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4.1 Einführung in Stress und Nervensystem (Vorschau)

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Einführung in Stress und Nervensystem

Der Stress als körperliches Phänomen ist eine wichtige Quelle chronischer Krankheit. Äußere Drücke nicht direkt zu innerem Stress werden zu lassen ist daher eine entscheidende Fähigkeit für chronische Gesundheit.

In diesem Kapitel tauchen wir eine Ebene tiefer ein und gehen an die wirklichen Quellen “des Stresses”. Was stresst Menschen wirklich? Ist es einfach “zu wenig Zeit”? Oder hat es tiefere evolutionäre Ursachen? Du lernst die Wurzel von Stress kennen, nämlich die Wahrnehmung von Gefahr. Stress ist ein Zeichen des Körpers, dass Gefahr wahrgenommen wird und versucht, uns über Energiemobilisation aus der Gefahr zu entfernen. Wenn auf diesen Hinweis nicht eingegangen wird und die Gefahrenwahrnehmung bestehen bleibt, dann chronifiziert der Stress. Dann ist man im chronischen Stress. Wenn dann irgendwann die Energie nicht mehr ausreicht, in der hohen Umdrehungszahl des chronischen Stresses verweilen zu können, dann dekompensiert das System und der Mensch “crasht”. Das ist ein Zustand der Ohnmacht.

Du lernst in diesem Kapitel die drei Funktionszustände des Nervensystems kennen und du lernst, wie du Menschen aus der Ohnmacht und dem Stress in die Resilienz und damit in chronische Gesundheit begleiten kannst.

Wie immer findest du in diesem Übersichtskapitel die gesamte abgekürzte Storyline und dann zoomen wir immer näher rein.

In diesem Kapitel wirst du lernen, wie bewusste und unterbewusste Gefahrenwahrnehmung genau stattfindet. Dazu schauen wir uns genau an, wie Wahrnehmung im Bewussten und Unterbewussten funktioniert. Wir lernen dabei, dass Stress und Gefahrenwahrnehmung ein sehr unterbewusster Prozess ist, der sich meistens nicht rational/kognitiv lösen lässt mit “Mach mal weniger” oder “Entspann dich einfach mal” und “Lass einfach mal los”. 

Du wirst lernen, wie man eine Verbindung mit dem Unterbewusstsein aufbauen kann, um Stress wirklich lösen zu können.

Du wirst lernen, dass “Sicherheit, Verbindung und Geborgenheit” für das Nervensystem das höchste Gut sind und dass es im Nervensystem Stress auslöst, sobald dies nicht mehr wahrgenommen wird.

Stress ist ein körperliches Phänomen zur schnellen Mobilisierung von Energie auf Basis einer Gefahrenwahrnehmung. Dabei wird die Stressachse mobilisiert, um Energie für den Rest des Körpers freizusetzen. Dies ist evolutionär angelegt um akuten Gefahren begegnen oder ihnen entfliehen zu können. Der menschliche Körper ist nicht dafür angelegt eine chronische Stressaktivierung zu erleben und wird daher durch chronisches Stresserleben chronisch krank. Stressoren sind äußere Impulse, die individuell (bewusst und unterbewusst) als gefährlich klassifiziert werden. Je mehr äußere Impulse als unsicher/gefährlich klassifiziert werden (Stressoren), desto häufiger, höher und länger die chronische Stressaktivierung. Stress kann gelöst werden, indem man (bewusst und unterbewusst) weniger Impulse als Stressoren klassifiziert. Dies gelingt mit einer höheren Wahrnehmung von Sicherheit, Verbindung und Geborgenheit.

Du wirst lernen, dass das Nervensystem und damit der Mensch, zahlreiche Ausweichhandlungen hat, um mit Stress umzugehen. Fluchtreflexe wie Sucht nach Arbeit, Sport oder Substanzen sind Ausweichhandlungen. Kampfreflexe wie Wut oder Frustration sind Ausweichreflexe und Ohnmachtsreflexe wie erlernte Hilflosigkeit und Unterwürfigkeit sind ebenfalls Ausweichreflexe aus dem Stress. Um Sucht, Wut, Frustration, sowie Hilflosigkeit und Unterwürfigkeit loszuwerden, muss ein Mensch die Quelle seines Stresses, die Gefahrenwahrnehmung kennenlernen und durch Sicherheit, Verbindung und Geborgenheit ersetzen.

Du wirst lernen, dass es keine Liste von “Gefahren und Sicherheiten” geben kann, denn Gefahrenwahrnehmung ist hoch individuell und bezieht sich immer darauf, an welcher “Sicherheit” sich ein Mensch gerade festhält. Wenn die “Gefahr” besteht, dass Sicherheit, Verbindung und Geborgenheit zu Unsicherheit, Trennung oder Aussetzung/Einsamkeit führen, dann entsteht Gefahrenwahrnehmung.

Stefanie suchte uns auf, weil sie “komplett leer” war. Sie ist Mutter von zwei Kindern, ist halbtags berufstätig im Vertrieb tätig und konnte immer Vollgas geben. Nun fehlt ihr die Energie um “allem gerecht zu werden”. Sie möchte “wieder funktionieren”. Auf Basis ihrer Formulierungen (“komplett leer”, “will funktionieren”, “XYZ gerecht werden”) fragte ich sie: “Wenn du leer bist, du also nicht in dir/bei dir bist, wo bist du dann?”. Diese Frage rührte sie zu Tränen und das Gespräch bewegte sich viel darum, dass sie “sich verloren” hätte, sie nicht mehr bei sich ist, sie oft “neben sich steht” und immer schon “bei der nächsten Sache” ist, während sie gerade eine Sache erledigt. Sie hat immer “nur funktioniert”. Ich erklärte ihr die drei Lebendigkeitszustände:

“Wenn man nur existiert, dann nimmt man sich wahr, als wenn man Platz und Ressourcen wegnimmt. Dann ist einem danach weniger aufzufallen oder sich gar zu suizidieren, damit man “nicht mehr im Weg rumsteht”. Wenn man nur funktioniert, dann muss man den Erwartungen/Vorstellungen anderer entsprechen und beseitigt seine eigenen Bedürfnisse so lange und intensiv bis man “neben sich steht” oder “nicht mehr bei sich ist” oder “sich leer fühlt”. Wenn man lebt, dann ist man in sich, bei sich und deshalb erfüllt. Man ist mitten drin in 3D und in Farbe und sitzt am Lenkrad des Lebens.”

Sie konnte sich sehr damit identifizieren nur zwischen existieren und funktionieren hin- und herzuspringen (wie so viele) und keinen richtigen Zugang zu besitzen wie man den wirklich LEBT. Wir erinnerten sie daran, dass sie mal gelebt hat. Sie verspürte Lust wieder zu sich und in ihre Lebendigkeit zu finden. Wir begannen die Reise zu sich selber mit gezielter körperbasierter Verbindungstherapie. Innerhalb von einigen Wochen wurde sie selbstwirksamer, selbstbestimmter und ließ ihre Depression hinter sich.

Wenn du jemandem helfen willst, chronisch gesund zu sein, dann musst du ihm helfen, dass sein Nervensystem sich chronisch weniger in der Gefahrenwahrnehmung befindet.

Du wirst konkret erlernen, wie du einem Menschen helfen kannst, mehr “Sicherheit, Verbindung und Geborgenheit” zu verspüren, damit der Kampf, die Flucht, die Sucht, die Aufopferung und die Hilflosigkeit kein Zwang mehr sind, sondern zur Option werden. Damit wird der Mensch frei (vom Stress).

Im Folgenden erhältst du einen Überblick über die wichtigsten Aspekte dieses Moduls. Danach gehen wir dann auf jeden dieser Aspekte viel genauer ein.

Wahrnehmung und Reaktion ist zu 99% unterbewusst

Die meisten Ansätze des “Stressmanagements” arbeiten sehr kognitiv. Das klappt bei einigen, aber bei den meisten – v.a. bei chronischem Stress – klappt dies nicht. Das liegt daran, dass (Gefahren)Wahrnehmung zu 99% unterbewusst stattfindet. Wir Menschen besitzen ein Nervensystem, das sehr viel älter ist als wir es sind. Es ist sehr viel älter als der menschliche Verstand. Es ist sehr viel älter als die menschliche Fähigkeit zu denken und zu kommunizieren.

Auch die Stressreaktion ist sehr viel älter als die sehr neuen menschlichen Anteile des Nervensystems, wie unser “Denkhirn”. Deshalb lässt sich Stress auch nicht über das “analytische Denken” lösen. Gefahr wird sehr körperlich unterbewusst wahrgenommen, Stress entsteht sehr körperlich unterbewusst und Stress muss auch genau so körperlich unterbewusst gelöst werden. Der Versuch, es über das “analytische Denken” zu lösen, nennt sich “Grübeln” bzw. “Rumination” und erhöht die Chance darauf, dass der Stress chronifiziert anstatt gelöst zu werden.

Man kann sich nicht stressfrei und ruhig denken. Aber man kann sich stressfrei und ruhig handeln. 

Wahr-Nehmung ist Wahr-Heit

Die Gefahrenwahrnehmung ist das Fundament der Stressreaktion. Dabei geht es nicht darum, dass “echte” Gefahren bestehen. Es geht dabei ausschließlich um die Wahrnehmung. Unser modernes Umfeld hat auf den ersten Blick vielleicht weitaus weniger “reale Gefahren” als die wilde Natur, jedoch sind die Level des chronischen Stresses in der modernen Zivilisation deutlich höher als bei jedem Naturvolk. Die Wahrnehmung kann subtile Gefahren identifizieren, die zu echten physiologischen Reaktionen der Stressachse führen. Das führt bei chronischer Gefahrenwahrnung zu chronischer Anspannung, hohem Blutdruck, hohem Blutzucker, schlechter Verdauung, Entzündung und mitochondrialer Erschöpfung, die dann auch schwere Krankheiten nach sich ziehen kann. 

Stress ist ein Mobilisierungsversuch

Bei Gefahrenwahrnehmung aktiviert das Gehirn die “Stressachse”. Diese schüttet u.a. Adrenalin und Cortisol aus. Diese Stresshormone mobilisieren Energie, damit wir den Stress bewältigen können, uns aus dem Umfeld entfernen oder den Konflikt lösen können. 

Die Stresshormone öffnen die Darmbarriere (stressbedingtes “Leaky Gut”), um mehr Salz, Wasser und Zucker ins Blut zu lassen. Sie führen in der Leber zur Mobilisierung von Zucker ins Blut, im Gehirn führen sie zu Heißhunger auf Zucker, im Fettgewebe werden freie Fettsäuren ins Blut mobilisiert. Der Blutzucker und die Blutfette steigen. An der Niere wird Salz zurückgehalten, die Gefäße werden unter Spannung gebracht und das Herz schlägt stärker, was den Blutdruck ansteigen lässt. Die Muskeln gehen (besonders im Nackenbereich und im Hüftbereich) unter höhere Spannung (“Startle Response”) und der Zellstoffwechsel wird auf anaerobe Glykolyse (“Stressstoffwechsel”) umgestellt.

Stress verkörpert sich

Sowohl akuter, als auch chronischer Stress zeigt sich im Körper. Der Startle Response des akuten Stress wird auch bei chronischem Stress aktiviert. Das zeigt sich in Verspannung in Kiefer, Gesicht, Schulter, Kopf, Nacken, im Becken, hinteren Oberschenkel bis in die Fußsohle. Konkrete Folgen davon sind Kopfschmerzen, nächtliches Knirschen, Muskel- und Gelenkschmerzen, Hüft- und Rückenschmerzen, Hohlfuß und Hallux Valgus. 

Auch die Stresshormone sind bei chronischem Stress chronisch aktiv. Sie erhöhen chronisch den Blutzucker, fördern chronische Entzündung und hemmen Stammzellen, was zu chronischer Degeneration und Schmerzen von Bindegewebe führt. Der Tag-Nacht-Rhythmus verschiebt sich, was initial zu Einschlafstörungen und später zu Durchschlafstörungen und Tagesmüdigkeit führt.

Die chronische Stressaktivität führt zur chronischen Übersäuerung, weil sie den Warburg Stoffwechsel “Stressstoffwechsel” aktiviert. Bei diesem schnellen, aber ineffizienten Stoffwechselpfad kann nur Zucker verbrannt werden, so dass chronischer Stress auch immer mit Heißhunger auf Zucker einhergeht. Bei Zuckerverzicht tritt dann Erschöpfung ein. Stress aktiviert das Immunsystem, so dass chronischer Stress meistens mit chronischer Entzündung (von Haut, Gelenken, Gehirn, Darm) einhergeht, was sich in Gehirnnebel, Konzentrationsstörungen, Hautentzündungen, Darmentzündungen, (Nahrungsmittel)Allergien und chronischen Gelenkschmerzen zeigt. 

Stress verkörpert sich, weil er verkörpert werden will, denn nur durch eine körperliche Handlung kann der Stress bewältigt werden. 

Stress verkörpert sich, weil er verkörpert werden will, denn nur durch eine körperliche Handlung kann der Stress bewältigt werden.
Dr. Gerrit Keferstein

Emotion ohne Motion macht chronischen Stress

Sobald die Stressachse einmal aktiviert ist, wird eine körperliche Handlung gefordert. Das kann eine direkte Verkörperung der Emotion sein. Bei echter Angst zum Beispiel wirklich fliehen und wegrennen, bei echtem Schmerz wirklich schreien, bei echter Wut wirklich kämpfen. Dafür ist die Stressachse da. Wenn die Emotion nicht stark genug ist, um sofort wirklich zu handeln oder wenn man sich aus diversen Gründen erstmal “zügeln” will oder muss, dann ist eine bedachte Handlung erforderlich. 

Zum Beispiel muss man das Gespräch suchen mit demjenigen, der einen wütend gemacht hat oder man muss wirklich körperlich den Ort wechseln, an dem man Angst verspürt. Wenn man nicht in die echte lösungsorientierte Handlung geht (“adaptiver Umgang mit Stress”), sondern eher ins Grübeln kommt (“Rumination”), sich in Hilflosigkeit ergibt (“Opferrolle”) oder das Problem gedanklich sogar noch verstärkt, dann gerät man in den chronischen Stress. Jede Emotion braucht also ein “Ventil” (Motion), damit sie nicht zu Stress wird. Wenn die Emotion schnell in eine adaptive Handlung verkörpert wird, dann entsteht kein (chronischer) Stress.

Chronischer Stress kann chronifizieren

Wenn die Stressachsen für längere Zeit (einige Wochen) chronisch aktiviert bleiben oder der Stressor besonders intensiv war (“Trauma”), dann chronifiziert der Stress. Das bedeutet, dass die Aktivierung der Stressachsen sich epigenetisch verankert und dann die Stressachsen aktiv bleiben, obwohl gar kein äußerer Stressreiz mehr da ist. 

Bei chronifiziertem Stress ist die Wirkung von Cortisol umgekehrt, weil die Stressrezeptoren in Gehirn und Körper sich verändert haben. Auf einmal wirkt Cortisol nicht mehr anti-entzündlich, sondern entzündungsfördernd. Auf einmal wirkt Cortisol nicht aktivierend, sondern hemmend. Wenn der Stress einmal chronifiziert ist, dann bringen “kognitive Methoden” wie zum Beispiel Gesprächstherapie nichts mehr. Dann braucht es eine sehr viszerale, körperliche Herangehensweise, um die Chronifizierung aufzulösen.

Die Resilienz ist der Stoßdämpfer

Was darüber entscheidet, ob Menschen eine Stressaktivierung adaptiv verarbeiten können oder ins Grübeln, in die Hilflosigkeit oder die Verstärkung und damit in den chronischen Stress übergehen, ist der Faktor Resilienz. Die Resilienz ist die Fähigkeit, stressige Situationen entweder gar nicht erst entstehen zu lassen und/oder sie bewältigen zu können. Wenn die Resilienz erschöpft ist, dann kann man Stressoren nicht mehr adaptiv verarbeiten, es folgt der (plötzliche) Crash/Rückzug und (chronischer) Stress wird symptomatisch und führt zu (chronischer) Krankheit, wenn er nicht gelöst wird. Die Resilienz ist eine wichtige Größe für das Erkennen, Verstehen und Verändern von chronischem Stress, Burnout und allen Krankheitsfolgen des chronischen Stresses. 

Die zwei Dimensionen der Resilienz sind:

Das Selbstbewusstsein entscheidet darüber, wie viele Impulse man als Gefahr klassifiziert und wie leicht man sich von sich selbst oder anderen in Gefahrenlagen “reinmanipulieren” lässt. Je höher das Selbstbewusstsein, desto weniger Impulse werden zu Stressoren.

Die mitochondriale Resilienz entscheidet darüber, wie viele Stressoren und wieviel Stressaktivität der Mensch noch adaptiv verarbeiten kann, bevor er crasht und/oder sich zurückziehen muss.

Das Selbstbewusstsein

Selbstbewusstsein ist die Fähigkeit, sich sich selbst bewusst zu sein. Es geht dabei nicht um mutiges oder starkes oder sogar überkompensiertes Auftreten, sondern es geht darum zu spüren, wer bzw. was man ist und zwar auf allen Ebenen der menschlichen Erfahrung. 

Je verbundener und intimer vertraut ein Mensch mit diesen Ebenen des eigenen Selbst ist, desto höher ist das Selbst-Bewusst-Sein eines Menschen. Aus einem solchen Selbst-Bewusst-Sein resultiert ein großes Vertrauen (Urvertrauen) und eine gewisse Unerschütterlichkeit, die dazu führt, dass nur die wenigsten Impulse als Gefahr klassifiziert werden.

Außerdem ist man in sich selber so sicher, dass man keine Sicherheit “im Außen” sucht in Form von “Karriere”, “Erfolg”, “Anerkennung” und “Zugehörigkeit” und daher nicht durch Scham, Schuld, Gier, Angst oder Wut getrieben ist, was zu einem chronischen Stresserleben führen würde.

Im Kontext chronischer Gesundheit ist das “Selbst-Bewusst-Sein” die entscheidende Qualität, um aus dem “Funktionieren” in das “Leben” überzutreten. Das “Funktionieren” ist eine maschinenähnliche, direkte Verschaltung von Impuls und Antwort. Gleiche Impulse führen zu gleichen Antworten. Das gleicht beim Menschen einem konstanten Stresserleben.

Das menschliche Leben und Erleben zeichnet sich durch bewusste und freie Handlungen aus. Handlungen, bei denen ein Raum zwischen Impuls und Antwort entsteht, in dem man sich als Mensch entfaltet. 

In einer solchen Freiheit fühlen wir Menschen uns sicher und geborgen und lassen uns nicht so sehr von äußeren Impulsen verunsichern. 

Tief in unserem Selbst werden wir uns auch tief körperlich darüber klar, WARUM wir leben. Man sagt, jeder hat zwei entscheidende Tage im Leben. Der Tag an dem man geboren wird und der Tag an dem man herausfindet, warum man hier ist. Viktor Frankl sagt ebenfalls: “Wer ein WARUM zum Leben hat, der erträgt fast jedes WIE” und beschreibt damit perfekt, warum das Selbst-Bewusstsein der erste Resilienzfaktor ist.

Die mitochondriale Reserve

Ein tiefes Selbst-Bewusstsein kann dafür sorgen, dass wir sehr viel weniger Impulse als Gefahr klassifizieren (Stressoren) und dadurch sehr viel weniger Stress erleben. Stressoren wird es dennoch geben. Die mitochondriale Reserve bestimmt, ob wir mit diesen Stressoren adaptiv umgehen können und energetisch auf sie reagieren können oder ob wir dem Stress erliegen, was sich in Crash, Rückzug, Ohnmacht oder Dissoziation zeigt. Die mitochondriale Reserve kann kultiviert werden mit Nährstoffen, Bewegung, Schlaf, Naturkontakt und vielen weiteren Methoden. Das Erschöpfen der mitochondrialen Reserve ist der Punkt, an dem chronischer Stress “plötzlich” zum Crash führt, obwohl “vorher alles super geklappt hat”.

Resilienz = Selbstbewusstsein + mitochondriale Reserve

In der KetoBrain Studie haben wir 12 Patienten mit schwerer bipolarer Störung darin begleitet eine 12-wöchige ketogene Ernährung durchzuführen. Dies hatte zum Ziel ihre mitochondriale Resilienz zu verbessern und die energetische Versorgung des Gehirns zu verbessern. Bei 7 von 12 Patienten zeigte sich eine sehr deutliche Verbesserung mit Absetzen der Medikamente und dem Erreichen eines vollen Funktionsniveaus ohne Krankheitssymptome. Fast alle Patienten berichteten von ihrer Erfahrung so, dass die Probleme in ihrem Leben immer noch da wären, dass diese Probleme für sie aber keine Probleme mehr seien. Das ist der Effekt von erhöhter (mitochondrialer) Resilienz in der Praxis.

Das Krankheitssyndrom

Die Symptome des (chronifizierten) Stress bei erschöpfter mitochondrialer Reserve nennen sich “Sickness Behaviour” oder das allgemeine “Syndrome of being sick” (“Krankheitssyndrom”). Die Symptome werden von der Akutmedizin nur selten richtig zugeordnet, weil sich die Akutmedizin nicht (bzw. nur sehr wenig) mit Regenerationsprozessen und chronischem Stress auseinandersetzt. Die Symptome umfassen u.A. Müdigkeit, Konzentrationsstörungen, Gehirnnebel, Depression, Stimmungsschwankungen, Verdauungsstörungen und Schlafstörungen.

Zusammengefasst: Unterbewusste Gefahrenwahrnehmung aktiviert die Stressachse und führt zu physiologischen Reaktionen, die dazu da sind, Energie zu mobilisieren, um den Körper aus der Gefahrenlage zu entfernen. Die Resilienz entscheidet darüber, ob der Mensch in der Lage ist, auf die Gefahrenlage adaptiv zu reagieren oder ob er maladaptiv im Stress verweilt, so dass er chronifiziert. Bei Erschöpfen der mitochondrialen Reserve wird der (chronische) Stress symptomatisch und führt zu Krankheit.

In den folgenden Kapiteln lernst du nun im Detail wie die unterschiedlichen Ebenen der Wahrnehmung funktionieren, wie wir in Gefahr/Sicherheit klassifizieren, wie man Stress messen kann, wie wir emotional und kognitiv regulieren können, was die körperlichen Konsequenzen von Stress sind, wie Stress chronifiziert und vor allen Dingen: Wie man Selbstbewusstsein vertieft um weniger Stress zu erleben und wie man von chronifiziertem Stress regenerieren kann.

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Im nächsten Ausbildungskapitel würdest du nun ins Unterbewusstsein eintauchen.

Im Rahmen der Vorschau springen wir weiter ins Modul 7, wo du die regenerationsmedizinische Perspektive auf Trauma kennenlernst.