Ketogene Ernährung im Spitzensport? Neue Erkenntnisse
Die Sporternährung ist seit Jahrzehnten von der Annahme geprägt, dass eine kohlenhydratreiche Ernährung für optimale Leistungsfähigkeit notwendig ist. Eine neue Studie von Andrew P. Koutnik und seinem Team, veröffentlicht in AJP Cell Physiology, stellt diese etablierte Sichtweise in Frage und liefert bahnbrechende Erkenntnisse über den Einfluss der ketogenen Ernährung auf die sportliche Leistungsfähigkeit.
Die Rolle von Kohlenhydraten in der Sporternährung
Die Auffassung, dass Kohlenhydrate essenziell für sportliche Leistung sind, geht auf Studien aus den 1920er Jahren zurück. Dabei wurde das Phänomen des “Hitting the Wall” beschrieben: ein plötzlicher Leistungseinbruch aufgrund von Hypoglykämie. Dies führte zur Empfehlung einer konstanten Kohlenhydratzufuhr vor und während sportlicher Belastung. Spätere Forschungen unterstützten diese Theorie, indem sie zeigten, dass Muskelglykogen während des Trainings verbraucht wird und eine hohe Kohlenhydrataufnahme die Ausdauerleistung verbessern kann.
Neue Erkenntnisse zur Keto-Adaption
Die neuesten Forschungen zeigen jedoch, dass eine langfristige Anpassung an eine ketogene Ernährung (mindestens vier Wochen) zu einer ähnlichen oder sogar verbesserten Leistungsfähigkeit führen kann. Studien, die eine ketogene Ernährung nur kurzzeitig untersuchten (<4 Wochen), kamen oft zu dem Ergebnis, dass diese Ernährungsweise die Leistung verschlechtert. Längerfristige Untersuchungen zeigen jedoch, dass Sportler nach einer ausreichenden Adaptionszeit hohe Intensitäten erreichen können, ohne auf Kohlenhydrate angewiesen zu sein.
Fett als primärer Energielieferant
Traditionell wurde angenommen, dass mit zunehmender Trainingsintensität der Energieverbrauch von Fett auf Kohlenhydrate umschaltet (“Crossover-Konzept”). Neue Daten zeigen jedoch, dass ketoadaptierte Athleten auch bei hoher Intensität (>85 % VO2max) verstärkt Fett als Energiequelle nutzen können. Dies widerspricht dem bisherigen Paradigma und zeigt, dass der Körper auch ohne hohe Kohlenhydratspeicher leistungsfähig sein kann.
Leistung bei hoher Belastung
In einer aktuellen Studie mussten ketoadaptierte Athleten an hochintensiven 1-Meilen-Läufen und 6×800-Meter-Sprints teilnehmen. Das Ergebnis: Nach vier Wochen ketogener Ernährung zeigten sie keine Leistungseinbußen im Vergleich zu Athleten mit einer kohlenhydratreichen Ernährung. Dies deutet darauf hin, dass die Keto-Adaption ausreicht, um eine gleichwertige Leistungsfähigkeit zu erreichen.
Bedeutung der Hypoglykämie
Ein entscheidender Faktor für die Leistungsfähigkeit scheint nicht die absolute Menge an Kohlenhydraten zu sein, sondern das Vermeiden von Hypoglykämie. In der Studie wurde getestet, ob minimale Kohlenhydratzufuhr (10 g/h) bei ketoadaptierten Athleten ausreicht, um die Leistung zu steigern. Das Ergebnis: Bereits geringe Mengen an Kohlenhydraten verhinderten Hypoglykämie und verbesserten die Ausdauerleistung um 22 %.
Neueste Erkenntnisse von Dr. Andrew Koutnik
Im folgenden YouTube-Video spricht Dr. Gerrit Keferstein mit dem renommierten Stoffwechselforscher Dr. Andrew Koutnik über die neuesten wissenschaftlichen Erkenntnisse zur ketogenen Ernährung im Spitzensport. Dabei diskutieren sie, wie sich eine langfristige Anpassung an eine kohlenhydratarme Ernährung auf die Leistungsfähigkeit auswirkt, welche physiologischen Mechanismen dabei eine Rolle spielen und welche praktischen Implikationen sich für Sportler ergeben. Das Gespräch liefert wertvolle Einblicke in die aktuelle Forschung und zeigt, wie die ketogene Ernährung gezielt für Leistungssteigerung und metabolische Flexibilität genutzt werden kann.
Prädiabetes bei Athleten und der „Fit but Unhealthy“-Phänotyp
Lange Zeit galt die Annahme, dass sportlich aktive Menschen automatisch metabolisch gesund sind. Doch aktuelle Forschung zeigt, dass auch hochtrainierte Athleten Prädiabetes entwickeln können, insbesondere wenn sie sich kohlenhydratreich ernähren. Dieser Zustand, oft als „Fit but Unhealthy“-Phänotyp bezeichnet, beschreibt Menschen mit hoher körperlicher Leistungsfähigkeit, aber subtilen metabolischen Dysfunktionen wie Insulinresistenz, erhöhten Blutzuckerwerten und einer gestörten Glukoseregulation.
Studien mit kontinuierlichen Glukosemessungen (CGMs) haben gezeigt, dass selbst Ausdauersportler, die wöchentlich über 50 km laufen und einen niedrigen Körperfettanteil haben, prädiabetische Blutzuckerwerte aufweisen können, ohne es zu wissen. Entscheidend dabei ist, dass dieser Zustand häufig erst durch eine gezielte Ernährungsumstellung – insbesondere eine kohlenhydratreduzierte Ernährung – behoben werden kann.
Diese Erkenntnisse fordern das traditionelle Verständnis heraus, dass körperliche Aktivität allein vor Stoffwechselstörungen schützt. Vielmehr zeigt sich, dass die individuelle Ernährungsstrategie eine entscheidende Rolle spielt. Der „Fit but Unhealthy“-Phänotyp verdeutlicht, dass metabolische Gesundheit nicht nur eine Frage der Fitness ist, sondern eng mit der Glukosestabilität, Insulinsensitivität und der Fähigkeit zur metabolischen Flexibilität verknüpft ist.
Praktische Anwendungen
Die neuen Erkenntnisse haben weitreichende Konsequenzen für die Sporternährung:
- Personalisierte Ernährung: Sportler können individuell entscheiden, ob eine kohlenhydratreiche oder ketogene Ernährung besser für ihre Bedürfnisse geeignet ist.
- Minimale Kohlenhydratzufuhr: Bereits geringe Mengen (10 g/h) während intensiver Belastung können helfen, Hypoglykämie zu verhindern und die Leistung zu steigern.
- Lange Adaptationszeit: Mindestens vier Wochen sind notwendig, um sich optimal an eine ketogene Ernährung anzupassen und die volle Leistungsfähigkeit zu erreichen.
- Gesundheitliche Vorteile: Eine ketogene Ernährung könnte nicht nur für Sportler, sondern auch für die allgemeine metabolische Gesundheit vorteilhaft sein.
MOJO Mentoring: Individuelles Stoffwechselcoaching
Mit dem MOJO Mentoring bieten wir ein individuelles Stoffwechselcoaching auf Basis der persönlichen Glukosedaten an. Dieses Coaching richtet sich sowohl an Spitzensportler, die ihre metabolische Flexibilität optimieren wollen, als auch an Menschen, die eine therapeutische Kohlenhydratreduktion zur Behandlung von Stoffwechsel-, Nerven- und Immunerkrankungen einsetzen möchten. Durch eine präzise Analyse der individuellen Glukosewerte und gezielte Anpassungen der Ernährung helfen wir unseren Klienten, ihre Leistungsfähigkeit und Gesundheit nachhaltig zu verbessern.
Fazit
Die neuen Erkenntnisse stellen das traditionelle Verständnis der Sporternährung infrage und zeigen, dass eine ketogene Ernährung mit ausreichender Adaptation eine gleichwertige Alternative zur kohlenhydratreichen Ernährung sein kann. Sie bietet eine vielversprechende Option für Athleten, die ihre Ernährung optimieren und ihre metabolische Flexibilität verbessern möchten.
Quellen
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Hallo Mojo Team,
könnt ihr mir sagen unter welchem Kapitel man das vollständige Interview in der Mojo Grundausbildung Chronisch Gesund finden kann?
LG Janosch