Sind Depressionen nur ein Vitaminmangel des Gehirns?

Depressionen gehören zu den häufigsten psychischen Erkrankungen weltweit und betreffen nach Schätzungen der WHO etwa 280 Millionen Menschen. Oft werden sie als rein psychologische Erkrankung betrachtet, doch wissenschaftliche Erkenntnisse zeigen, dass biochemische Prozesse – insbesondere solche, die von den B-Vitaminen beeinflusst werden – eine entscheidende Rolle spielen. Die Verbindung zwischen Methylierung, Homocystein und Neurotransmitter-Synthese wirft die Frage auf: Könnte ein Vitaminmangel an B12, B9 (Folat) und B6 Depressionen zumindest teilweise erklären?


Die Rolle der B-Vitamine bei Depressionen

1. Vitamin-B12-Mangel: Häufigkeit und Auswirkungen

Etwa 10–30 % der älteren Bevölkerung leiden an einem Vitamin-B12-Mangel, doch auch junge Menschen können betroffen sein. Bei depressiven Patienten wurde in Studien ein auffallend hoher Anteil an Vitamin-B12-Mangel dokumentiert – bis zu 30 % der Betroffenen weisen niedrigere Werte auf als Gesunde.

Ein Mangel an Vitamin B12 führt zu erhöhten Homocysteinspiegeln und beeinträchtigt die Synthese von S-Adenosylmethionin (SAM), einem wichtigen Methylgruppendonator für die Neurotransmitterproduktion. Studien zeigen, dass eine Supplementation von B12 bei depressiven Patienten die Symptome signifikant verbessern kann, besonders in Kombination mit Antidepressiva.

2. Folat (Vitamin B9): Verbindung zu Depressionen

Etwa 20–35 % der Patienten mit Depressionen leiden an Folatmangel【32†source】. Folat ist essenziell für die Bildung von 5-Methyltetrahydrofolat (5-MTHF), welches an der Homocystein-Methylierung zu Methionin beteiligt ist.

  • Daten: In einer Meta-Analyse mit über 15.000 Teilnehmern wurde gezeigt, dass niedrige Folatspiegel das Risiko für Depressionen um 67 % erhöhen.
  • Behandlungserfolg: Die Gabe von 5-MTHF in einer Dosierung von 15 mg pro Tag führte zu einer deutlichen Symptomreduktion in mehreren Studien.

3. Vitamin B6: Ein unterschätzter Faktor

Vitamin B6 (Pyridoxin) spielt eine zentrale Rolle im Stoffwechsel von Serotonin, Dopamin und GABA, da es als Kofaktor für die Umwandlung von Aminosäuren zu diesen Neurotransmittern dient. Ein Mangel ist in etwa 25 % der Fälle mit Depressionen assoziiert.

  • Homocystein-Senkung: B6 ist notwendig für die Transsulfuration von Homocystein zu Cystein. Ein Mangel erhöht den Homocysteinspiegel und damit das Depressionsrisiko.
  • Studienergebnisse: In einer Untersuchung von 140 depressiven Patienten wurden bei 45 % suboptimale B6-Spiegel festgestellt. Diese Patienten reagierten schlechter auf Standard-Antidepressiva.

Homocystein als Marker für Depressionen

Homocystein ist ein Nebenprodukt des Neurotransmitter- und Methionin-Stoffwechsels. Hohe Spiegel zeigen an, dass der Methylierungskreislauf nicht adäquat läuft und daher Neurotransmitter weder adäquat gebildet werden können, noch adäquat entgiftet werden können. Hohe Homocysteinwerte sind daher ein Risikofaktor für kardiovaskuläre und neurologische Erkrankungen und stehen in engem Zusammenhang mit Depressionen.

  • Grenzwerte und Risiko: Homocysteinspiegel über 15 µmol/L wurden mit einem 90 % höheren Depressionsrisiko korreliert.
  • Mechanismus: Hohe Homocysteinwerte führen zu DNA-Hypomethylierung, was die Synthese von Neurotransmittern wie Serotonin und Dopamin beeinträchtigt, und die Entgiftung von Stresshormonen wie Adrenalin reduziert, was folglich neurotoxische Prozesse begünstigt.

Ergänzende Zahlen aus der Forschung

  1. Bevölkerungsbezogene Studien: In der Hordaland-Studie mit über 6000 Teilnehmern wurde gezeigt, dass Personen mit erhöhten Homocysteinspiegeln ein signifikant höheres Risiko für Depressionen aufwiesen (Odds Ratio: 1,90).
  2. B-Vitamin-Supplementation: Eine Studie mit 299 depressiven Patienten zeigte, dass die Kombination von B6, B12 und Folat die Depressionssymptome bei 42 % der Patienten innerhalb von drei Monaten deutlich reduzierte.

Interview mit Psychiater Dr. Frank Ingwersen

Im Gespräch mit Psychiater Dr. Frank Ingwersen sprechen wir darüber, wie bedeutend die Rolle von Vitaminmängeln bei psychischen Erkrankungen ist. Dr. Ingwersen berichtete aus seiner langjährigen Praxis, dass ein erheblicher Teil seiner Patienten mit Depressionen, Schizophrenien, Psychosen, bipolaren Störungen und ADHS unter Mängeln an essenziellen Vitaminen wie B6, B9 (Folat) und B12 leidet. Er betonte, dass diese Defizite häufig unentdeckt bleiben, da sie mit herkömmlichen diagnostischen Methoden nicht ausreichend erfasst werden. Mit gezielter Diagnostik und einer individualisierten Nährstofftherapie konnte er bei vielen Betroffenen deutliche Verbesserungen der Symptome erzielen und damit auch die Effektivität psychotherapeutischer und medikamentöser Ansätze steigern.

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Therapeutische Perspektiven

Die Regenerationsmedizin betrachtet Depressionen als ein universelles Symptom eines energetischen Defizitis mit individueller Beteiligung von Stoffwechsel, Nervensystem, und Immunsystem. Im Rahmen einer Erstdiagnostik werden in der Regenerationsmedizin alle Systeme gescreent und vor allen Dingen die Methylierung mit der Überprüfung bioaktiver B-Vitamine, insbesondere B6, B9 und B12, sowie Homocystein gehört immer zur Basisdiagnostik bei Depression.

Unterschiede zwischen bioaktiver und klassischer B-Vitamin-Diagnostik

Die klassische Diagnostik von B-Vitaminen basiert häufig auf der Bestimmung der Gesamtkonzentration dieser Substanzen im Serum oder Plasma, zumeist mittels HPLC (Hochleistungsflüssigkeitschromatographie). Diese Methode erfasst primär die Gesamtmenge eines Vitamins, jedoch ohne zwischen den verschiedenen Metaboliten zu differenzieren oder deren bioaktive Wirksamkeit zu bewerten. Dies kann dazu führen, dass funktionelle Mängel übersehen werden, da lediglich die Präsenz, nicht aber die bioaktive Verfügbarkeit der Vitamine erfasst wird. Ein Beispiel ist Vitamin B6, das aus sechs interkonvertiblen Substanzen besteht, wobei Pyridoxal-5-Phosphat (PLP) als der metabolisch wirksamste Bestandteil gilt. Das Verhältnis der Metaboliten kann dabei entscheidend für die Vitaminwirkung sein, bleibt jedoch in der klassischen Diagnostik meist unberücksichtigt. Vitamin B6 wird sogar häufig als zu hoch diagnostiziert, weil Vitamin B6 bei chronischen Entzündungsprozessen die Zelle verlässt. Dann wird es im Serum als zu hoch gemessen, in der Zelle, wo es gebraucht wird, fehlt es allerdings.

Mit der innovativen bioaktiven Diagnostik, wie dem ID-Vit®-Test, können hingegen die tatsächlich im Körper wirksamen Vitamin-Metaboliten gemessen werden. Dieser funktionelle Ansatz basiert auf der biologischen Aktivität der Vitamine, indem das Wachstum vitaminsensitiver Mikroorganismen in Abhängigkeit von der Vitaminverfügbarkeit gemessen wird. So können selbst kleinste funktionelle Defizite erkannt werden, die bei herkömmlichen Messmethoden nicht auffallen. Studien zeigen, dass 5–15 % der Patienten mit normgerechten Blutwerten in der konventionellen Analyse dennoch funktionelle Mangelzustände aufweisen, die erst durch bioaktive Tests sichtbar werden.


Fazit

Depressionen sind nicht immer ein einfacher “Vitaminmangel”, doch ein solcher kann eine bedeutende Rolle spielen. Besonders Vitamin B6, B9 und B12 beeinflussen die zentralen Mechanismen der Neurotransmitter-Synthese und der Methylierung. Eine frühzeitige Diagnostik und gezielte Therapie mit B-Vitaminen könnte vielen Betroffenen helfen und stellt eine vielversprechende Ergänzung zu herkömmlichen Behandlungen dar. Regenerationsmedizinische Ansätze, die Biochemie und Lebensstil einbeziehen, könnten der Schlüssel zur Prävention und Behandlung sein.

Quellen:

  1. Miller, Alan. (2008). The Methylation, Neurotransmitter, and Antioxidant Connections Between Folate and Depression. Alternative Medicine Review: A Journal of Clinical Therapeutic, 13, 216–226.
  2. Bottiglieri, T., Laundy, M., Crellin, R., et al. (2000). Homocysteine, folate, methylation, and monoamine metabolism in depression. Journal of Neurology, Neurosurgery & Psychiatry, 69, 228–232.
  3. Russell-Jones, Gregory, & New, Karl J. (2023). Altered Neurotransmitter Metabolites in Vitamin B12 Deficiency. Journal of Psychiatry and Psychiatric Disorders, 7, 223–227.
  4. Bottiglieri, Teodoro. (1996). Folate, Vitamin B12, and Neuropsychiatric Disorders. Nutrition Reviews, 54(12), 382–390. https://doi.org/10.1111/j.1753-4887.1996.tb03851.x
  5. Rivera, Arturo Marroquin, et al. You Are What You Eat, and You Behave Accordingly: How B12 Influences the Occurrence of Neuropsychiatric Disorders via Epigenetic Mechanisms. Biological Psychiatry, 97(1), 2–4.
  6. Bekdash, R.A. (2024). Epigenetics, Nutrition, and the Brain: Improving Mental Health through Diet. International Journal of Molecular Sciences, 25, 4036. https://doi.org/10.3390/ijms25074036
  7. Bjelland, I., Tell, G.S., Vollset, S.E., Refsum, H., & Ueland, P.M. (2003). Folate, Vitamin B12, Homocysteine, and the MTHFR 677C→T Polymorphism in Anxiety and Depression: The Hordaland Homocysteine Study. Archives of General Psychiatry, 60(6), 618–626. https://doi.org/10.1001/archpsyc.60.6.618
  8. Kumari, R., Agrawal, A., Singh, G.P.I., & Dubey, G.P. (2015). Hyperhomocysteinemia and DNA Hypomethylation, Reduced the Monoamines Synthesis in Depression: A Case-Control Study. Journal of Systems and Integrative Neuroscience, 1(2), 36–40.

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