Ketogene Ernährung im Spitzensport? Neue Erkenntnisse

Die Sporternährung ist seit Jahrzehnten von der Annahme geprägt, dass eine kohlenhydratreiche Ernährung für optimale Leistungsfähigkeit notwendig ist. Eine neue Studie von Andrew P. Koutnik und seinem Team, veröffentlicht in AJP Cell Physiology, stellt diese etablierte Sichtweise in Frage und liefert bahnbrechende Erkenntnisse über den Einfluss der ketogenen Ernährung auf die sportliche Leistungsfähigkeit.

Die Rolle von Kohlenhydraten in der Sporternährung

Die Auffassung, dass Kohlenhydrate essenziell für sportliche Leistung sind, geht auf Studien aus den 1920er Jahren zurück. Dabei wurde das Phänomen des “Hitting the Wall” beschrieben: ein plötzlicher Leistungseinbruch aufgrund von Hypoglykämie. Dies führte zur Empfehlung einer konstanten Kohlenhydratzufuhr vor und während sportlicher Belastung. Spätere Forschungen unterstützten diese Theorie, indem sie zeigten, dass Muskelglykogen während des Trainings verbraucht wird und eine hohe Kohlenhydrataufnahme die Ausdauerleistung verbessern kann.

Die Abbildung zeigt die drei Hauptwege der Energieproduktion: Glukosefermentation, Fettsäureverbrennung und Ketonkörperoxidation, die alle zur Bildung von Acetyl-CoA führen, welches im Zitratzyklus und der oxidativen Phosphorylierung zur ATP-Produktion genutzt wird. Klassischerweise galt die Glukose als der einzige Treibstoff, der schnell oxidiert werden kann, während Fette als langsamere Energiequelle betrachtet wurden. Neueste Forschung zeigt jedoch, dass Fettverbrennung und Ketolyse auch bei hoher Belastung effizient genutzt werden können, insbesondere bei ketoadaptierten Athleten. Dies stellt das herkömmliche Paradigma infrage und eröffnet neue Möglichkeiten für Leistungssteigerung und metabolische Flexibilität.

Neue Erkenntnisse zur Keto-Adaption

Die neuesten Forschungen zeigen jedoch, dass eine langfristige Anpassung an eine ketogene Ernährung (mindestens vier Wochen) zu einer ähnlichen oder sogar verbesserten Leistungsfähigkeit führen kann. Studien, die eine ketogene Ernährung nur kurzzeitig untersuchten (<4 Wochen), kamen oft zu dem Ergebnis, dass diese Ernährungsweise die Leistung verschlechtert. Längerfristige Untersuchungen zeigen jedoch, dass Sportler nach einer ausreichenden Adaptionszeit hohe Intensitäten erreichen können, ohne auf Kohlenhydrate angewiesen zu sein.

Das Bild veranschaulicht den Unterschied zwischen fehlender und vorhandener metabolischer Flexibilität. Wer sich über Jahre kohlenhydratreich ernährt, bleibt stark abhängig vom Zuckerstoffwechsel und erlebt bei längerer Belastung einen drastischen Energieeinbruch, sobald die Glykogenspeicher leer sind („Hitting the Wall“). Im Gegensatz dazu können Athleten, die kohlenhydratreduziert trainieren, ihren Fettstoffwechsel optimieren und dadurch auch bei geringer Kohlenhydratzufuhr konstante Energie liefern. Diese metabolische Anpassung ermöglicht es, selbst bei langen Belastungen leistungsfähig zu bleiben, da der Körper flexibel zwischen Zucker-, Fett- und Ketostoffwechsel wechseln kann. Neueste Erkenntnisse zeigen, dass diese Anpassung die Ausdauerleistung steigern und den klassischen Leistungseinbruch verhindern kann.

Fett als primärer Energielieferant

Traditionell wurde angenommen, dass mit zunehmender Trainingsintensität der Energieverbrauch von Fett auf Kohlenhydrate umschaltet (“Crossover-Konzept”). Neue Daten zeigen jedoch, dass ketoadaptierte Athleten auch bei hoher Intensität (>85 % VO2max) verstärkt Fett als Energiequelle nutzen können. Dies widerspricht dem bisherigen Paradigma und zeigt, dass der Körper auch ohne hohe Kohlenhydratspeicher leistungsfähig sein kann.

Die Abbildung zeigt die Energieverteilung aus Fett (blau) und Kohlenhydraten (rot) bei verschiedenen Intensitäten (%VO₂max) unter zwei Ernährungsstrategien: HCLF (High-Carb, Low-Fat) links und LCHF (Low-Carb, High-Fat) rechts. In der klassischen Crossover-Theorie wurde angenommen, dass bei steigender Belastung der Körper ab etwa 60% VO₂max von Fettverbrennung auf Kohlenhydratverbrennung umschaltet. Diese Annahme wird durch die neuesten Daten aus der LCHF-Gruppe widerlegt: Selbst bei >85% VO₂max bleibt die Fettverbrennung aktiv und erreicht sogar Rekordwerte, die als die höchsten jemals gemessenen Fettoxidationsraten in der Geschichte der Sportwissenschaft dokumentiert wurden. Der sogenannte Crossover-Point verschiebt sich bei ketoadaptierten Athleten weit nach rechts, was zeigt, dass sie auch bei hoher Belastung effektiv Fett als Energiequelle nutzen können – eine fundamentale Herausforderung für das bisherige Paradigma der Sportphysiologie.

Leistung bei hoher Belastung

In einer aktuellen Studie mussten ketoadaptierte Athleten an hochintensiven 1-Meilen-Läufen und 6×800-Meter-Sprints teilnehmen. Das Ergebnis: Nach vier Wochen ketogener Ernährung zeigten sie keine Leistungseinbußen im Vergleich zu Athleten mit einer kohlenhydratreichen Ernährung. Dies deutet darauf hin, dass die Keto-Adaption ausreicht, um eine gleichwertige Leistungsfähigkeit zu erreichen.

Die Abbildung zeigt, dass ketoadaptierte Athleten (LCHF) in Time-Trials und Time-to-Exhaustion-Tests genauso gut abschneiden wie HCLF-Athleten, was die Annahme widerlegt, dass eine kohlenhydratreiche Ernährung für Spitzenleistung notwendig ist. Interessanterweise konnte auch gezeigt werden, dass eine minimale Kohlenhydratzufuhr von nur 3,4 g alle 20 Minuten – etwa ein Zehntel der gängigen Empfehlungen – die Leistungsfähigkeit um 22 % steigerte. Dies stellt die verbreitete Annahme infrage, dass Athleten hohe Mengen an Kohlenhydraten (oft 60-120 g pro Stunde) konsumieren müssen, um Höchstleistungen zu erbringen. Die Ergebnisse legen nahe, dass eine metabolische Flexibilität, die eine effiziente Fettverbrennung ermöglicht, es erlaubt, auch mit minimalen Kohlenhydraten Spitzenleistungen zu erreichen. Dies hat weitreichende Implikationen für die Sporternährung und könnte insbesondere für Langzeitausdauerathleten von großer Bedeutung sein.

Bedeutung der Hypoglykämie

Ein entscheidender Faktor für die Leistungsfähigkeit scheint nicht die absolute Menge an Kohlenhydraten zu sein, sondern das Vermeiden von Hypoglykämie. In der Studie wurde getestet, ob minimale Kohlenhydratzufuhr (10 g/h) bei ketoadaptierten Athleten ausreicht, um die Leistung zu steigern. Das Ergebnis: Bereits geringe Mengen an Kohlenhydraten verhinderten Hypoglykämie und verbesserten die Ausdauerleistung um 22 %.

Die Abbildung zeigt die medianen interstitiellen Glukosewerte von Athleten unter einer Low-Carb-High-Fat (LCHF, rot) und einer High-Carb-Low-Fat (HCLF, grau) Ernährung über den Tagesverlauf. LCHF-Athleten weisen durchgehend niedrigere und stabilere Glukosewerte auf, während HCLF-Athleten deutlich höhere Schwankungen zeigen. Besonders bemerkenswert ist, dass das Forscherteam unter den HCLF-Athleten sogar mehrere Sportler mit prädiabetischen Glukosewerten identifizierte. Erst nach einer Umstellung auf eine LCHF-Ernährung normalisierten sich deren Glukosespiegel, was auf eine verbesserte metabolische Gesundheit und Insulinsensitivität hinweist. Diese Erkenntnisse zeigen, dass eine kohlenhydratreiche Ernährung nicht zwangsläufig metabolisch vorteilhaft ist und dass eine LCHF-Ernährung nicht nur die Fettverbrennung optimiert, sondern auch langfristig zur Stabilisierung des Blutzuckerspiegels und zur Prävention metabolischer Erkrankungen beitragen kann.

Neueste Erkenntnisse von Dr. Andrew Koutnik

Im folgenden YouTube-Video spricht Dr. Gerrit Keferstein mit dem renommierten Stoffwechselforscher Dr. Andrew Koutnik über die neuesten wissenschaftlichen Erkenntnisse zur ketogenen Ernährung im Spitzensport. Dabei diskutieren sie, wie sich eine langfristige Anpassung an eine kohlenhydratarme Ernährung auf die Leistungsfähigkeit auswirkt, welche physiologischen Mechanismen dabei eine Rolle spielen und welche praktischen Implikationen sich für Sportler ergeben. Das Gespräch liefert wertvolle Einblicke in die aktuelle Forschung und zeigt, wie die ketogene Ernährung gezielt für Leistungssteigerung und metabolische Flexibilität genutzt werden kann.

YouTube

Mit dem Laden des Videos akzeptieren Sie die Datenschutzerklärung von YouTube.
Mehr erfahren

Video laden

Klicken Sie auf den unteren Button, um den Inhalt von creators.spotify.com zu laden.

Inhalt laden

Prädiabetes bei Athleten und der „Fit but Unhealthy“-Phänotyp

Lange Zeit galt die Annahme, dass sportlich aktive Menschen automatisch metabolisch gesund sind. Doch aktuelle Forschung zeigt, dass auch hochtrainierte Athleten Prädiabetes entwickeln können, insbesondere wenn sie sich kohlenhydratreich ernähren. Dieser Zustand, oft als „Fit but Unhealthy“-Phänotyp bezeichnet, beschreibt Menschen mit hoher körperlicher Leistungsfähigkeit, aber subtilen metabolischen Dysfunktionen wie Insulinresistenz, erhöhten Blutzuckerwerten und einer gestörten Glukoseregulation.

Studien mit kontinuierlichen Glukosemessungen (CGMs) haben gezeigt, dass selbst Ausdauersportler, die wöchentlich über 50 km laufen und einen niedrigen Körperfettanteil haben, prädiabetische Blutzuckerwerte aufweisen können, ohne es zu wissen. Entscheidend dabei ist, dass dieser Zustand häufig erst durch eine gezielte Ernährungsumstellung – insbesondere eine kohlenhydratreduzierte Ernährung – behoben werden kann.

Diese Erkenntnisse fordern das traditionelle Verständnis heraus, dass körperliche Aktivität allein vor Stoffwechselstörungen schützt. Vielmehr zeigt sich, dass die individuelle Ernährungsstrategie eine entscheidende Rolle spielt. Der „Fit but Unhealthy“-Phänotyp verdeutlicht, dass metabolische Gesundheit nicht nur eine Frage der Fitness ist, sondern eng mit der Glukosestabilität, Insulinsensitivität und der Fähigkeit zur metabolischen Flexibilität verknüpft ist.

Praktische Anwendungen

Die neuen Erkenntnisse haben weitreichende Konsequenzen für die Sporternährung:

  1. Personalisierte Ernährung: Sportler können individuell entscheiden, ob eine kohlenhydratreiche oder ketogene Ernährung besser für ihre Bedürfnisse geeignet ist.
  2. Minimale Kohlenhydratzufuhr: Bereits geringe Mengen (10 g/h) während intensiver Belastung können helfen, Hypoglykämie zu verhindern und die Leistung zu steigern.
  3. Lange Adaptationszeit: Mindestens vier Wochen sind notwendig, um sich optimal an eine ketogene Ernährung anzupassen und die volle Leistungsfähigkeit zu erreichen.
  4. Gesundheitliche Vorteile: Eine ketogene Ernährung könnte nicht nur für Sportler, sondern auch für die allgemeine metabolische Gesundheit vorteilhaft sein.

MOJO Mentoring: Individuelles Stoffwechselcoaching

Mit dem MOJO Mentoring bieten wir ein individuelles Stoffwechselcoaching auf Basis der persönlichen Glukosedaten an. Dieses Coaching richtet sich sowohl an Spitzensportler, die ihre metabolische Flexibilität optimieren wollen, als auch an Menschen, die eine therapeutische Kohlenhydratreduktion zur Behandlung von Stoffwechsel-, Nerven- und Immunerkrankungen einsetzen möchten. Durch eine präzise Analyse der individuellen Glukosewerte und gezielte Anpassungen der Ernährung helfen wir unseren Klienten, ihre Leistungsfähigkeit und Gesundheit nachhaltig zu verbessern.

Fazit

Die neuen Erkenntnisse stellen das traditionelle Verständnis der Sporternährung infrage und zeigen, dass eine ketogene Ernährung mit ausreichender Adaptation eine gleichwertige Alternative zur kohlenhydratreichen Ernährung sein kann. Sie bietet eine vielversprechende Option für Athleten, die ihre Ernährung optimieren und ihre metabolische Flexibilität verbessern möchten.

Quellen

Noakes, T. D., Prins, P. J., Volek, J. S., D’Agostino, D. P., & Koutnik, A. P. (2023). Low carbohydrate high fat ketogenic diets on the exercise crossover point and glucose homeostasis. Frontiers in Physiology, 14. https://doi.org/10.3389/fphys.2023.1150265

Maffetone, P. B., & Laursen, P. B. (2016). Athletes: Fit but Unhealthy? Sports Medicine – Open, 2(24). https://doi.org/10.1186/s40798-016-0048-x

Burke, L. M. (2015). Re-Examining High-Fat Diets for Sports Performance: Did We Call the ‘Nail in the Coffin’ Too Soon? Sports Medicine, 45(Suppl 1), 33–49. https://doi.org/10.1007/s40279-015-0393-9

Burke, L. M., Ross, M. L., Garvican-Lewis, L. A., Welvaert, M., Heikura, I. A., Forbes, S. G., Mirtschin, J. G., Cato, L. E., Strobel, N., Sharma, A. P., & Hawley, J. A. (2017). Low carbohydrate, high fat diet impairs exercise economy and negates the performance benefit from intensified training in elite race walkers. Journal of Physiology, 595(9), 2785-2807. https://doi.org/10.1113/JP273230

Burke, L. M., Sharma, A. P., Heikura, I. A., Forbes, S. F., Holloway, M., McKay, A. K. A., Bone, J. L., Leckey, J. J., Welvaert, M., & Ross, M. L. (2020). Crisis of confidence averted: Impairment of exercise economy and performance in elite race walkers by ketogenic low carbohydrate, high fat (LCHF) diet is reproducible. PLoS One, 15(6), e0234027. https://doi.org/10.1371/journal.pone.0234027

Burke, L. M., Whitfield, J., Heikura, I. A., Ross, M. L. R., Tee, N., Forbes, S. F., Hall, R., McKay, A. K. A., Wallett, A. M., & Sharma, A. P. (2021). Adaptation to a low carbohydrate high fat diet is rapid but impairs endurance exercise metabolism and performance despite enhanced glycogen availability. Journal of Physiology, 599(3), 771-790. https://doi.org/10.1113/JP280221

Prins, P. J., Noakes, T. D., Buga, A., Gerhart, H. D., Cobb, B. M., D’Agostino, D. P., Volek, J. S., Buxton, J. D., Heckman, K., Plank, E., DiStefano, S., Flaming, I., Kirsch, L., Lagerquist, B., Larson, E., & Koutnik, A. P. (2025). Carbohydrate ingestion eliminates hypoglycemia and improves endurance exercise performance in triathletes adapted to very low- and high-carbohydrate isocaloric diets. American Journal of Physiology-Cell Physiology, 328(2), C710-C727.

Levine, S. A., Gordon, B., & Derick, C. L. (1924). Some changes in the chemical constituents of the blood following a marathon race: with special reference to the development of hypoglycemia. JAMA, 82(22), 1778–1779. https://doi.org/10.1001/jama.1924.02650480034015

Gordon, B., Kohn, L. A., Levine, S. A., Matton, M., Scriver, W. D. M., & Whiting, W. B. (1925). Sugar content of the blood in runners following a marathon race: with especial reference to the prevention of hypoglycemia: Further observations. JAMA, 85(7), 508–509. https://doi.org/10.1001/jama.1925.02670070028009

Volek, J. S., Noakes, T., & Phinney, S. D. (2015). Rethinking fat as a fuel for endurance exercise. European Journal of Sport Science, 15(1), 13-20. https://doi.org/10.1080/17461391.2014.959564


Ähnliche Beiträge

Testosteron, Gehirnbiologie und politische Haltung: Eine Studiensammlung

Testosteron beeinflusst weit mehr als nur Aggression und Muskelaufbau – es formt unsere kognitive Flexibilität, Risikobereitschaft und politische Haltung. Studien zeigen, dass hohe Testosteronwerte mit Dominanzverhalten, konservativen Ideologien und stärkerer Bedrohungswahrnehmung verknüpft sind. Gleichzeitig fördert es soziale Hierarchien und beeinflusst die emotionale Verarbeitung im Gehirn.

Rückmeldungen

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahren Sie mehr darüber, wie Ihre Kommentardaten verarbeitet werden .

  1. Hallo Mojo Team, 

    könnt ihr mir sagen unter welchem Kapitel man das vollständige Interview in der Mojo Grundausbildung Chronisch Gesund finden kann? 

    LG Janosch