreie Gesellschaft gesund sein kann? Ob sie nachhaltig sein kann? Spirituell erfüllt und moralisch intakt?
Und genauso verhält es sich mit doch mit dem Thema Nachhaltigkeit. Kann etwas nachhaltig sein, wenn es nicht gesund ist? Kann es nachhaltig sein, wenn es nicht alltagstauglich ist? Kann es nachhaltig sein, wenn es nicht wirtschaftlich ist? Wir glauben, dass eine gesunde, starke, freie, moralisch und philosophisch verwurzelte Gesellschaft in der Lage ist, alle Probleme zu lösen. Wir glauben an die Menschheit. Und unsere Arbeit im Institut dient dazu, diesen Menschen zu helfen. Einem nach dem anderen. Vor allem, indem wir zuhören und reden – ohne direkt zu urteilen.
Der englische Philosoph David Hume hat schon im 18. Jahrhundert sehr präzise beschrieben, dass Fakten alleine niemals die alleinige Grundlage für Moral sein können. Er hat gezeigt, dass wir aus einem IST-Zustand niemals direkt einen SOLL-Zustand ableiten können. Heute ist diese wegweisende Erkenntnis als „Humes Gesetz“ bekannt. Der SOLL-Zustand entspringt immer der Vorstellungskraft der Menschen. Er hängt mit unseren Wünschen, Träumen und Visionen einer lebenswerten und schönen Zukunft zusammen. Der SOLL-Zustand kann nicht von der Wissenschaft bestimmt werden. Dafür ist die Wissenschaft nicht da. Das ist nicht ihre Aufgabe. Die Wissenschaft ist ein Werkzeug zur möglichst präzisen Feststellung des IST-Zustandes. Sobald wir über ein SOLL reden betreten wir das Feld der Moral und der Politik. Jeder ernstzunehmende Wissenschaftler ist sich dieses philosophischen und methodischen Sprunges bewusst.
Wenn man sich selber fragt, wie man denn jetzt handeln soll, dann ist eine Verbindung mit den eigenen Vorstellungen, den eigenen Wünschen und Träumen einer lebenswerten Zukunft ein hilfreicher Ausgangspunkt.
Möge das MOJO mit dir bleiben!
Toller Artikel, herzlichen Dank!
Ich finde es wirklich schön, dass ihr es schafft solch emotional aufgeladene Themen sachlich, zugewandt und offen zu beleuchten.
Eine weitere Quelle auf der Seite Nachhaltigkeit/Gesundheit mit Fleisch wäre das recht neue Buch “Homo Carnivorus” von Elias Gudwis. Das Buch glänzt durch inhaltliche Tiefe und wissenschaftliche Exaktheit und hat mich schwer begeistert.
Beste Grüße: Martin