Cholesterin richtig interpretieren: Die komplette Wissenschaft

Cholesterin zwischen Mythen, Daten und Wissenschaft

Kaum ein Biomarker wurde in der Medizin intensiver diskutiert als Cholesterin – insbesondere das sogenannte „schlechte“ LDL-Cholesterin. Jahrzehntelang galt es als Hauptschuldiger für Herzinfarkte und Schlaganfälle. Gleichzeitig entstanden immer wieder Gegenbewegungen, die das LDL als unschuldigen Boten oder gar als überbewerteten Sündenbock darstellten. Zwischen dogmatischer Warnung und alternativen Theorien ist für viele Menschen – selbst Fachpersonen – unklar geblieben, welche wissenschaftlichen Argumente wirklich tragfähig sind, was belegt und was vermutet ist.

In diesem Artikel gehen wir dieser Frage mit maximaler Tiefenschärfe nach: Was sagen historische Meilensteine, moderne Studien, genetische Analysen, Tiermodelle und mechanistische Konzepte wirklich aus? Welche konkurrierenden Erklärungsmodelle (z. B. Entzündung, Infektion, metabolische Dysfunktion, Lipid-Energie-Modell) wurden entwickelt – und wie schlagen sie sich im direkten Vergleich zur Lipid-Hypothese?

Der vereinfachte Lipoproteinstoffwechsel. Das Low Density Lipoprotein (LDL) transportiert Cholesterin von der Leber in die Gewebe, und das High Density Lipoprotein (HDL) transportiert Cholesterin von den Geweben zurück zur Leber. Die Lipidhypothese besagt, dass ein erhöhtes LDL zu Arteriosklerosen führt.

Ziel ist es, den aktuellen wissenschaftlichen Konsens ebenso wie die bestehenden Kontroversen transparent darzustellen – mit besonderem Fokus auf LDL und ApoB bei jungen, gesunden Menschen. Denn gerade in dieser Gruppe, in der viele klinische Risikorechner noch „Entwarnung“ geben, zeigen neue Daten: Auch „nur“ Cholesterin kann Risiko bedeuten – wenn man die volle Wissenschaft kennt. Gleichzeitig gibt es auch besondere Kontexte und Konstellationen in denen auch bei hohem Cholesterin das kardiovaskuläre Risiko sehr gering sein kann. Nach diesem Artikel wirst du die volle Wissenschaft kennen und Cholesterinwerte professionell interpretieren können.

LDL-Cholesterin, ApoB und kardiovaskuläres Risiko: Ursprung, Evidenz und Debatte

Low-Density-Lipoprotein-Cholesterin (LDL-Cholesterin) und Apolipoprotein B (ApoB) stehen seit Langem im Zentrum der sogenannten „Lipid-Hypothese“ der Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Diese Hypothese besagt, dass erhöhtes Blut-Cholesterin – insbesondere transportiert in ApoB-haltigen Lipoproteinen wie LDL – die Atherosklerose und kardiovaskuläre Erkrankungen (CVD) antreibt.

Über Jahrzehnte hinweg hat sich eine umfangreiche Sammlung experimenteller, epidemiologischer und klinischer Evidenz herausgebildet, die hohe LDL-/ApoB-Werte mit einem erhöhten Risiko für Herzinfarkt und Schlaganfall in Verbindung bringt.

Dennoch ist immer wieder eine Debatte darüber aufgeflammt, ob LDL tatsächlich eine kausale treibende Kraft sei oder lediglich ein Marker, insbesondere bei ansonsten gesunden Personen. Konkurrenztheorien betonen arterielle Entzündung, metabolische Dysfunktion oder sogar Infektionen als alternative Hauptursachen der Atherosklerose.

In diesem Bericht untersuchen wir die historische Entwicklung der Lipid-Hypothese, zentrale Experimente, die LDL und ApoB als Risikofaktoren etablierten, und vergleichen diese Erkenntnisse mit alternativen Hypothesen. Unser Fokus liegt auf der Evidenz bei gesunden Personen ohne beeinflussende Begleiterkrankungen wie Diabetes oder Fettleibigkeit.

Wir überprüfen auch kritisch prominente Gegenargumente zur Lipid-Hypothese – einschließlich Argumentationen anerkannter Experten, die weiterhin skeptisch bleiben – und bewerten die Stärke der Evidenz für und gegen LDL/ApoB als unabhängige Treiber der Atherosklerose.

Ziel ist es, Konsensbereiche, bestehende Kontroversen und den aktuellen wissenschaftlichen Stand darüber aufzuzeigen, wie LDL und ApoB mit dem kardiovaskulären Risiko zusammenhängen.

Daten aus der Nurses Health Study zeigen wie man (zumindest bei Frauen) Cholesterinwerte in Relation zu anderen Risikofaktoren einordnen kann.

Historische Meilensteine: Von Cholesterinplaques zur Lipid-Hypothese

Die Verbindung zwischen Blutfetten und Herzkrankheiten entwickelte sich über mehr als ein Jahrhundert Forschung. Wichtige experimentelle Meilensteine umfassen:

1850er Jahre (Frühe Pathologie):

Der Pathologe Rudolf Virchow beobachtete, dass verhärtete arterielle Plaques (Atherome) Cholesterinablagerungen und Anzeichen von Entzündung enthielten.
Er beschrieb Atherosklerose als „Endoarteriitis deformans“ und betonte die entzündlichen Veränderungen in den Arterienwänden, die mit der Fetteinlagerung einhergehen.
Dies legte den frühen Grundstein für die Vorstellung, dass arterielle Erkrankung sowohl Cholesterin als auch Entzündung involviert.

1913 (Tierversuch):

Der russische Wissenschaftler Nikolai Anitschkow fütterte Kaninchen mit cholesterinreicher Nahrung und konnte menschlich-ähnliche atherosklerotische Läsionen in deren Arterien hervorrufen.
Die Tiere entwickelten fettige Ablagerungen und Schaumzellen in den Arterien – der erste experimentelle Beweis dafür, dass hohes Blut-Cholesterin Atherosklerose verursachen kann.
Anitschkow schloss daraus, dass Hypercholesterinämie ausreicht, um Plaques zu erzeugen – ein Durchbruch, der oft als Geburtsstunde der Cholesterinhypothese zitiert wird.

1930er Jahre (Familiäre Hypercholesterinämie entdeckt):

Carl Müller beschrieb 1938–1939 klinische Fälle, in denen extrem hohe Cholesterinwerte in bestimmten Familien zu frühen Herzinfarkten führten.
Er beschrieb die familiäre Hypercholesterinämie (FH) – eine vererbte Störung, die zu sehr hohem LDL, Sehnenxanthomen und früher Koronarerkrankung führt.
Dies legte eine kausale Kette nahe: lebenslang erhöhtes Cholesterin (bei sonst gesunden Personen) führt zu frühzeitiger kardiovaskulärer Erkrankung.
Müller empfahl bereits damals cholesterinarme Diäten – eine frühe Form der „Diät-Herz-Hypothese“.

1940er–50er Jahre (Lipoproteine & Epidemiologie):

Der Biophysiker John Gofman nutzte 1949 Ultrazentrifugation, um Lipoproteine im Blut zu trennen. Er identifizierte die LDL-Fraktion und stellte ihre Assoziation mit Koronarrisiko fest.
Zeitgleich starteten große epidemiologische Studien. Die Framingham Heart Study (Beginn 1948) fand bald heraus, dass höhere Cholesterinwerte zukünftige Koronarerkrankungen vorhersagen.
1957 berichtete das Framingham-Team von einer proportionalen Beziehung zwischen Serumcholesterin und Koronarrisiko.

Die berühmte „Seven Countries Study“ von Ancel Keys (ab Mitte der 1950er) zeigte, dass Bevölkerungen mit höherem durchschnittlichem Cholesterin (z. B. bei hohem Anteil gesättigter Fette) mehr Herzinfarkte hatten, während Länder mit niedrigem Cholesterin (z. B. Japan, Mittelmeerregionen) weniger Herzerkrankungen aufwiesen.
Diese internationale Korrelation unterstützte die These, dass Cholesterin das Risiko für koronare Herzkrankheiten weltweit beeinflusst.

1960er–70er Jahre (Interventionsstudien & Lipid-Hypothese):

Mit zunehmender epidemiologischer Evidenz testeten erste Interventionsstudien, ob Cholesterinsenkung CVD verhindert.

  • Oslo Diet-Heart Study (1966) und
  • LA Veterans Trial (1969)

zeigten, dass das Ersetzen gesättigter durch mehrfach ungesättigte Fette den Cholesterinspiegel moderat senkt und kardiale Ereignisse reduziert.

Die erste große Arzneimittelstudie, die Lipid Research Clinics Coronary Primary Prevention Trial (LRC-CPPT, 1973–1984), behandelte Männer mit hohem Cholesterin mit einem Gallensäurebinder.
Ergebnis: ~13 % Cholesterinsenkung, verbunden mit ~19 % Rückgang von Herzinfarkten im Vergleich zu Placebo.

Dies war der klinische Machbarkeitsnachweis, dass Cholesterinsenkung zu weniger Herzereignissen führt.

1974 entdeckten Michael Brown und Joseph Goldstein den LDL-Rezeptor in Leberzellen. Sie fanden heraus, dass FH-Patienten defekte LDL-Rezeptoren haben, was zur Anreicherung von LDL im Blut und in den Arterien führt.
Diese Entdeckung erklärte die genetischen FH-Fälle von Müller und brachte den beiden Forschern den Nobelpreis ein.

1980er–90er Jahre (Statine und kausaler Beweis):

Die Entwicklung von Statinen Ende der 1970er (erste Tests durch Akira Endo) und ihre Zulassung durch die FDA 1987 revolutionierten die Lipidtherapie.
Groß angelegte Statin-Studien in den 1990er Jahren bestätigten die Lipid-Hypothese entschieden.

Die Scandinavian Simvastatin Survival Study (4S, 1994) zeigte, dass eine LDL-Senkung um ~35 % mit Simvastatin zu weniger Herzinfarkten und geringerer Gesamtmortalität führte.

Weitere Studien (z. B. WOSCOPS 1995, CARE 1996, LIPID 1998) zeigten konsistent, dass eine LDL-Senkung zu proportionalen Rückgängen kardiovaskulärer Ereignisse führte – bei Hochrisiko- wie auch Primärpräventions-Patienten.

2002 quantifizierte eine Meta-Analyse der Cholesterol Treatment Trialists (170.000 Patienten):

Jede Senkung von LDL um 1 mmol/L (~39 mg/dL) reduziert das Risiko für vaskuläre Großereignisse um ~20 %,
ohne erkennbare Untergrenze – also: je niedriger, desto besser.

Kurz gesagt: Die Statin-Ära lieferte experimentell kontrollierte Beweise, dass erhöhtes LDL nicht nur korreliert, sondern kausal zur Atherosklerose beiträgt, da aktives Senken von LDL konsistent Herzereignisse verhindert.

2000er–2010er Jahre (Moderne Erkenntnisse & Leitlinien):

Aufbauend auf früheren Arbeiten verfeinerten Forscher das Verständnis, wie LDL Atherosklerose verursacht und welche Rolle Entzündung spielt.

1995 wurde das „Response-to-Retention“-Modell vorgeschlagen, das Jahrzehnte vaskulärbiologischer Erkenntnisse integriert:

  • ApoB-haltige Lipoproteine (z. B. LDL) dringen in das Endothel ein,
  • binden dort an Proteoglykane in der Intima,
  • und werden in der Arterienwand „zurückgehalten“.

Dort erfahren sie Modifikationen (z. B. Oxidation), die chronische Entzündungen auslösen – Immunzellen wandern ein, fettige Plaques entstehen.

Dieses Modell verband die Lipid-Hypothese mit dem entzündlichen Charakter der Atherosklerose.

Ab den 2010er Jahren erklärten internationale Fachgremien (z. B. European Atherosclerosis Society 2017), dass die Evidenz „zweifelsfrei“ die Kriterien für Kausalität erfüllt:

Langfristige LDL-Exposition verursacht atherosklerotische Herz-Kreislauf-Erkrankung.

Neue Therapien wie PCSK9-Inhibitoren (monoklonale Antikörper, die LDL dramatisch senken) bestätigten das Konzept „je niedriger, desto besser“ zusätzlich:

Die FOURIER-Studie (2017) zeigte, dass Ereignisraten weiter sanken, wenn LDL auf sehr niedrige Werte (~30 mg/dL) reduziert wurde – zusätzlich zu Statinen.

Die Lipidhypothese ist die aktuell verbreitetste Hypothese zur Entstehung koronarer Herzerkrankungen.

Experimentelle Evidenz zur Verbindung von LDL/ApoB mit Atherosklerose

Bevölkerungs- und klinische Evidenz:

Mehrere Forschungsansätze haben gezeigt, dass höhere LDL- und ApoB-Werte mit einem erhöhten kardiovaskulären Risiko selbst bei ansonsten gesunden Menschen verbunden sind.
Klassische populationsbasierte Studien wie die Framingham-Studie fanden einen klaren Zusammenhang: Personen mit höherem Gesamtcholesterin erlitten im Laufe der Zeit mehr Herzinfarkte.

Spätere Analysen identifizierten LDL-Cholesterin als die schädlichste Fraktion, während hohes HDL einen schützenden Effekt hatte.

Daten der grössten epidemiologischen Untersuchung, die jemals durchgeführt wurde (Framingham Herz Studie), zeigen, dass erhöhtes LDL ein wichtiger Risikofaktor ist, jedoch primär nur dann, wenn auch gleichzeitig das HDL niedrig ist.

Auch internationale Vergleichsstudien (z. B. die Seven Countries Study) zeigten, dass Gesellschaften mit höherem durchschnittlichem Cholesterinspiegel (oft durch fettreiche tierische Ernährung) deutlich häufiger an koronarer Herzkrankheit litten.

Entscheidend ist: Diese Korrelationen bestehen auch nach Kontrolle anderer Risikofaktoren (wie Alter, Blutdruck, Rauchen usw.) weiter, was zeigt, dass LDL ein unabhängiger Risikofaktor ist.

Prospektive Kohortenstudien bestätigten zudem eine dosisabhängige Beziehung:

Das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen steigt ungefähr linear mit LDL- oder Non-HDL-Cholesterin
es gibt keine erkennbare Schwelle, unterhalb derer das Risiko nicht weiter abnimmt.

Insgesamt zeigen über 200 prospektive Studien mit Millionen von Personenjahren eine konsistente Verbindung zwischen ApoB-haltigen Lipoproteinen und atherosklerotischen Ereignissen.

Besonders aussagekräftig ist erhöhtes ApoB, da es die Anzahl der LDL- und Restpartikel im Blut widerspiegelt und ein starker Prädiktor für Risiko ist.

Auffällig ist: Auch bei jungen und scheinbar gesunden Personen korrelieren höhere ApoB-Werte mit frühen arteriellen Veränderungen.
Autopsiestudien an Unfallopfern im Teenager- oder jungen Erwachsenenalter (z. B. die PDAY-Studie) zeigten, dass Personen mit höherem Non-HDL-Cholesterin deutlich mehr Fettstreifen in Koronar- und Aortenwänden aufwiesen.
Das impliziert, dass Gefäßschäden bereits in jungen Jahren beginnenin direkter Abhängigkeit von der ApoB-Exposition.

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Genetische Evidenz („Experimente der Natur“):

Einige der überzeugendsten Belege stammen aus genetischen Erkrankungen und Studien.

Die familiäre Hypercholesterinämie (FH) – verursacht durch Mutationen im LDL-Rezeptor- oder ApoB-Gen – führt zu lebenslang zwei- bis vierfach erhöhtem LDL.

Personen mit heterozygoter FH (LDL meist > 200 mg/dL seit der Kindheit) haben ein etwa 10- bis 20-fach höheres Risiko für frühzeitige Koronarerkrankungen, wenn unbehandelt.

Viele FH-Patienten – obwohl sonst gesund (fit, nicht-diabetisch, Nichtraucher) – erleiden Herzinfarkte bereits in ihren 30ern, 40ern oder 50ern, verursacht durch beschleunigte Plaquebildung.

In der extremsten Form, der homozygoten FH, entwickeln Kinder bereits im Kindesalter arterielle Plaques und sterben oft vor dem 30. Lebensjahr an Herzkrankheiten, wenn keine aggressive Therapie erfolgt.

Diese dramatischen Verläufe verdeutlichen, dass hohes LDL allein ausreicht, um Atherosklerose zu verursachen – selbst ohne andere Risikofaktoren.

Umgekehrt liefern seltene genetische Varianten, die LDL senken, einen umgekehrten Beweis:

Beispiel: Menschen mit Loss-of-function-Mutationen im PCSK9-Gen haben von Geburt an signifikant weniger LDL und sind außergewöhnlich gut vor Herzkrankheiten geschützt.

Eine bahnbrechende Analyse zeigte, dass eine lebenslange LDL-Reduktion um ~15–28 % durch PCSK9-Mutation mit einer 88 % geringeren Rate koronarer Ereignisse verbunden war.

Ebenso haben Personen mit genetischen Varianten in ApoB oder dem LDL-Rezeptor, die LDL senken, proportional geringere CVD-Raten.

Solche Mendel’schen Randomisierungsstudien unterstützen eine kausale, kumulative Expositionsbeziehung:

Wer genetisch niedriges LDL „zugeteilt“ bekommt, hat weniger Herzinfarkte als erwartet –
wer genetisch hohes LDL trägt (z. B. durch FH-Mutation), hat mehr.

Im Gegensatz zu durch Lebensstil verzerrten Beobachtungsstudien stärken diese genetischen Analysen die kausale Schlussfolgerung, da das „Experiment“ einer LDL-Veränderung bereits bei der Empfängnis erfolgt – unabhängig vom Lebensstil.

Tiermodelle und mechanistische Studien:

Kontrollierte Tierversuche ermöglichen es Forschern, den isolierten Effekt von LDL zu untersuchen.
Jahrzehntelange Forschung an verschiedenen Spezies hat gezeigt, dass das Erhöhen von ApoB-haltigen Lipoproteinen zur Bildung arterieller Plaques führt, während deren Senkung oder Entfernung die Plaquebildung verhindert.

Neben den klassischen cholesterinreich ernährten Kaninchen von Anitschkow zeigten sich ähnliche Ergebnisse auch in anderen Tiermodellen: Ratten, Hühner und nicht-menschliche Primaten, die mit fettreichen und cholesterinreichen Diäten gefüttert wurden, entwickelten atherosklerotische Läsionen, die menschlichen Plaques ähneln.

Im Gegensatz dazu sind Tiere wie Hunde oder Ratten, die natürlicherweise gegen diätbedingte Cholesterinerhöhungen resistent sind, weniger anfällig für Atherosklerose – es sei denn, sie werden genetisch verändert.

Moderne transgene Modelle liefern noch klarere Beweise:
Mäuse haben von Natur aus niedriges LDL und entwickeln keine atheroskleroseähnlichen Läsionen.
Doch Forscher haben Mauslinien mit menschlich ähnlichem Lipidprofil erzeugt (z. B. ApoE-Knockout- oder LDLR-Knockout-Mäuse), bei denen sehr hohe LDL-/ApoB-Werte auftreten.
Diese Mäuse entwickeln spontan arterielle Plaques und sogar Herzinfarkte im Alter, insbesondere bei fettreicher Ernährung.

Wichtig ist: Maßnahmen zur LDL-Senkung (z. B. Gentherapie oder cholesterinsenkende Medikamente) reduzieren oder lassen die Läsionen deutlich zurückgehen – ganz wie in menschlichen klinischen Studien.

In einem besonders eindrucksvollen mechanistischen Experiment wurden Mäuse genetisch so verändert, dass sie ein mutiertes ApoB tragen, das nicht mehr an arterielle Proteoglykane binden kann – somit kann LDL nicht mehr in der Gefäßwand „haften“ bleiben.
Trotz hoher Cholesterinwerte im Blut hatten diese Mäuse deutlich weniger Atherosklerose.

Eine einzige Punktmutation im ApoB, die seine „Klebrigkeit“ gegenüber der Gefäßwand verringerte, reichte aus, um die Plaquebildung zu hemmen.

Dies ist ein eleganter In-vivo-Beweis für das „response-to-retention“-Konzept:

Es ist nicht nur das zirkulierende LDL an sich, sondern dessen Festsetzung in der Intima der Arterie, das die Atherogenese auslöst.

Insgesamt haben Tier- und Laborstudien die kausale Kette beleuchtet:

  • ApoB-haltige Lipoproteine durchdringen das Endothel,
  • werden in der Intima festgehalten und modifiziert,
  • und lösen eine Entzündungskaskade aus, die zu Schaumzellen und schließlich zu Plaques führt.

Ohne diesen Lipid-Trigger kommt der gesamte Prozess zum Erliegen
wie es der Forscher Chris Packard treffend formulierte:

„Ohne LDL bekommt man keine Atherosklerose“

Mechanistisches Modell der LDL-getriebenen Atherogenese:

Zurückgehaltene ApoB-Lipoproteine initiieren die Plaquebildung.

Diese schematische Darstellung zeigt, wie ApoB-haltige Partikel (gelbe Kreise) in die Arterienwand eindringen und an extrazelluläre Matrix-Proteoglykane binden.
Das zurückgehaltene LDL wird dann modifiziert (z. B. oxidiert, aggregiert), woraufhin Endothelzellen Adhäsionsmoleküle (VCAM-1, ICAM-1) und Chemokine (MCP-1) exprimieren.

Zirkulierende Monozyten haften daran, wandern in die Intima ein – angelockt durch diese Signale.

Dort nehmen sie das modifizierte LDL über Scavenger-Rezeptoren auf, verwandeln sich in schaumige Cholesterin-beladene Zellen (Schaumzellen), die sogenannte Fettstreifen bilden.

Diese Schaumzellen und andere rekrutierte Immunzellen sezernieren entzündliche Zytokine und reaktive Sauerstoffspezies, wodurch ein Teufelskreis aus LDL-Modifikation und Immunzell-Rekrutierung in Gang gesetzt wird.

Im Lauf der Zeit wächst daraus ein fortgeschrittener atherosklerotischer Plaque.

Dieser Prozess zeigt, wie ein Übermaß an ApoB-Lipoproteinen eine chronische Entzündung in der Arterie auslöst – und damit die Lipid-Hypothese mit der Entzündungshypothese der Atherosklerose verbindet.

Klinische Studien – Kausalität nachgewiesen:

Während Assoziationen und mechanistische Zusammenhänge auf einen ursächlichen Zusammenhang hindeuten, gelten randomisierte klinische Studien (RCTs) als Goldstandard, um Kausalität in der Medizin zu beweisen.

Die Lipid-Hypothese stellte die Prognose auf, dass das aktive Senken von LDL-/ApoB-Werten zu einer Reduktion kardiovaskulärer Ereignisse führen würde.
Diese Prognose hat sich in vielen Studien eindeutig bestätigt.

Frühere Studien:

Erste Ernährungs- und Medikamentenstudien in der Mitte des 20. Jahrhunderts zeigten gemischte, aber überwiegend unterstützende Ergebnisse:
Moderate Cholesterinsenkungen führten zu moderatem Nutzen.

Der Durchbruch:

Der eigentliche Durchbruch gelang mit wirksamen LDL-senkenden Statinen:
Studien wie 4S, WOSCOPS, CARE und HPS in den 1990er Jahren zeigten konstant eine Reduktion von Herzinfarkten und Schlaganfällen um etwa 25–40 % in den Gruppen, die eine LDL-Senkung erhielten, im Vergleich zu Placebo.

Der Umfang der Risikoreduktion in jeder Studie korrelierte eng mit dem Ausmaß der LDL-Senkung, was eine Dosis-Wirkungs-Beziehung bestätigte.

Metaanalyse CTT (2010):

Eine umfassende Metaanalyse der Cholesterol Treatment Trialists (CTT) von über 20 Studien fand dasselbe Muster:
Im Schnitt ergab eine Senkung des LDL um 1 mmol/L (~39 mg/dL) eine Reduktion von schweren vaskulären Ereignissen um 22 %, unabhängig davon, ob diese Senkung durch Ernährung, Statine oder andere Maßnahmen erreicht wurde.

Intensive LDL-Senkung – größerer Effekt:

Teilnehmer, die die stärksten LDL-Senkungen erreichten – z. B. durch hochdosierte Statintherapie oder Kombination mit Ezetimib – hatten auch die größten Risikoreduktionen.
Selbst Studien, bei denen das LDL auf sehr niedrige Werte gesenkt wurde (deutlich unter bisherige „Normalwerte“), zeigten weiteren Nutzen.

Dies widerspricht der Vorstellung, dass LDL lediglich ein unschädlicher Marker sei – stattdessen zeigt sich:

Eine Senkung verändert aktiv den Krankheitsverlauf.

Erweiterung durch moderne Therapien:

Moderne Studien mit nicht-statinbasierten Therapien – z. B. PCSK9-Inhibitorenbestätigten diese Erkenntnisse.
Die Behandlung mit PCSK9-Antikörpern, die das LDL zusätzlich zur Statintherapie halbieren können, führte im FOURIER Trial zu einer weiteren Reduktion kardiovaskulärer Ereignisse im Vergleich zu Placebo.

Dies unterstreicht, dass jede zusätzliche LDL-Senkung zu einer weiteren Risikosenkung führt.

ApoB vs. LDL-C: Verstehen der Risikomarker

LDL-Cholesterin (LDL-C) – also die Cholesterinmasse in LDL-Partikeln – ist der klassische Messwert für das sogenannte „schlechte“ Cholesterin.
Apolipoprotein B (ApoB) hingegen ist die Protein-Komponente, die auf jedem atherogenen Lipoproteinpartikel vorkommt – einschließlich LDL, VLDL-Remnants und Lipoprotein(a).

Was misst ApoB?

ApoB entspricht im Grunde einer Zählung der zirkulierenden Partikel, die Cholesterin in die Arterienwände einlagern können.
Bei vielen Menschen verlaufen LDL-C und ApoB parallelaber nicht immer.

Insbesondere bei metabolischen Störungen (z. B. Insulinresistenz) kann jemand einen normalen LDL-C-Wert, aber zu viele kleine, dichte LDL-Partikel haben.
Diese tragen weniger Cholesterin pro Partikel, besitzen aber jeweils ein ApoB.
In solchen Fällen spiegelt ApoB die atherogene Belastung besser wider.

ApoB ist oft der sensiblere Marker:

Zahlreiche Studien haben gezeigt, dass ApoB oft sensitiver und präziser als LDL-C ist, wenn es darum geht, das kardiovaskuläre Risiko zu erfassen – besonders wenn beide Werte voneinander abweichen.

Beispiel:

  • Bei erhöhten Triglyzeriden oder Insulinresistenz unterschätzt LDL-C das Risiko, da die LDL-Partikel cholesterinarm, aber zahlreich sind.
  • ApoB hingegen erfasst diese Partikelmenge und somit das tatsächliche Risiko besser.

Eine Metaanalyse globaler Studien kam zu dem Ergebnis, dass ApoB LDL-C (und sogar Non-HDL-Cholesterin) als Prädiktor für koronare Ereignisse übertrifft.
Einige Experten betrachten ApoB mittlerweile als den „idealen Biomarker“ zur Einschätzung des Atheroskleroserisikos in der klinischen Praxis.

Moderne Empfehlungen:

Entsprechend empfehlen aktuelle Leitlinien häufig, zusätzlich zu LDL-C entweder ApoB oder Non-HDL-Cholesterin (als Surrogat für alle ApoB-haltigen Partikel) zu bestimmen, um das Risiko besser zu erfassen.

Der mechanistische Hintergrund:

Alle ApoB-haltigen Lipoproteine sind atherogen.
Entscheidend ist die Anzahl der Partikel – denn je mehr Partikel, desto mehr Cholesterin kann in die Arterienwand eindringen.

Beispiel:

  • Zwei Menschen haben denselben LDL-C-Wert von 130 mg/dL.
  • Person A hat viele kleine LDL-Partikel → höheres Risiko.
  • Person B hat wenige große LDL-Partikel → niedrigeres Risiko.
  • ApoB erkennt diesen Unterschied – LDL-C nicht.

Fazit:

  • ApoB und LDL-C sind verwandte Marker desselben Prozesses.
  • Aber ApoB bietet ein direkteres Maß für die „Angreifer“ (Partikel), die die Arterien belasten.
  • Beide Marker sind stark evidenzbasiert, und das Senkung von beiden bringt klinischen Nutzen.
  • In gesunden Personen ohne metabolische Störung ist LDL-C oft ausreichend.
  • Bei Unsicherheit sollte ApoB zur genaueren Risikoeinschätzung hinzugezogen werden.

Spielt das Gesamtcholesterin eine Rolle?

Nein. Gesamtcholesterin ist kein unabhängiger Risikomarker

Gesamtcholesterin wurde über Jahrzehnte als zentraler Risikofaktor für Herz-Kreislauf-Erkrankungen angesehen. Doch aktuelle Daten stellen diese Annahme zunehmend infrage. Die „192 countries study“ (2011, The Lancet) zeigte, dass weltweit betrachtet kein linearer Zusammenhang zwischen Gesamtcholesterin und kardiovaskulärer Mortalität besteht. In vielen Ländern mit hohem durchschnittlichem Cholesterinspiegel lag die Herzinfarktrate sogar niedriger als in Ländern mit niedrigem Cholesterin. Auch WHO-Daten belegen, dass Gesamtcholesterin alleine wenig prädiktive Aussagekraft für individuelle Risiken hat – zu viele andere Faktoren wie Entzündung, Insulinresistenz, Lebensstil oder genetische Disposition modulieren das Risiko.

Entscheidend ist daher nicht das Gesamtcholesterin, sondern die Atherogenität der Lipoproteine. Heute liegt der Fokus auf LDL (Low-Density Lipoprotein) und insbesondere auf Apolipoprotein B (ApoB), das jedes potenziell atherogene Partikel repräsentiert. Ein erhöhtes ApoB korreliert deutlich stärker mit dem Risiko für Plaquebildung und kardiovaskuläre Ereignisse als Gesamtcholesterin – unabhängig davon, ob das Gesamtcholesterin hoch oder niedrig ist. Die moderne kardiovaskuläre Prävention berücksichtigt daher spezifische Lipidmarker und nicht mehr pauschale Cholesterinwerte.

Konkurrenztheorien zur Atherogenese: Über die Lipidhypothese hinaus

Atherosklerose ist eine komplexe, multifaktorielle Erkrankung.
Obwohl LDL/ApoB im konventionellen Modell eine zentrale Rolle spielt, haben Forscher über die Jahre zusätzliche oder alternative Mechanismen vorgeschlagen.

Drei besonders relevante „Konkurrenz-“ bzw. komplementäre Theorien sehen folgende Faktoren als primäre Treiber der Arterienerkrankung:

  1. Entzündung (Inflammation)
  2. Infektionen
  3. Metabolische Dysfunktion

Diese Modelle widersprechen der Lipidhypothese nicht zwingend, sondern versuchen, das komplexe Zusammenspiel mehrerer Ursachen für die Entstehung von Atherosklerose besser zu erklären.

Da die Lipidhypothese kardiovaskuläre Erkrankungen alleine nicht erklären kann, hat sich parallel die Inflammationshypothese entwickelt, die besagt, dass Entzündung mindestens mitbeteiligt, vielleicht sogar alleinig entscheidend für die Entstehung der Arteriosklerose ist.

Die Entzündungshypothese

Atherosklerose kann als ein chronischer Entzündungsprozess in der Gefäßwand verstanden werden.

Im Jahr 1999 argumentierte der renommierte Pathologe Russell Ross in einem bahnbrechenden Artikel, dass

„Atherosklerose eine entzündliche Erkrankung ist“.

Er betonte darin, dass Atherosklerose-Plaques reich an Immunzellen und entzündlichen Botenstoffen sind.

Kein Widerspruch zur Lipidhypothese – sondern eine Erweiterung:

Ross sah dies nicht als Widerspruch zur Lipidhypothese, sondern als Erweiterung:
Die Anwesenheit von LDL in der Arterienwand provoziert eine Entzündungsreaktion, die letztlich zu Gefäßschäden führt.

Bereits in den 1970er Jahren entwickelte Ross das sogenannte „Response-to-Injury“-Paradigma, das er in den 1990ern weiter verfeinerte.
Demnach führen Risikofaktoren wie LDL, Rauchen oder Bluthochdruck zu einer Verletzung des Endothels (der inneren Gefäßauskleidung),
was eine entzündliche Kaskade in Gang setzt, die Plaquebildung nach sich zieht.

Mit anderen Worten:

  • Entzündung ist sowohl eine Reaktion auf eingelagertes LDL,
  • als auch ein wichtiger Verstärker bei der Entstehung und dem Fortschreiten von Gefäßläsionen.

LDL und Entzündung sind eng miteinander verflochten:

Heute besteht weitgehender Konsens:

  • LDL-Retention löst Entzündung aus,
  • und Entzündung wiederum beschleunigt das Wachstum und die Instabilität von Plaques.

Radikalere Deutung: Entzündung als primäre Ursache?

Einige Vertreter der Entzündungshypothese gehen noch weiter:
Sie sehen chronische Entzündung – aus verschiedensten Quellen – als die eigentliche Wurzel der Atherosklerose,
während Lipide lediglich sekundäre Mitverursacher seien.

Sie stützen sich auf Beobachtungen wie:

  • Erhöhte CRP-Werte (C-reaktives Protein) sagen Herzinfarkte voraus – auch unabhängig vom Cholesterinspiegel.
  • Chronisch-entzündliche Erkrankungen wie rheumatoide Arthritis oder Lupus gehen mit hohem kardiovaskulärem Risiko einher – selbst bei normalen Cholesterinwerten.
    Dies zeigt, dass systemische Entzündung allein Atherosklerose fördern kann.

Klinischer Beweis: CANTOS-Studie (2017)

Der entscheidende Test der Entzündungshypothese war die CANTOS-Studie:

  • CANTOS untersuchte die Wirkung von Canakinumab – einem Interleukin-1β-Hemmer – bei Patienten mit überstandenem Herzinfarkt und restlicher Entzündung (erhöhtes CRP),
  • ohne den LDL-Spiegel zu verändern.

Ergebnisse:

  • Das Risiko für erneute kardiovaskuläre Ereignisse wurde signifikant gesenkt:
    • Hazard Ratio ~0,85 für die optimale Dosierung (d. h. ~15 % Risikoreduktion).
  • In absoluten Zahlen:
    • In der Placebo-Gruppe traten bei etwa 16 % ein Herzinfarkt/Schlaganfall auf,
    • in der behandelten Gruppe waren es nur 14 % – innerhalb weniger Jahre.

Das war ein proof-of-concept, dass alleinige Entzündungshemmung das Atheroskleroserisiko senken kann
ein klarer Beweis für die pathogenetische Rolle der Entzündung bei Herz-Kreislauf-Erkrankungen.

Wichtig:

Alle Teilnehmer an CANTOS erhielten bereits Standardtherapien zur LDL-Senkung
die zusätzliche Wirkung kam ausschließlich durch die Entzündungshemmung.

Weitere Studien mit niedrig dosiertem Colchicin (z. B. COLCOT, LoDoCo) kamen zu ähnlichen Ergebnissen:
Auch hier senkten entzündungshemmende Medikamente das Risiko kardiovaskulärer Ereignisse.

Wichtig: Entzündungs- und Lipidhypothese schließen sich nicht aus – sie wirken zusammen

Es ist entscheidend zu betonen, dass Entzündungs- und Lipidhypothese keine Gegensätze sind –
im Gegenteil: Sie ergänzen sich synergetisch.

Die heute vorherrschende Sichtweise ist:

  • LDL-Retention in der Arterienwand ist der Initialzünder, der „das Streichholz entzündet“,
  • Entzündung ist das Feuer, das den eigentlichen Schaden verursacht und fortschreiten lässt.

Ohne den „Funken“ in Form von ApoB-haltigen Lipoproteinen gäbe es kaum Entzündung in der Gefäßwand.
Wie der Lipidforscher Chris Packard es bildlich ausdrückte:

„LDL ist wie ein rostiger Nagel im Fuß – er verursacht die Entzündung. Ohne Nagel kein schmerzender Fuß.“

Andererseits:

  • Bei Menschen mit hoher systemischer Entzündung (z. B. durch viszerale Fettleibigkeit) kann ein bestimmter LDL-Spiegel mehr Schaden anrichten –
    wie ein Streichholz, das auf trockenes Laub (statt feuchte Blätter) fällt.

Fazit:

Moderne Forschung zielt daher auf beide Prozesse ab:

  • Aggressive LDL-/ApoB-Senkung, um den Reiz zu minimieren,
  • und gleichzeitige Entzündungshemmung, um die Reaktion abzumildern.

Die entzündungszentrierte Sichtweise hat die therapeutischen Ansätze erweitert
(z. B. zu Anti-Zytokin-Studien wie CANTOS),
sie ersetzt jedoch nicht die Lipidhypothese – sondern ergänzt sie.

Die Infektionshypothese

Eine provokante Theorie besagt, dass Infektionen (durch Bakterien oder Viren) der eigentliche Auslöser der Atherosklerose sein könnten.

Diese Hypothese gründet sich auf mehrere Beobachtungen:

  • In arteriellen Plaques wurden Spuren von Mikroorganismen entdeckt.
  • Zudem ist chronische Entzündung ein zentrales Merkmal der Atherosklerose – und Infektionen könnten diese auslösen.

Beispiel: Chlamydia pneumoniae

  • In den 1990er Jahren zeigten Studien, dass Patienten mit koronarer Herzkrankheit häufiger Antikörper gegen C. pneumoniae aufwiesen.
  • DNA dieses Erregers wurde in arteriosklerotischen Plaques nachgewiesen.
  • Tierexperimente (an Mäusen und Kaninchen) zeigten, dass Infektion mit C. pneumoniae die Plaquebildung beschleunigt.

Weitere infrage kommende Erreger:

  • Helicobacter pylori
  • Cytomegalovirus (CMV)
  • Parodontale Bakterien aus dem Mundraum

Diese Befunde führten zur sogenannten Infektionshypothese:

Vielleicht lösen chronische Infektionen eine andauernde Immunreaktion aus,
die wiederum die Atherosklerose antreibt.

Erste klinische Versuche:

Ende der 1990er Jahre wurden erste Antibiotikastudien durchgeführt – mit gemischten, aber teils vielversprechenden Ergebnissen.

Einige kleinere Studien deuten darauf hin, dass Makrolid-Antibiotika (die gegen C. pneumoniae wirken) bei Herzpatienten das Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse senken könnten.

Das führte zur Hoffnung, dass Atherosklerose durch Infektionsbehandlung beeinflusst werden könnte.

Um die Infektionshypothese rigoros zu testen, wurden in den 2000er-Jahren größere randomisierte Studien durchgeführt.

Die wichtigsten Studien – WIZARD, ACES, CLARICOR und andere – schlossen insgesamt über 20.000 Patienten mit bekannter Herzkrankheit ein, die über längere Zeit mit Antibiotika (meist Azithromycin oder ähnliche Substanzen) behandelt wurden.

Die Ergebnisse waren eindeutig negativ.

Keine der gut durchgeführten, ausreichend großen Studien zeigte eine signifikante langfristige Senkung kardiovaskulärer Ereignisse durch die Antibiotikatherapie.

Ein Beispiel:

  • In der ACES-Studie (4.012 Patienten, behandelt für 1 Jahr mit Azithromycin oder Placebo, Nachbeobachtungszeit ~4 Jahre)
    waren die Ereignisraten in beiden Gruppen nahezu identisch.

Auch Studien, die sich auf andere vermutete Erreger oder andere Gefäßgebiete (wie die peripheren Arterien) konzentrierten, zeigten keinen Nutzen.

Fazit eines Reviews aus 2005:

Diese Antibiotikastudien haben „klar gezeigt“, dass anti-infektiöse Behandlungen keine Verbesserung der kardiovaskulären Ergebnisse bringen,
und sprechen damit deutlich gegen Infektionen als Hauptursache der Atherosklerose.

Nach diesen Ergebnissen ließ das wissenschaftliche Interesse an der Infektionshypothese deutlich nach.

Die meisten Forscher interpretierten das Scheitern der Antibiotikatherapien als Hinweis darauf,
dass Infektionen nicht der primäre Treiber der Atherosklerose sind – zumindest nicht auf eine Weise, die durch die Behandlung eines einzelnen Erregers gemildert werden könnte.

Aktueller Konsens:

  • Infektionen können zur Atherosklerose beitragen –
    z. B. Parodontitis (Zahnfleischentzündungen) und andere chronische Infekte korrelieren mit erhöhtem CVD-Risiko,
    vermutlich über systemische Entzündungen.
  • Aber: Infektionen werden heute als „Risikomodulatoren“, nicht als notwendige Ursachen betrachtet.

In der Praxis:

  • Das Eliminieren von Mikroben konnte nicht zeigen, dass es Plaquebildung stoppt oder rückgängig macht.
  • LDL-Senkung hingegen zeigt deutlich positive Effekte.

Schlussfolgerung:

Die Infektionshypothese bleibt ein wissenschaftlich interessantes Randthema (z. B. ob bestimmte Virusinfektionen die Plaquestabilität beeinflussen),
aber sie gilt nicht mehr als tragfähige Hauptursache für Atherosklerose in der Allgemeinbevölkerung.

Modelle zur Stoffwechselstörung und Insulinresistenz

Eine weitere Perspektive sieht gestörten Stoffwechsel – insbesondere Insulinresistenz, Hyperglykämie und das metabolische Syndrom
als Hauptursache der atherosklerotischen Erkrankung.

Diese Sichtweise betont:

  • Menschen mit Typ-2-Diabetes oder metabolischem Syndrom haben ein sehr hohes kardiovaskuläres Risiko,
    oft nicht proportional zu ihren LDL-Werten.

Typisch ist bei diesen Menschen ein spezifisches Lipidprofil:

  • Hohe Triglyzeride
  • Niedriges HDL
  • Kleine, dichte LDL-Partikel
    (selbst wenn LDL-C nicht stark erhöht ist)

Argumentation der Befürworter:

Die zugrundeliegende metabolische Dysfunktion – verursacht durch:

  • Überkalorische Ernährung
  • Zucker und raffinierte Kohlenhydrate
  • Bewegungsmangel
    → führt zu:
  • Entzündungen
  • Endothel-Dysfunktion
  • qualitativen Veränderungen der Lipoproteine, die Atherosklerose fördern.

Beispiel: Hoher Blutzucker kann LDL-Partikel glykieren
→ macht sie anfälliger für oxidative Veränderungen
→ erhöht deren Aufnahme in die Gefäßwand.

Auch erhöhte Insulinspiegel und freie Fettsäuren bei insulinresistenten Personen
→ können das Endothel aktivieren und vaskuläre Entzündungen fördern.

Deshalb argumentieren Vertreter dieser Theorie:

  • Zucker und raffinierte Kohlenhydrate sind das „neue Cholesterin“.
  • Sie meinen, Zucker und verarbeitete Kohlenhydrate sind (über Hyperinsulinämie und Lipidstörungen)
    wichtigere Verursacher von Herzkrankheiten als Fett oder Cholesterin aus der Nahrung.

Historische Perspektive:

  • Bereits in den 1960er Jahren warnte John Yudkin vor Zucker als Treibstoff für koronare Herzkrankheiten (CHD).
  • In jüngerer Zeit befürworten einige Forscher und Ärzte die Low-Carb-Ernährung zur Förderung der Herzgesundheit,
    mit dem Argument, dass Insulinresistenzkontrolle entscheidend sei.
Die metabolische Perspektive hat sich primär aus den Beobachtungen entwickelt, dass 1) LDL Partikel sich in ihrer Grösse unterscheiden, 2) primär die kleinen dichten LDL Partikel das atherogene Risiko ausmachen, und dass 3) metabolische Veränderungen im Sinne der Insulinresistenz primär darüber entscheiden welche Partikelgrösse die LDL Partikel haben.

Die metabolische Sichtweise ergänzt die Lipidhypothese

Insulinresistenz verschlechtert oft das atherogene Lipidprofil – sie erhöht die Anzahl der ApoB-Partikel und verschiebt LDL in kleinere, leichter durch die Gefäßwand eindringende Formen. Gleichzeitig fördert sie vaskuläre Entzündungen.

Fazit:

Stoffwechselstörungen verstärken den durch LDL verursachten Schaden,
anstatt einen völlig unabhängigen Krankheitsmechanismus darzustellen.

Praktisch bedeutet das:
Eine stoffwechselgesunde Person mit einem bestimmten LDL-Wert hat möglicherweise ein niedrigeres Risiko
als eine Person mit dem gleichen LDL-Wert, die jedoch diabetisch oder adipös ist.
Denn bei Letzterer trifft das LDL auf ein entzündungsförderndes, gerinnungsförderndes Milieu – eine Doppelschädigung der Gefäße.

Zudem treten Risikofaktoren oft gemeinsam auf:

  • Bluthochdruck
  • abdominelle Adipositas
  • niedriges HDL
    → all dies begleitet häufig eine Insulinresistenz und potenziert das kardiovaskuläre Risiko.

Gegenseitiger Ausgleich durch Lebensstil:

Auf der anderen Seite kann ein gesunder Lebensstil (normales Gewicht, Bewegung, wenig raffinierte Kohlenhydrate und Transfette)
das Risiko erheblich senken, selbst wenn das LDL moderat erhöht ist.

Beispiel:
Neue Analysen von FH-Trägern (familiäre Hypercholesterinämie) deuten darauf hin,
dass jene, die einen sehr gesunden Lebensstil pflegen, den Beginn von Herz-Kreislauf-Erkrankungen verzögern können
im Vergleich zu FH-Trägern mit ungesundem Lebensstil.
→ Der Lebensstil eliminiert das hohe Risiko nicht,
aber er mildert es deutlich im Vergleich zu den Erwartungen.

Und dennoch: LDL/ApoB bleiben auch bei Stoffwechselgesunden Risikofaktoren

Selbst bei Menschen ohne Diabetes, ohne Übergewicht, ohne metabolisches Syndrom
→ bleiben LDL und ApoB signifikante Risikofaktoren.
Sie können sogar der dominante Risikofaktor in einem sonst unauffälligen Profil sein.

Beispiel:
Ein sportlicher, normotoner, nicht rauchender Mensch mit genetisch hohem LDL
(180–200 mg/dL) und keinerlei Stoffwechselstörung
→ hat trotzdem ein langfristig erhöhtes Atherosklerose-Risiko allein durch das LDL
wenn auch nicht so extrem hoch wie jemand mit zusätzlichen Risikofaktoren.

Langfristig – über viele Jahre hinweg – führt die kumulative Exposition gegenüber hohem LDL
zur Plaquebildung, selbst ohne weitere Insulte.

Die familiäre Hypercholesterinämie (FH) ist erneut aufschlussreich:

Viele FH-Patienten sind schlank und sonst gesund,
entwickeln aber trotzdem frühzeitig Herzkrankheiten, wenn ihr LDL nicht behandelt wird.

Ein weiteres Beispiel:
Auch in Gesellschaften mit geringer Fettleibigkeit und niedrigem Diabetesvorkommen
(z. B. Japan vor den 1980er-Jahren)
→ hatten jene Individuen, die zufällig höhere Cholesterinwerte hatten,
eine höhere Rate an Herzkrankheiten als ihre Mitmenschen mit niedrigerem Cholesterin.

Das zeigt: Der Effekt von LDL ist auch isoliert sichtbar, unabhängig von anderen metabolischen Risikofaktoren.

Daten aus der Nurses Health Study zeigen wie man (zumindest bei Frauen) Cholesterinwerte in Relation zu anderen Risikofaktoren einordnen kann.

Zusammenfassung: Die metabolische Perspektive im Kontext von LDL

Das metabolische Modell verdeutlicht, dass die Art und Weise, wie LDL Krankheiten verursacht, vom Kontext abhängt:
In einem entzündungsfördernden metabolischen Zustand werden die schädlichen Effekte von LDL verstärkt.

Gleichzeitig unterstreicht es, dass die Verbesserung der metabolischen Gesundheit
(durch Ernährung, Bewegung, Gewichtskontrolle)
eine wichtige Strategie zur Senkung des kardiovaskulären Risikos ist –
oft zusätzlich zur lipidsenkenden Therapie.

Dies widerspricht jedoch nicht der Rolle von LDL
sondern erklärt, warum manche Menschen mit „normalem“ LDL trotzdem Herzkrankheiten entwickeln
(ihre metabolischen Risikofaktoren stoßen sie „über den Rand“)
und warum andere mit hohem LDL lange symptomfrei bleiben
(weil ihre metabolisch-entzündliche Umgebung sonst günstig ist).

Der aktuelle wissenschaftliche Konsens integriert all diese Erkenntnisse:

Ideale Prävention bedeutet die gleichzeitige Kontrolle aller Risikofaktoren
LDL, Blutdruck, Blutzucker usw.,
denn Atherosklerose entsteht durch das Zusammenspiel lipidärer und nicht-lipidärer Faktoren.

LDL und ApoB bei gesunden Menschen: Warum sie trotzdem relevant sind

Ein Schwerpunkt dieser Analyse liegt auf Menschen ohne große Begleiterkrankungen
(kein Diabetes, keine Adipositas usw.):
Sind LDL und ApoB bei diesen Menschen dennoch bedeutsame Risikofaktoren?

Die evidenzbasierte Antwort lautet: Ja – und zwar in erheblichem Maße.

Auch wenn das absolute Risiko eines Herzinfarkts bei jungen, gesunden Menschen gering ist,
erhöht ein erhöhter LDL-Wert dieses Risiko im Zeitverlauf proportional,
selbst wenn alle anderen Parameter optimal sind.

Tatsächlich ist der Effekt von LDL kumulativ und lebenslang wirksam
das Konzept der „Cholesterin-Belastung“ oder „LDL-Jahre“
ist vergleichbar mit den „Packungsjahren“ beim Rauchen.

Beispiel:
Jemand mit moderat erhöhtem LDL über viele Jahrzehnte
kann am Ende den gleichen Plaque-Belag in den Arterien haben
wie jemand mit stark erhöhtem LDL über einen kürzeren Zeitraum.

Deshalb wird bei Patienten mit familiärer Hypercholesterinämie (FH)
eine frühe Intervention empfohlen:
→ Wenn sie mittleres Alter erreichen,
hat die langfristige Exposition bereits deutliche Schäden an den Arterien verursacht –
wenn unbehandelt.

Beispiel: Warum LDL auch bei gesunden jungen Menschen zählt

Betrachten wir einen ansonsten gesunden 30-jährigen Mann mit einem LDL-Wert von etwa 190 mg/dL (was den Kriterien für eine wahrscheinliche familiäre Hypercholesterinämie (FH) entspricht).
Sein 10-Jahres-Risiko für einen Herzinfarkt erscheint auf üblichen Risikorechnern möglicherweise nicht besonders hoch
weil er noch jung ist.

Aber bis zum Alter von 50 Jahren kann sich sein kumuliertes Risiko enorm erhöhen
viele Männer mit heterozygoter FH erleiden Herzinfarkte in ihren 40ern oder 50ern,
trotz fehlender anderer Risikofaktoren.

Auch Frauen mit FH sind betroffen –
sie erkranken durchschnittlich etwa ein Jahrzehnt später an Herzerkrankungen als Männer,
aber der gemeinsame Nenner ist:
langfristige hohe ApoB-Partikelexposition führt zu früh einsetzender Atherosklerose.

Wichtig:

Die Behandlung dieses isolierten Risikofaktors (LDL) verbessert die Prognose deutlich.

Studien zeigen:
Wenn FH-Patienten frühzeitig erkannt und mit einer wirksamen LDL-senkenden Therapie (z. B. Statine) behandelt werden,
erreichen ihre Lebenserwartung und Herzinfarktraten nahezu das Niveau der Allgemeinbevölkerung.

Das unterstreicht:
Auch für scheinbar „gesunde“ Menschen ist hohes LDL nicht harmlos
aber es ist ein modifizierbares Risiko, das behandelt klare Vorteile bringt.

Auch ohne FH: LDL korreliert mit späterer Atherosklerose

Selbst außerhalb der extremen Fälle wie FH zeigen große Kohortenstudien mit Personen ohne klassische Risikofaktoren,
dass Cholesterinwerte weiterhin mit späterer koronarer Herzkrankheit (CHD) korrelieren.

Beispiel:
Analysen von jungen Erwachsenen (in den 20ern–30ern) mit Langzeitverfolgung zeigen:

  • Wer in jungen Jahren höhere LDL- oder Non-HDL-Werte hatte,
  • hatte Jahrzehnte später häufiger koronare Verkalkungen (CAC) oder Plaques in der Halsschlagader,
    auch wenn sie Nichtraucher und normotensiv blieben.

ApoB-haltige Lipoproteine initiieren arterielle Plaques bei jedem Menschen
die einzige Frage ist, wie schnell.

→ Ohne zusätzliche „Beschleuniger“ (wie Rauchen, Entzündung, Bluthochdruck) kann der Prozess langsam verlaufen,
aber er findet trotzdem statt.

Ein gesunder Lebensstil kann das Risiko abmildern

Es gibt klare Hinweise darauf, dass ein „günstiger Lebensstil“
(z. B. gesunde Ernährung, regelmäßige Bewegung, Nichtrauchen)
das genetisch oder lipidbedingt erhöhte Risiko zumindest teilweise ausgleichen kann.

Ein Beispiel:
Eine JAMA-Studie von 2016 zeigte:
Unter Personen mit genetischem Hochrisikoprofil (einschließlich LDL-erhöhender Genvarianten)
hatten diejenigen mit ideal gesundem Lebensstil deutlich niedrigere tatsächliche Koronarereignisraten
als jene mit ungesundem Lebensstil
obwohl ihr Risiko immer noch höher war als bei genetisch niedrigem Risiko.

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Ein aktuelles Thema in der präventiven Kardiologie: „Metabolisch gesunde Hypercholesterinämie“

In der präventiv-kardiologischen Fachwelt wird derzeit intensiv über das Phänomen der „metabolisch gesunden Hypercholesterinämie“ diskutiert.
Dieses Bild zeigt sich bei bestimmten Diäten, insbesondere bei sehr kohlenhydratarmen ketogenen Ernährungsweisen:

  • Die Betroffenen sind schlank,
  • haben niedrige Insulinspiegel,
  • niedrige Entzündungsmarker,
  • entwickeln aber dennoch hohe LDL-Cholesterinwerte – teilweise sehr hohe.

Diese Personen werden mitunter als „Lean Mass Hyper-Responder“ bezeichnet.

Der LMHR Phänotyp zeichnet sich aus durch einen niedrigen BMI, niedrige Triglyzeride, hohes HDL, sowie niedrige LDL Werte unter normaler Ernährung, jedoch stark erhöhten LDL Werten unter kohlenhydratrestriktiven Ernährungen.

Die zentrale Frage:

Haben diese Menschen wirklich ein geringeres Atherosklerose-Risiko als eine durchschnittliche Person mit ähnlich hohem LDL?

Manche Hypothesen gehen davon aus, dass bei niedrigem Entzündungsstatus und hohem HDL-Spiegel das LDL möglicherweise weniger problematisch sei.

Doch der aktuelle Stand der Wissenschaft lautet:

Es gibt bisher keine belastbaren Belege, dass irgendjemand mit dauerhaft hohem LDL-Wert den arteriellen Auswirkungen langfristig entgeht.

Ein Bereich aktiver Forschung

Derzeit laufen Studien, die speziell bei solchen Personen die Koronarverkalkung und Plaquebildung untersuchen.
Bis aussagekräftige Daten vorliegen, gilt jedoch:

Die vernünftige und evidenzbasierte Herangehensweise besteht darin,
sehr hohe LDL-Werte grundsätzlich zu behandeln
unabhängig davon, wie „gesund“ die Person sonst wirkt.

Denn:
Die Biologie der LDL-Ablagerung macht keinen Unterschied, ob jemand metabolisch fit ist oder nicht.

Beispiele aus traditionellen Populationen

Zur Unterstützung dieser Vorsichtshaltung werden oft traditionelle Populationen wie:

  • die arktischen Inuit oder
  • die Massai-Krieger

zitiert, bei denen cholesterinreiche Ernährung historisch nicht mit hoher Herzkrankheitsrate einherging.

Doch bei genauerer Betrachtung zeigt sich:

  • Andere schützende Faktoren wie hohe körperliche Aktivität,
  • geringe Lebenserwartung,
  • hoher Omega-3-Konsum,
  • oder Infektionsbelastungen,
    spielten eine wichtige Rolle.

Und:
Wenn LDL extrem hoch war – insbesondere bei genetisch bedingten Ursachen –, dann kam es auch in diesen Populationen zu Atherosklerose.

Fazit: LDL/ApoB bleibt ein Warnsignal – auch bei gesunden Menschen

Für Personen ohne Begleiterkrankungen gilt dennoch:

Ein erhöhter LDL- oder ApoB-Wert ist ein Warnsignal
er zeigt an, dass sich in den Arterien Cholesterin ablagert.

Solche Personen bekommen vielleicht später einen Herzinfarkt als jemand mit mehreren Risikofaktoren,
aber der Prozess der Arterienverkalkung verläuft dennoch schleichend im Hintergrund.

Gesund bleiben hilft – aber reicht nicht allein

Natürlich:

  • Normalgewicht,
  • normale Blutzuckerwerte,
  • guter Blutdruck,
    tragen erheblich zur Risikominderung bei.

Aber:

Sie neutralisieren das LDL-Risiko nicht vollständig.

Daher empfehlen Leitlinien:

Selbst sehr gesunde Menschen mit LDL ≥ 190 mg/dL
sollten für eine Behandlung in Betracht gezogen werden,
weil das Risiko allein durch diesen LDL-Wert im Laufe der Jahre hoch genug ist, um ein Eingreifen zu rechtfertigen.

Kritik an der Lipid-Hypothese: Abweichende Meinungen und Gegenargumente

Trotz der starken Evidenz, die LDL mit Herzkrankheiten in Verbindung bringt, gibt es seit langem eine Minderheit von Ärzten und Forschern, die die Lipid-Hypothese in Frage stellen. Diese qualifizierten Kritiker argumentieren, dass die Rolle des Cholesterins bei kardiovaskulären Erkrankungen überbewertet oder falsch interpretiert worden sei. Es lohnt sich, ihre wichtigsten Argumente sowie die wissenschaftlichen Antworten darauf zu beleuchten:

„Hohes Cholesterin korreliert in bestimmten Gruppen nicht mit Herzkrankheit“

Skeptiker verweisen häufig auf Studien an älteren Bevölkerungsgruppen, in denen höhere Gesamtcholesterin- oder LDL-Werte kaum mit einer erhöhten Sterblichkeit in Verbindung stehen – oder sogar eine inverse Assoziation zeigen.
Beispielhaft wird eine umstrittene Übersichtsarbeit aus dem Jahr 2016 angeführt, in der 19 Studien mit Menschen über 60 Jahren analysiert wurden.
Das Ergebnis: 92 % der Personen mit hohem LDL lebten genauso lange oder länger als diejenigen mit niedrigem LDL.
Die Autoren – unter der Leitung von Dr. Uffe Ravnskov – stellten daraufhin die Frage, ob Leitlinien überdacht werden sollten, da hohes LDL bei Senioren harmlos oder sogar schützend erscheine.

→ Doch führende kardiovaskuläre Forschungsorganisationen kritisierten diese Analyse heftig:

  • Es wurde darauf hingewiesen, dass die Arbeit heterogene Studien zusammenwarf und unter „grobem Studiendesign“ sowie potenzieller Verzerrung litt.
  • Beispielsweise kann die Vermischung gesunder Überlebender (survivor bias) das Bild verzerren:
    Menschen, die mit hohem LDL bis 80 Jahre alt werden, sind möglicherweise genetisch oder lebensstilbedingt besonders robust.
    Viele andere mit hohem LDL sind möglicherweise vorher gestorben und wurden gar nicht erfasst.
  • Zudem senken Krankheit und Gebrechlichkeit oft den Cholesterinspiegel im Alter, sodass niedriges LDL im Alter ein Zeichen von schlechter Gesundheit sein kann – und nicht von Langlebigkeit.

Fazit:
Solche Beobachtungen bei älteren Subgruppen entkräften die kausale Gesamtbeziehung nicht, sondern zeigen lediglich, dass die prognostische Aussagekraft einzelner Risikofaktoren im sehr hohen Alter abnimmt, da andere Todesursachen dominieren.

Außerdem: Eine Korrelation mit Gesamtsterblichkeit ist nicht gleichzusetzen mit einer Korrelation mit Atherosklerose.
Ein Mensch kann z. B. mit 85 Jahren an Krebs oder einer Infektion sterben, bevor sein hoher Cholesterinspiegel je zu einem Herzinfarkt führt.
→ Das bedeutet jedoch nicht, dass hohes Cholesterin harmlos ist.

Wenn man sich auf kardiovaskuläre Sterblichkeit und jüngere Altersgruppen konzentriert, bleibt die positive Beziehung zwischen LDL und koronarer Herzkrankheit (CHD) bestehen.
Große Metaanalysen über alle Altersgruppen hinweg zeigen, dass das Risiko für CHD mit dem LDL-Spiegel bis mindestens etwa 75 Jahre ansteigt.
Darüber hinaus werden die Daten unklarer – aber es gibt keine zuverlässigen Hinweise darauf, dass hohes LDL im Alter schützend wirkt.

„Die Hälfte aller Herzinfarkte tritt bei Menschen mit ‚normalem‘ Cholesterin auf“

Dieses oft zitierte Argument soll andeuten, dass Cholesterin nicht die Hauptursache für Herzinfarkte sein kann, wenn viele Betroffene keinen erhöhten Cholesterinspiegel aufweisen.

→ Doch hier ist der Begriff „normal“ irreführend:
Viele dieser Patienten haben LDL-Werte im Bereich von 100–130 mg/dL, was bevölkerungsstatistisch als „normal“, aber nicht optimal gilt.

Angesichts der hohen Verbreitung mäßig erhöhter LDL-Werte ist es nicht überraschend, dass viele Herzereignisse bei Menschen im mittleren Cholesterinbereich auftreten.

Zudem spielen weitere Risikofaktoren wie Rauchen, Bluthochdruck usw. häufig eine Rolle.
→ Die gesamtgesellschaftliche Krankheitslast (population attributable risk) ist auf mehrere Faktoren verteilt – Cholesterin ist nur ein Teil davon.

Zentraler Punkt:
Das Risiko steigt kontinuierlich mit dem LDL-Spiegel
selbst jemand mit LDL 130 kann sein Risiko durch Senkung weiter reduzieren, wie Zahlen aus klinischen Studien belegen.

Die Beobachtung, dass auch Menschen ohne extrem hohe Cholesterinwerte Herzinfarkte erleiden, widerlegt also nicht die kausale Rolle von LDL.
Sie zeigt lediglich:

  • Atherosklerose hat viele Einflussfaktoren
  • Ein bestimmter LDL-Spiegel kann bei dem einen (mit weiteren Risiken oder längerer Exposition) schaden
  • und beim anderen (mit kurzer Lebenserwartung oder ohne zusätzliche Risikofaktoren) nicht zum Ereignis führen.

„Klinische Studien zeigen nur moderate Vorteile von Statinen – vielleicht ist die Cholesterinsenkung gar nicht der Grund“

Einige Kritiker weisen darauf hin, dass Statin-Studien relative Risikoreduktionen von etwa 20–30 % berichten – was in absoluten Zahlen (insbesondere bei der Primärprävention) nur wenige Prozentpunkte ausmacht.
Sie argumentieren, dass dieser bescheidene Effekt auf andere Wirkungen von Statinen (z. B. deren entzündungshemmende Eigenschaften) zurückzuführen sein könnte und nicht auf die LDL-Senkung.

Außerdem betonen sie, dass einige potente LDL-senkende Interventionen (wie CETP-Hemmer, die das HDL erhöhen und LDL moderat senken) keinen Nutzen gezeigt haben – was ihrer Meinung nach darauf hinweist, dass „es nicht am LDL liegt“.

Die Gegenargumente:

  1. Der Grund, warum die absoluten Vorteile von Statinen in manchen Studien gering ausfallen, liegt im niedrigen Ausgangsrisiko bei der Primärprävention.
    – Eine relative Risikoreduktion von 30 % bei einem 10-Jahres-Risiko von 10 % ergibt eben nur einen absoluten Nutzen von 3 %.
    – Bei Hochrisikopatienten hingegen sind die absoluten Vorteile deutlich größer:
    → Die 4S-Studie zeigte z. B. eine absolute Reduktion der Sterblichkeit um 9 %.
    Kontext ist entscheidend.
  2. Die Konsistenz über verschiedene LDL-senkende Therapien hinweg (Statine, Ezetimib, PCSK9-Hemmer), bei der das Ausmaß der LDL-Senkung mit dem Ausmaß der Risikoreduktion korreliert, spricht stark dafür, dass LDL der ursächliche Faktor ist.
    – Wenn der Nutzen von Statinen hauptsächlich auf anderen Effekten (z. B. entzündungshemmenden) beruhen würde,
    wäre nicht zu erwarten, dass auch nicht-statinartige LDL-Senker (wie PCSK9-Hemmer, diätetische Maßnahmen oder Gallensäurebinder) eine Risikoreduktion bewirken
    doch genau das tun sie, und zwar in Übereinstimmung mit der Höhe der LDL-Senkung.
  3. Studien, die keinen Nutzen zeigten, hatten oft methodische Probleme:
    – Manche CETP-Hemmer hatten toxische Nebeneffekte, die nicht mit der LDL-Senkung zusammenhingen.
    – Andere senkten LDL zwar, aber nicht ausreichend stark, um statistisch signifikante Effekte zu zeigen – oder sie wurden an Patienten mit bereits niedrigem LDL getestet.
    – Im Gegensatz dazu zeigten neuere CETP-Hemmer, die LDL deutlich senkten (z. B. Anacetrapib in der REVEAL-Studie), einen bescheidenen, aber signifikanten Nutzen, der im Verhältnis zur LDL-Senkung stand.

Fazit: Die Gesamtheit der Studiendaten, insbesondere mit modernen Wirkstoffen, bestätigt weiterhin die kausale Rolle von LDL, statt sie zu widerlegen.

„Cholesterin ist lebensnotwendig – eine künstliche Senkung auf zu niedrige Werte könnte gefährlich sein“

Cholesterin ist in der Tat essenziell für Zellmembranen, Hormonproduktion und andere Funktionen.
Einige Skeptiker äußern die Befürchtung, dass eine zu starke Senkung des LDL kognitive Störungen, Hormonungleichgewichte oder andere gesundheitliche Schäden verursachen könnte.

Doch bisherige Studien haben dies nicht bestätigt:

  • Menschen mit genetisch sehr niedrigem LDL (z. B. Träger von PCSK9-Verlustmutationen) sind in der Regel gesund.
  • In klinischen Studien, in denen LDL-Werte bis in den Bereich von 20 mg/dL gesenkt wurden (z. B. mit PCSK9-Hemmern),
    → wurden über mehrere Jahre keine neuen Sicherheitsprobleme festgestellt.

Evolutionsbiologisch haben Menschen von Natur aus sehr niedrige LDL-Werte:

  • Neugeborene, die gestillt werden, haben LDL-Werte von etwa 30–70 mg/dL.
  • In vormodernen Gesellschaften liegen LDL-Werte oft unter 100 mg/dL.

→ Das „natürliche“ LDL-Niveau des Menschen dürfte also viel niedriger sein als der heutige Durchschnitt in westlichen Gesellschaften.

Fazit:
Extreme Positionen – ob „Cholesterin ist Gift“ oder „Cholesterin ist völlig harmlos“ – mögen für Schlagzeilen sorgen,
aber die Datenlage zeigt klar:

  • Eine Senkung eines überhöhten LDL-Spiegels auf einen physiologisch moderaten Bereich
    → ist wirksam und sicher.
  • Cholesterin als Molekül ist zweifellos notwendig –
    → doch das Ziel der Therapie ist nicht, Cholesterin zu eliminieren,
    → sondern seine Trägerpartikel und deren Konzentration zu optimieren,
    damit sich in den Arterien keine Überladung und kein Schaden entwickeln.

„Statistische oder industrielle Voreingenommenheit und die ‚Cholesterin-Verschwörung‘“

Einige Kritiker behaupten, die Cholesterin-Hypothese sei von Interessen der Pharma- und Lebensmittelindustrie vorangetrieben worden, und gegenteilige Daten seien unterdrückt worden.

Oft wird auf historische Episoden verwiesen – zum Beispiel auf einen Artikel im Atlantic von 1989 („The Cholesterol Myth“), der einer angeblichen „Cholesterin-Mafia“ vorwarf, die Gefahren von Cholesterin übertrieben dargestellt zu haben.

Es ist zwar richtig, dass jede große Industrie – auch die der Statine – potenziell Interessen und Verzerrungen einbringen kann,

und es ist wichtig, wachsam zu bleiben, damit medizinische Leitlinien auf evidenzbasierter Grundlage beruhen.

Aber:

  • Die Hypothese selbst stammt aus der Zeit vor der Pharmaindustrie – sie geht zurück auf die Arbeiten von Anitschkow und Studien zu familiärer Hypercholesterinämie (FH).
  • Außerdem stammt nicht alle Evidenz, die die Lipid-Hypothese stützt, aus Medikamentenstudien:
    → Vielmehr konvergieren die Ergebnisse aus Epidemiologie, Genetik, Pathologie und klinischen Studien, was eine groß angelegte Verschwörung unwahrscheinlich macht.

Auch unabhängige akademische Gruppen und öffentliche Gesundheitsorganisationen

(z. B. WHO, NIH usw.)
haben bereits lange vor der Verfügbarkeit von Statinen Cholesterinsenkung durch Ernährung und Lebensstil befürwortet.

  • Heute werden zahlreiche Studien von Regierungen oder gemeinnützigen Organisationen finanziert
    → und sie zeigen weiterhin, dass die Senkung von ApoB einen Nutzen bringt.

Abweichende Interpretationen zitieren oft selektiv Daten,

z. B. indem sie sich auf Gesamtmortalität bei älteren Menschen konzentrieren oder Studien mit kurzer Nachbeobachtungszeit verwenden,
während sie die breitere Evidenzlage ignorieren.

Führende Forscher der kardiovaskulären Medizin haben viele dieser Argumente detailliert entkräftet.
Beispielsweise wurde das Argument, dass die „Sterblichkeitsvorteile einer Cholesterinsenkung viel geringer seien als angenommen“,
von Experten direkt eingeräumt – ja, Cholesterinsenkung ist kein Allheilmittel,
aber sie verhindert nachweislich kardiovaskuläre Ereignisse und rettet Leben, wenn sie angemessen eingesetzt wird.

Konsens der Fachwelt:

Auch wenn Cholesterin nicht der einzige Risikofaktor für Herzkrankheiten ist,
ist die wissenschaftliche Beweislage für seine kausale Rolle überwältigend.
Diese Tatsache zu leugnen kann Patienten gefährden,
indem bewährte Präventionsmaßnahmen in Zweifel gezogen werden.

Zusammenfassung

Die Kritikpunkte an der Lipid-Hypothese – seien es epidemiologische Korrelationen, Interpretationen klinischer Studien oder allgemeiner Skeptizismus
sind ausführlich untersucht worden.

Jedes Mal, wenn eine legitime Frage aufkam (z. B. „Was ist mit Entzündungen?“, „Was ist mit älteren Patienten?“, „Ist sehr niedriger Cholesterinspiegel gefährlich?“),
hat die wissenschaftliche Gemeinschaft diese Aspekte erforscht und in der Regel festgestellt, dass die zentrale Rolle von LDL weiterhin Bestand hat, wenn auch mit differenzierter Betrachtung.

Es gibt weiterhin Randpositionen und einige lautstarke Gegner,
aber ihre Argumente konnten sich angesichts widersprechender Beweise nicht durchsetzen.

Gleichwohl hatten diese Kontroversen auch einen positiven Effekt für die Wissenschaft:
Sie haben zu rigoroserer Forschung geführt (z. B. Mendelsche Randomisierungsstudien, Studien mit entzündungshemmenden Wirkstoffen),
die unser Verständnis von Atherosklerose entscheidend erweitert haben.

Die „Cholesterinkriege“ der Vergangenheit sind größtenteils einem wissenschaftlichen Konsens gewichen,
doch ein konstruktiver Dialog darüber, wie Lipidsenkung am besten in umfassende Strategien zur kardiovaskulären Prävention integriert werden kann,
wird weiterhin geführt – und das zu Recht.

Bewertung der Evidenz: Sind LDL und ApoB ursächlich oder nur korreliert?

Wenn man die verschiedenen Beweislinien zusammenführt, ist der Fall, dass LDL und ApoB kausale Treiber der Atherosklerose und nicht bloß harmlose Begleiterscheinungen sind, sehr überzeugend.

In der Epidemiologie erfüllt der Zusammenhang viele der Bradford-Hill-Kriterien für Kausalität:

  • Konsistenz: Der Zusammenhang wird in zahlreichen Studien und Populationen beobachtet.
  • Stärke: Besonders bei extrem hohen LDL-Werten wie bei familiärer Hypercholesterinämie (FH) ist der Risikozuwachs sehr groß.
  • Dosis-Wirkungs-Beziehung: Höheres LDL/ApoB bedeutet höheres Risiko, und eine Senkung bringt einen proportionalen Nutzen.
  • Temporaler Zusammenhang: Hohes LDL geht der Entwicklung von Plaques und Ereignissen voraus.
  • Biologische Plausibilität: Die Mechanismen sind auf zellulärer und tierexperimenteller Ebene gut nachgewiesen.

Darüber hinaus zeigen experimentelle Eingriffe in LDL-Spiegel Veränderungen der Krankheitsverläufe,

wie es die Hypothese vorhersagt – ein entscheidender Test, den reine Korrelation nicht bestehen kann.
→ Das wurde durch Medikamente, Lebensstiländerungen und genetische Polymorphismen beobachtet.

Die Gesamtheit der Daten veranlasste ein Konsensgremium im Jahr 2017 zu der Feststellung:

Konsistente Evidenz aus zahlreichen und unterschiedlichen Studienformen belegt eindeutig, dass LDL eine Ursache von ASCVD ist.“
(Nicht nur „assoziiert mit“, sondern verursacht es.)

Diese Schlussfolgerung wird von großen kardiovaskulären Fachgesellschaften weltweit geteilt.

Praktische Konsequenz:

LDL wird als kausaler Risikofaktor betrachtet – in ähnlicher Weise, wie Bluthochdruck als Ursache für Schlaganfall gilt.
LDL-Senkung bedeutet Schutz.

Gleichzeitig ist eine nuancierte Betrachtung notwendig, denn:

  • Atherosklerose hat mehrere kausale Faktoren.
  • LDL ist in vielen Fällen notwendig, aber nicht allein ausreichend.

Es gibt Situationen, in denen Menschen trotz hohem LDL keine klinische Erkrankung entwickeln – möglicherweise aufgrund schützender Faktoren wie:

  • gutes HDL-„Efflux“-System,
  • entzündungshemmende genetische Ausstattung,
  • weitere günstige Einflüsse.

Umgekehrt können Menschen mit niedrigem oder normalem LDL Herzkrankheiten entwickeln, wenn andere Risikofaktoren schwerwiegend sind
(z. B. starkes Rauchen, unkontrollierter Diabetes).

→ LDL wirkt also im Netzwerk von Ursachen.

Selbst die engagiertesten Verfechter der Lipid-Hypothese erkennen an, dass die LDL-Senkung allein nicht alle Risiken beseitigt.
→ Dies ist das Konzept des „residualen Risikos“:
Selbst nach Optimierung von LDL können weiterhin kardiovaskuläre Ereignisse auftreten – bedingt durch andere Faktoren wie:

  • Entzündung,
  • Lipoprotein(a),
  • Gerinnungsstörungen usw.

Moderne Präventionsrichtlinien spiegeln diese multifaktorielle Realität wider:

→ Sie fordern ein umfassendes Risikomanagement:
Ernährung, Bewegung, Blutdruck, Blutzucker, nicht nur Cholesterin.

Ein zusammenfassender Integrationsansatz:

  • LDL/ApoB ist der primäre Initiator der atherosklerotischen Plaques und ein notwendiger Bestandteil des Krankheitsprozesses.
  • Der Verlauf und die Komplikationen der Plaques hängen dann von vielen anderen Faktoren ab, z. B. Entzündung, Blutdruck, Gerinnungssystem usw.

Wenn man LDL entfernt oder extrem niedrig hält, schreitet die Atherosklerose höchstwahrscheinlich nicht fort
→ Dies sieht man z. B. bei Populationen mit lebenslang sehr niedrigem Cholesterin sowie in Studien mit aggressiver LDL-Senkung.

Umgekehrt, selbst wenn andere Risikofaktoren wie Entzündung vorhanden sind –
ohne Cholesterinablagerung durch Lipoproteine entstehen keine charakteristischen atherosklerotischen Plaques mit Lipidkern.

Daher sehen wir z. B. bei Autoimmunerkrankungen mit chronischer Entzündung keine atherosklerotischen Plaques –
es sei denn, das Cholesterin ist ebenfalls erhöht.
→ Diese Patienten entwickeln zwar häufiger Herz-Kreislauf-Erkrankungen,
aber die Kombination aus Entzündung + normalem LDL führt zu weniger Atherosklerose
als Entzündung + hohes LDL.

In der Pathologie ist der Cholesteringehalt der Plaques ein definierendes Merkmal:

Wenn man das Cholesterin entfernt, dann bilden sich die Läsionen zurück oder stabilisieren sich.

Ein weiterer Aspekt: Ist LDL/ApoB ein unabhängiger Risikofaktor?

Ein weiterer Aspekt, der berücksichtigt werden sollte, ist die Unabhängigkeit:
Sind LDL und ApoB unabhängige Risikofaktoren von anderen bekannten Faktoren?
→ Die Antwort lautet ja, basierend auf multivariaten Analysen.

Beispielsweise bleibt ApoB oder LDL ein signifikanter Prädiktor für kardiovaskuläre Ereignisse,
auch nachdem für Alter, Blutdruck, Rauchen, Diabetes usw. kontrolliert wurde.
→ Das zeigt, dass der Effekt von LDL nicht vollständig durch diese anderen Faktoren vermittelt wird (auch wenn Wechselwirkungen bestehen können).

Einige Kritiker behaupteten früher, dass das Cholesterinrisiko ein Artefakt von Ernährung oder anderen Lebensstilfaktoren sei.
→ Doch kontrollierte Studien und genetische Randomisierung eliminieren diese Störfaktoren,
und dennoch zeigen sie einen deutlichen Effekt, was die Unabhängigkeit bestätigt.

Die Gegenfrage: Kann Atherosklerose auch ohne LDL entstehen?

Rein entzündliche oder autoimmune Gefäßschäden (z. B. Vaskulitiden) können auftreten,
haben jedoch einen anderen Charakter als die typische Atherosklerose
und sind weit seltener als Ursache für Herzinfarkte.

Die klassische atherosklerotische Plaque mit Lipidkern und Schaumzellen
erfordert im Wesentlichen die Retention von ApoB-Partikeln.

→ Aus diesem Grund ist bei Zuständen mit extrem niedrigem LDL
(z. B. Abetalipoproteinämie oder PCSK9-Knockout in experimentellen Modellen)
Atherosklerose praktisch nicht vorhanden, selbst wenn andere Risiken wie Rauchen bestehen.

Allerdings gilt: Sobald eine Plaque vorhanden ist,
beeinflussen Faktoren wie Entzündung oder Blutdruck,
ob sie rupturiert und ein akutes Ereignis auslöst.

→ Man könnte also sagen:
LDL verursacht die Krankheit (Plaqueaufbau),
während Entzündung und andere Faktoren den Zeitpunkt und die Schwere der Komplikationen modulieren.
→ Dieses mehrschichtige Kausalitätsmodell ist weit verbreitet akzeptiert.

Bewertung alternativer Hypothesen:

  • Die Entzündungshypothese hat sich von einer „alternativen“ zu einer „komplementären“ Hypothese entwickelt.
    → Heute spricht man von einer „LDL-Hypothese“ und einer „Entzündungshypothese“ – beide gelten als gültig und miteinander verflochten.
    → Entzündung ist sowohl Ursache als auch Folge der Atherogenese.
  • Die Infektionshypothese ist, wie bereits erwähnt, weitgehend nicht durch Interventionsdaten gestützt,
    hat aber dabei geholfen, die Bedeutung der Entzündung hervorzuheben.
  • Die metabolische Hypothese steht nicht im Widerspruch zur Lipidhypothese,
    sondern erklärt eher, warum manche Individuen ein schlechteres Lipidprofil und mehr Gefäßschäden haben –
    Insulinresistenz kann hier als „ursächlicher“ Auslöser von Dyslipidämien gesehen werden.

Ein häufiger Kritikpunkt von Skeptikern lautet,

dass es keinen randomisierten Beweis dafür gibt, dass LDL-Senkung die Gesamtmortalität senkt,
außer bei Hochrisikogruppen.

→ Das stimmt bis zu einem gewissen Grad:
Viele Statin-Studien zur Primärprävention zeigten keinen statistisch signifikanten Rückgang der Gesamtsterblichkeit
oft waren sie nicht ausreichend dimensioniert, um diesen Effekt zu erkennen.

→ Allerdings zeigten sie Reduktionen bei der Herzmortalität,
und in der Gesamtauswertung ergibt sich ein moderater Rückgang der Gesamtmortalität,
proportional zum Risikoniveau.

Wichtiger ist:
Sich nur auf die Gesamtsterblichkeit bei relativ gesunden Menschen über kurze Zeiträume zu konzentrieren,
kann irreführend sein.
Nicht-tödliche Herzinfarkte und Schlaganfälle zu verhindern ist an sich bereits ein wertvolles Ziel.

Außerdem spielt auch die Sicherheitsbetrachtung eine Rolle:
Wenn eine Therapie schwere Nebenwirkungen hätte,
würde man ein entsprechendes Mortalitätssignal erwarten
doch z. B. Statine zeigen wiederholt ein günstiges Nutzen-Risiko-Verhältnis.

Konsens, Kontroversen und aktuelle Debatten

Wissenschaftlicher und klinischer Konsens

Heute sind sich die überwältigende Mehrheit der kardiovaskulären Experten einig,
dass LDL-Cholesterin und ApoB-haltige Lipoproteine kausale Faktoren bei der atherosklerotischen Herz-Kreislauf-Erkrankung (ASCVD) sind.

Maßgebliche Leitlinien – darunter die der American Heart Association (AHA), des American College of Cardiology (ACC) und der European Society of Cardiology (ESC)
identifizieren LDL-Cholesterin einheitlich als primären, modifizierbaren Risikofaktor
und empfehlen eine angemessene Behandlung (Lebensstil und Medikamente) zur LDL-Senkung bei Menschen mit erhöhtem Risiko.

Es besteht zudem Konsens darüber, dass eine frühzeitige Intervention einen größeren langfristigen Nutzen bringt,
da sie die kumulative arterielle Exposition gegenüber ApoB reduziert.

Ein weiterer Punkt der Übereinstimmung:
ApoB ist ein wichtiger Marker, der zunehmend in Leitlinien aufgenommen werden dürfte –
beispielsweise wird er bereits in den europäischen Leitlinien als Risikokriterium berücksichtigt,
und viele Experten befürworten eine routinemäßige ApoB-Messung,
insbesondere bei Menschen mit metabolischem Syndrom oder erhöhten Triglyzeriden.

Darüber hinaus erkennen beide Seiten der „LDL vs. Entzündung“-Debatte an,
dass sowohl LDL-Senkung als auch Entzündungsreduktion (durch Lebensstil oder gezielte Therapien) wertvoll sind
es handelt sich nicht um ein Entweder-oder.

Das Konzept des „residualen Risikos“ hat zu einem breiten Konsens geführt,
dass es zusätzlich zur LDL-Senkung auch notwendig ist,
triglyzeridreiche Lipoproteine, Lp(a) (ein weiteres ApoB-Partikel)
und entzündliche Signalwege zu adressieren, um die Krankheitslast von Herz-Kreislauf-Erkrankungen vollständig zu bekämpfen.

Bereiche anhaltender Debatten

Obwohl die grundsätzliche Kausalität von LDL für die meisten Forscher als geklärt gilt,
bestehen weiterhin Diskussionen darüber, wie aggressiv LDL gesenkt werden sollte und bei wem.

Beispiel:
Was sollte das LDL-Ziel in der Primärprävention für eine sehr gesunde Person sein?
Einige befürworten einen pragmatischen Ansatz
(z. B. Behandlung nur bei Überschreiten eines bestimmten 10-Jahres-Risikos laut Leitlinien),
während andere argumentieren, dass ein dauerhaft hohes LDL bei einem 30-Jährigen eine „tickende Zeitbombe“ sei
und daher eine frühzeitige Behandlung im Sinne des „Lebenszeitrisikos“ besser wäre.

→ Diese Debatte wägt den Nutzen früher Interventionen gegen die Gefahr einer zu frühen Medikalisierung
sowie Bedenken hinsichtlich der Langzeiteinnahme von Medikamenten bei ansonsten gesunden Menschen ab.
Es ist eine differenzierte Diskussion über Public-Health-Strategien, nicht über die biologische Grundlage selbst.

Ein weiterer Streitpunkt betrifft die Ernährungsempfehlungen:

Die klassische Empfehlung, zur Senkung des LDL wenig gesättigte Fette und wenig Cholesterin zu konsumieren,
wird von einigen hinterfragt, die Low-Carb- oder Mittelmeerdiäten für die Herzgesundheit fördern.

Interessanterweise drehen sich diese Debatten häufig um die Frage,
wie man das Lipidprofil am besten verbessert und Entzündungen reduziert.

Beispiel:
Eine gesunde Mittelmeerdiät senkt möglicherweise LDL nicht so stark wie eine fettarme Diät,
kann aber dennoch kardiovaskuläre Ereignisse reduzieren (wie in der PREDIMED-Studie gezeigt) –
vielleicht durch Entzündungshemmung oder Verbesserung des HDL.

→ Daraus ergibt sich die Frage,
ob Ernährungsempfehlungen ausschließlich auf die LDL-Senkung abzielen sollten
(z. B. Austausch gesättigter Fette durch mehrfach ungesättigte)
oder ein ganzheitlicheres Bild berücksichtigen sollten
(insgesamt gesunde Ernährungsmuster, Zuckerreduktion usw.).

→ Diese Debatte ist eng mit der metabolischen vs. lipidzentrierten Perspektive verknüpft.

Der aktuelle Konsens unter Experten lautet jedoch:

Eine ideale Ernährung zur Herz-Kreislauf-Prävention sollte
sowohl LDL niedrig halten
als auch andere metabolische Stressoren minimieren.

→ Deshalb betonen aktuelle Leitlinien Ernährungsformen wie die Mittelmeerdiät oder DASH,
die ein gesundes Gleichgewicht erreichen.

→ Es gibt reichlich Evidenz, dass diese Diäten LDL moderat senken
und gleichzeitig andere Risikofaktoren verbessern.

Kommunikation von Risiken und öffentliche Wahrnehmung:

Eine fortwährende Herausforderung besteht darin, die wissenschaftlichen Erkenntnisse der Öffentlichkeit verständlich zu vermitteln. Immer wieder sorgen mediale Schlagzeilen (oft ausgelöst durch gegensätzliche Meinungen oder einzelne Studien) für Verwirrung, etwa mit Aussagen wie „Cholesterin ist unwichtig“ oder „Alles, was wir über Fett wussten, ist falsch“. Solche Botschaften verunsichern Patient:innen. Organisationen wie die National Lipid Association und die British Heart Foundation haben aktiv auf solche Meldungen reagiert, indem sie methodische Schwächen in sensationellen Studien aufgezeigt und die Öffentlichkeit beruhigt haben: Nein, das gesamte Fundament der Cholesterin-Wissenschaft wurde nicht erschüttert. Die zentrale Botschaft bleibt: Das Management des Cholesterinspiegels ist ein wesentlicher Bestandteil der Prävention von Herz-Kreislauf-Erkrankungen – auch wenn andere Risikofaktoren ebenfalls berücksichtigt werden müssen.

Präzisionsmedizin und individuelle Unterschiede:
Eine weitere aktuelle Debatte bezieht sich auf die Individualisierung therapeutischer Maßnahmen. Nicht jeder Mensch mit dem gleichen LDL-Wert hat dasselbe Risiko – genetische Faktoren, bildgebende Verfahren (wie die Koronarkalzium-Skala) und andere Biomarker können die Risikoeinschätzung verfeinern. Zwei Personen mit einem LDL von 160 mg/dL unterscheiden sich möglicherweise erheblich: Eine Person mit starker familiärer Vorbelastung und hohem Lp(a)-Wert benötigt wahrscheinlich eine aggressive Behandlung, während eine andere mit null Kalziumablagerungen in den Arterien und keinen weiteren Risikofaktoren möglicherweise zunächst allein durch Lebensstiländerungen behandelt werden kann. In der Fachwelt wird diskutiert, ob und wie Marker wie ApoB, Lp(a) und arterielle Bildgebung systematisch eingesetzt werden sollten, um eine individuellere Therapie zu ermöglichen – statt einer pauschalen Behandlung basierend allein auf LDL-Grenzwerten. Dies stellt eine Weiterentwicklung des Konsenses dar, keine Infragestellung der LDL-Rolle – es geht um die präzisere Anwendung vorhandener Erkenntnisse.

Zukünftige therapeutische Debatten:
Mit dem Aufkommen neuer Therapien entstehen weitere Diskussionen. Eine davon lautet: Sollten entzündungshemmende Medikamente (wie IL-1- oder IL-6-Inhibitoren) breit in der Prävention von Herz-Kreislauf-Erkrankungen eingesetzt werden, oder nur in ausgewählten Hochrisikogruppen – wegen potenzieller Nebenwirkungen oder hoher Kosten? Eine andere Frage ist: Wie niedrig sollte LDL gesenkt werden? Studien mit PCSK9-Inhibitoren und genetische Daten deuten darauf hin, dass „je niedriger, desto besser“ gilt – aber gibt es eine biologische Untergrenze? Einige Expert:innen sind vorsichtig und warten auf Langzeitdaten zu sehr niedrigen LDL-Werten. Bisher wurden jedoch keine negativen Effekte festgestellt, und die Leitlinien haben die Zielwerte für LDL bei Hochrisikopatient:innen schrittweise gesenkt (bei extrem hohem Risiko wird mittlerweile ein LDL-Ziel von unter 1,0 mmol/L bzw. ~40 mg/dL angestrebt). Diese Entwicklung war zunächst umstritten, wurde jedoch mit zunehmender Datenlage weithin akzeptiert.

Schließlich veröffentlichen einige wenige abweichende Expert:innen weiterhin gegensätzliche Standpunkte. So publizierte 2018 eine Gruppe von Akademikern (darunter Ravnskov, Diamond und andere) einen Artikel mit dem Titel „LDL-C verursacht keine kardiovaskulären Erkrankungen: eine umfassende Übersicht“ und behauptete darin, die Cholesterinhypothese sei ein Irrtum. Ihre Argumente stießen jedoch auf scharfe Kritik seitens der wissenschaftlichen Gemeinschaft, da sie Daten falsch darstellten und hochwertige Evidenz ignorierten. Die European Atherosclerosis Society sah sich sogar veranlasst, unter anderem deswegen ihr Konsenspapier von 2017 zu veröffentlichen, um den verbleibenden Skeptizismus „ein für alle Mal zu entkräften“. In diesem Papier und begleitenden Vorträgen wiesen Experten darauf hin, dass einige Behörden und Kommentatoren LDL immer noch lediglich als „Marker“ bezeichneten – sie wollten jedoch klarstellen, dass LDL ein kausaler Faktor ist, um evidenzbasierte Gesundheitspolitik gezielt zu steuern.

Dies zeigt: Obwohl der wissenschaftliche Konsens stark ist, dauert es oft länger, bis dieser vollständig in die öffentliche Wahrnehmung und politische Entscheidungsprozesse übersetzt wird.

Fazit: Der wissenschaftliche Mainstream ist sich einig, dass LDL-Cholesterin und ApoB-haltige Lipoproteine kausal mit der Entstehung von atherosklerotischer Herz-Kreislauf-Erkrankung verbunden sind – und dass ihre Senkung das Risiko verringert, insbesondere im Rahmen eines umfassenden Risikofaktoren-Managements. Die aktuellen Kontroversen drehen sich eher um Fragen der Umsetzung dieses Wissens: Wie genau sollte LDL in der individuellen Risikobewertung gewichtet werden? Wann ist der optimale Zeitpunkt für Interventionen? Wie lassen sich neue therapeutische Ansätze (z. B. antiinflammatorische Therapien oder neue Lipid-Zielparameter) am sinnvollsten integrieren?

Wissenschaftliche Debatten wird es immer geben – das ist essenziell für Fortschritt. Doch es lässt sich mit Fug und Recht sagen, dass die früher stark umstrittene „Lipid-Hypothese“ heute zu den tragenden Säulen der kardiovaskulären Präventionsmedizin gehört, gestützt durch ein vielschichtiges Geflecht an Evidenz.

Die künftige Herausforderung besteht darin, die noch offenen Fragen (wie etwa die Rolle von Lipoprotein(a) oder den besten Zeitpunkt für Interventionen) weiter zu klären und das vorhandene Wissen effektiv anzuwenden, um Leben zu retten – ohne sich durch längst widerlegte Behauptungen ablenken zu lassen. Wie es eine historische Übersicht treffend formulierte: Nach einem Jahrhundert Forschung und mindestens elf Nobelpreisen im Zusammenhang mit Cholesterin und Lipiden sei „die Evidenz überwältigend, dass Lipide (insbesondere LDL) eine zentrale Rolle in der Atherosklerose spielen“ – eine Aussage, der heute kaum jemand im Fach widersprechen würde.

LDL, ApoB und kardiovaskuläre Ergebnisse bei Low-Carb- und ketogenen Diäten

Kohlenhydratarme und ketogene Diäten sind dafür bekannt, viele kardiometabolische Risikofaktoren zu verbessern (Gewicht, Blutzuckerkontrolle, Triglyzeride, HDL usw.), aber sie erhöhen häufig das LDL-Cholesterin und Apolipoprotein B (ApoB) bei einigen Personen¹. Dies ist besonders ausgeprägt bei sogenannten „Lean Mass Hyper-Respondern“ – typischerweise gesunde, schlanke Menschen, die auf diesen Diäten starke Anstiege von LDL und ApoB erleben. Dieses Phänomen hat eine Kontroverse ausgelöst: Führen erhöhte LDL-/ApoB-Werte unter Low-Carb- oder Carnivore-Diäten zu einem atherogenen Risiko, oder handelt es sich um eine physiologische Anpassung an eine fettreiche Energiebereitstellung? Um diese Frage zu beantworten, überprüfen wir die Evidenz aus randomisierten kontrollierten Studien (RCTs) und Interventionsstudien, die harte kardiovaskuläre Endpunkte erfassten – wie Koronarplaquelast (mittels Bildgebung), Koronarkalzium (CAC) und tatsächliche kardiovaskuläre Ereignisse – bei Personen, die Low-Carb-, ketogene oder Carnivore-Diäten befolgten. Studien, die sich nur mit Surrogat-Blutmarkern beschäftigen, werden ausgeschlossen, es sei denn, sie sind mit Ergebnismessungen verknüpft. Nachfolgend fassen wir die wichtigsten Erkenntnisse zusammen, wobei wir die qualitativ hochwertigsten Studien hervorheben, und stellen anschließend eine vergleichende Tabelle dieser Studien bereit.

RCT-Evidenz: Low-Carb-Diäten und Fortschreiten atherosklerotischer Plaques

DIRECT-Carotid-Studie (Shai Iris, 2010): Eine der qualitativ hochwertigsten Studien ist eine RCT, die das Fortschreiten von Atherosklerose unter Gewichtsreduktionsdiäten direkt untersuchte. In der zweijährigen DIRECT-Studie wurden 140 übergewichtige Erwachsene randomisiert auf fettarme, mediterrane oder kohlenhydratarme Diäten verteilt, und die Atherosklerose der Halsschlagader wurde mittels Ultraschall verfolgt (Intima-Media-Dicke der Karotis und 3D-Gefäßwandvolumen). Trotz einiger Unterschiede bei den Veränderungen der Blutfette (Low-Carb-Gruppen neigten zu höheren Verbesserungen bei LDL und dem ApoB/ApoA1-Verhältnis im Vergleich zur fettarmen Diät), zeigten alle drei Diätgruppen über die zwei Jahre eine Rückbildung der Karotis-Atherosklerose, ohne signifikante Unterschiede zwischen den Diäten. Im Durchschnitt verringerte sich das Volumen der Karotis-Gefäßwand in jeder Gruppe um etwa 5 % (Regression), und die Intima-Media-Dicke zeigte eine leichte, aber nicht signifikante Verbesserung.

Mit anderen Worten: Die Low-Carb-Diät (die moderat in Fett/Protein und relativ kohlenhydratarm war) führte nicht zu einer stärkeren Plaquebildung als die fettarme Diät – im Gegenteil, alle Diäten führten wahrscheinlich aufgrund von Gewichtsverlust und Verbesserungen anderer Risikofaktoren zu einer gewissen Plaquereduktion. Die Forscher führten den Nutzen hauptsächlich auf gewichtsbedingte Verbesserungen zurück (insbesondere auf den reduzierten Blutdruck), nicht auf die Makronährstoffzusammensetzung.

Zentrale Aussage: In dieser RCT war eine Atkins-ähnliche Low-Carb-Diät (mit im Durchschnitt moderaten LDL-Anstiegen) nicht mit einer erhöhten Plaqueprogression in den Halsschlagadern im Vergleich zu anderen Diäten über einen Zeitraum von zwei Jahren verbunden. Dies deutet darauf hin, dass im kurz- bis mittelfristigen Zeitraum ein Anstieg von LDL unter einer Low-Carb-Diät nicht automatisch zu einer beschleunigten Atherosklerose führt – möglicherweise, weil gleichzeitige Verbesserungen (Gewicht, Blutdruck usw.) potenzielle Risiken ausgleichen.

Hinweis: Bis heute war keine Langzeit-RCT (randomisierte kontrollierte Studie) groß oder lang genug, um direkte Unterschiede bei tatsächlichen Herzinfarkten oder Schlaganfällen zwischen Low-Carb- und anderen Diäten zu erfassen – solche Studien würden viele Jahre und Tausende von Teilnehmern erfordern. Deshalb verlassen wir uns auf Bildgebungsstudien (wie die DIRECT-Studie) und Beobachtungsnachbeobachtungen für harte Endpunkte.

Ketogene Diät bei Hyper-Respondern: Prospektive Studien zur koronaren Bildgebung

Eine besondere Forschungsrichtung befasste sich mit metabolisch gesunden Menschen mit sehr hohen LDL-Werten unter ketogener Diät – oft bezeichnet als „Lean Mass Hyper-Responder“ (LMHR). Ein Team unter der Leitung von Dr. Matthew Budoff führte Studien durch (teilweise durch Bürgerwissenschaft finanziert), bei denen wiederholte koronare CT-Angiographien (CCTA) zur Messung von Plaques bei diesen Personen verwendet wurden:

Querschnittsergebnisse zur Ausgangssituation (2023):

In einer ersten Analyse wurden 100 langfristige Keto-Diät-Anwender mit LDL ≥ 190 mg/dL (LMHR-Phänotyp) mit passenden Kontrollpersonen mit normalem LDL verglichen. Trotz der sehr hohen Cholesterinwerte war die koronare Plaquelast (gemessen durch CCTA) der LMHR-Gruppe vergleichbar mit der der Kontrollgruppe, ohne überschüssige verkalkte oder weiche Plaques⁷.

Dies bot eine gewisse Beruhigung, dass die durch die Diät verursachten hohen LDL-Werte zumindest zu Beginn nicht zu extremer Atherosklerose geführt hatten. Mit anderen Worten: Nach durchschnittlich etwa fünf Jahren auf einer Low-Carb-/Keto-Diät zeigten diese Personen (die schlank, insulinempfindlich, mit hohem HDL und niedriger Entzündung waren) nicht mehr Plaque als Menschen mit „normalem“ Cholesterin⁷.

Diese Erkenntnis stützt die Vorstellung, dass LDL-Anstiege im Low-Carb-Kontext weniger schädlich sein könnten als in typischen Bevölkerungsgruppen – zumindest kurzfristig oder in Abwesenheit anderer Risikofaktoren.

Der LMHR Phänotyp zeigt auch nach 5 Jahren ketogener Nahrung mit seit 5 Jahren bestehenden LDL Cholesterinwerten über 250mg/dl immer noch signifikant niedrigere Placquescores als gematchte Kontrollen.

KETO-CTA Prospektivstudie (Budoff et al., 2025):

Die gleichen 100 LMHR-Personen wurden anschließend ein Jahr lang prospektiv beobachtet, mit wiederholten CCTA-Scans⁸. Dies war die erste interventionelle (beobachtende) Studie, die das tatsächliche Fortschreiten von Plaques bei LMHRs auf Keto-Diät verfolgte.

Zentrale Ergebnisse: Bei der Nachbeobachtung nahm die koronare Plaquelast bei vielen dieser Personen mit hohem LDL zu, aber entscheidend war: Die Zunahme der Plaques korrelierte nicht mit LDL- oder ApoB-Werten⁹.

Stattdessen war der stärkste Prädiktor für Plaque-Fortschritt die bereits vorhandene Plaque zu Studienbeginn – Personen, die zu Beginn schon Plaques hatten, entwickelten im Laufe des Jahres tendenziell mehr¹⁰ („Plaque bringt Plaque hervor“).

Die Forscher berichteten, dass traditionelle Cholesterinmarker nicht mit Veränderungen der Plaque assoziiert waren, während das Vorhandensein von bestehender Atherosklerose ein Warnzeichen für weiteres Wachstum darstellte⁹.

Die Follow-Up Studie von Budoff et al. zeigte, dass bei LMHR Individuen mit sehr hohem LDL und ApoB auch 1 Jahr später Placqueprogression nicht mit LDL und ApoB zusammenhängt.

Details zur Plaque-Progression:

Die Mehrheit der Teilnehmer – insbesondere jene mit bereits vorhandenen Plaques – erlebte eine Zunahme des gesamten koronaren Plaquevolumens innerhalb eines Jahres, hauptsächlich aufgrund des Wachstums nicht-kalzifizierter („weicher“) Plaques¹¹ ¹².

Die mittlere Veränderung im prozentualen Atheromvolumen (Plaque als Anteil des Arterienvolumens) lag bei etwa +0,8 % – was einem relativen Anstieg von ~50 % gegenüber dem niedrigen Ausgangsniveau entsprach¹³.

Teilnehmer, die mit CAC = 0 (kein verkalkter Plaque) starteten, zeigten immer noch eine leichte Zunahme der Plaques im Durchschnitt (+0,5 % PAV), während jene mit signifikantem CAC >100 zu Beginn ein deutlich größeres Plaquewachstum erlebten (+2,4 % PAV über ein Jahr)¹⁴.

Qualitativ betrachtet blieben Plaques nur bei denjenigen stabil, die zu Beginn wirklich plaquefrei waren, während jede vorhandene Plaque zur Expansion neigte; einige Teilnehmer entwickelten sogar neue kleine Plaques, obwohl sie mit CAC = 0 gestartet waren¹¹ ¹⁵.

Bemerkenswert ist, dass das neue Plaquewachstum überwiegend weich (nicht verkalkt) war¹² – was bedeutsam ist, da weiche Plaques anfälliger sind und stärker mit akuten Ereignissen (wie Herzinfarkten) verbunden sind.

Interpretation:

Die zentrale Erkenntnis dieser Studie war, dass der LDL-/ApoB-Spiegel selbst das kurzfristige Plaquewachstum in dieser keto-adaptierten Gruppe nicht vorhersagte⁹.

Einige Experten deuten dies als Hinweis darauf, dass die „Hypercholesterinämie“ bei Keto-Anwendern eine physiologische Anpassung darstellen könnte, die von herkömmlichen Risikomodellen nicht erfasst wird¹⁶ ¹⁷.

Gleichzeitig ist jedoch wichtig festzuhalten, dass bei LMHR-Personen mit bestehender Plaque die Atherosklerose deutlich fortschritt, was zeigt, dass selbst in einem metabolisch gesunden, entzündungsarmen Umfeld sehr hohes LDL nicht vor Atherosklerose schützt.

Die Autoren schlagen vor, dass für solche Personen fortgeschrittene Bildgebung (CAC oder CTA) zur Risikobewertung hilfreicher sein könnte als LDL-Werte, da einige trotz hohem LDL nur minimale Plaques aufweisen, während andere mit hohem LDL und vorhandener Plaque sich auf einem Weg der fortschreitenden Plaqueakkumulation befinden könnten¹⁸.

Zusammengefasst legen die LMHR-Studien nahe, dass der Kontext entscheidend ist: Hohes LDL unter einer Low-Carb-Diät kann mit Plaquewachstum assoziiert sein, aber das Risiko lässt sich am besten durch direkte Plaquemessung beurteilen, nicht allein durch Annahmen auf Basis von LDL-Werten¹⁰ ¹⁸.

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Beobachtungsstudien: Low-Carb-Diäten, LDL und kardiovaskuläre Ereignisse

Da es an langfristigen randomisierten kontrollierten Studien (RCTs) mit harten Endpunkten mangelt, haben mehrere prospektive Kohortenstudien Zusammenhänge zwischen Low-Carb-Diäten (oft reich an tierischen Fetten) und kardiovaskulären Ergebnissen untersucht:

CARDIA CAC-Studie (2021):

Die „Coronary Artery Risk Development in Young Adults (CARDIA)“-Studie verfolgte über 2.000 Erwachsene vom jungen Erwachsenenalter bis ins mittlere Alter. Die Forscher berechneten einen Low-Carbohydrate Diet (LCD)-Score basierend auf Ernährungsfragebögen und untersuchten die Progression von Koronarkalzium (CAC) anhand serieller CT-Scans über etwa acht Jahre¹⁹ ²⁰.

Die Ergebnisse zeigten ein klares Muster: Geringere Kohlenhydratzufuhr (höherer LCD-Score) war mit einem höheren Risiko für die Entwicklung von Koronarkalzium und Plaques verbunden. Beim Vergleich extremer Ernährungsmuster hatten diejenigen, die die wenigsten Kohlenhydrate konsumierten (und typischerweise mehr tierisches Fett/Protein), eine signifikant höhere Wahrscheinlichkeit für CAC-Progression im Vergleich zu denjenigen mit kohlenhydratreicheren Diäten²¹.

Wichtig: Die Forscher unterschieden zwischen tierisch- und pflanzenbasierten Low-Carb-Diäten:

  • Low-Carb-Diäten mit hohem Anteil an tierischem Eiweiß/Fett waren mit zunehmender CAC-Progression verbunden (Hazard Ratio ~1,46, P = 0,041),
  • während pflanzenbasierte Low-Carb-Diäten nicht mit einer erhöhten Atheroskleroseprogression assoziiert waren²² ²³.

Die Autoren kamen zu dem Schluss, dass eine früh im Erwachsenenalter begonnene Low-Carb-Diät, insbesondere wenn sie reich an tierischem Fett/Protein ist, das Risiko für subklinische Herzkrankheiten im späteren Leben erhöhen kann²³.

Fazit: Die Qualität von Fetten/Proteinen spielt eine entscheidende Rolle – pflanzenbasierte Low-Carb-Muster könnten gefäßschonender sein als fleischlastige „Carnivore“-Stile, die eher das LDL erhöhen und mit mehr Plaque in Verbindung stehen.

UK Biobank „Keto-ähnliche“ Diätstudie (Iatan et al., 2023):

Auf einem Kongress des American College of Cardiology stellten Forscher eine Analyse von über 70.000 Teilnehmern der UK Biobank vor, die Ernährungsdaten und eine mittlere Nachbeobachtungszeit von ~11,8 Jahren aufwiesen²⁴ ²⁵.

Sie identifizierten eine Untergruppe von ~305 Personen, die eine Low-Carb-High-Fat-Diät (LCHF) konsumierten (<25 % der Energie aus Kohlenhydraten, >45 % aus Fett – als „keto-ähnlich“ bezeichnet), und verglichen diese mit ~1.220 passenden Kontrollpersonen, die eine Standarddiät verzehrten²⁴ ²⁶.

Ausgangslage: Die LCHF-Gruppe hatte im Durchschnitt:

  • höhere LDL- und ApoB-Werte als die Kontrollen (LDL ~3,8 vs. 3,64 mmol/L)²⁷,
  • einen leicht höheren BMI und mehr Diabetesfälle,
  • sie konsumierten mehr gesättigte Fette tierischer Herkunft²⁸ ²⁹.

Ergebnisse: Über die nächsten zehn Jahre erlebte die LCHF-Gruppe signifikant mehr kardiovaskuläre Ereignisse. Genauer:

  • Etwa 9,8 % der Keto-Diät-Gruppe hatten ein schwerwiegendes kardiovaskuläres Ereignis (MACE) (z. B. Herzinfarkt, Angina, Schlaganfall oder Revaskularisierung),
  • verglichen mit 4,3 % in der Standarddiät-Gruppe³⁰.
  • Nach Adjustierung für andere Risikofaktoren (Alter, Geschlecht, Diabetes, Rauchen etc.) war die LCHF-Diät mit mehr als einer Verdopplung des MACE-Risikos verbunden (HR ≈ 2,18; 95 % CI 1,39–3,43)³⁰.

In einer Subgruppenanalyse zeigte sich:

  • Personen, die LCHF aßen und sehr hohe LDL-Werte hatten (≥5,0 mmol/L bzw. ca. 193 mg/dL), hatten das höchste Risikoein 6- bis 7-fach erhöhtes Risiko im Vergleich zu Personen mit Standarddiät und niedrigem LDL³¹.

Die Schlussfolgerung des leitenden Autors war:

Hypercholesterinämie unter einer Low-Carb-High-Fat-Diät sollte nicht als harmlos angesehen werden,
da erhöhte ApoB-/LDL-Werte und ein erhöhtes MACE-Risiko beobachtet wurden.“³²

Diese große Beobachtungsstudie unterstützt die klassische Vorstellung, dass erhöhtes LDL unter fettreicher Ernährung tatsächlich mit höherem kardiovaskulärem Risiko verbunden ist.

Allerdings ist anzumerken, dass die Ernährung nur einmalig über einen 24-Stunden-Rückblick erfasst wurde und die LCHF-Anhänger bereits zu Beginn leicht ungünstigere Gesundheitswerte (höherer BMI, mehr Diabetes) aufwiesen³³ ²⁸ – was die Forscher zu berücksichtigen versuchten.

Dennoch ist das Muster besorgniserregend, insbesondere weil viele Teilnehmer dieser Gruppe große Mengen gesättigter tierischer Fette konsumierten, was wahrscheinlich ihre LDL-Werte und ihr Risiko erhöhte³⁴.

Experten empfehlen, dass bei einer Low-Carb-Diät ungesättigte Fette (z. B. Pflanzenöle, Nüsse) bevorzugt werden sollten, anstelle gesättigter Fette – eine Hypothese, die mit der allgemeinen Forschung zu Ernährung und Fetten übereinstimmt³⁴.

Eine Meta-Analyse aus 41 randomisierten, kontrollierten Untersuchungen zeigt eindeutig, dass Menschen mit niedrigem BMI unter kohlenhydratrestriktiven Ernährungen fast immer mit erhöhtem LDL bei ansonsten reduzierten Risikofaktoren reagieren. Die Autoren warnen davor bei diesen Individuen das LDL als isolierten Risikofaktor zu betrachten.

Zusammenfassung der Evidenz:

Aus diesen Studien ergibt sich ein klares Muster:

  • Wenn eine Low-Carb- oder ketogene Diät LDL und ApoB stark erhöht, korreliert dies häufig mit Markern eines erhöhten atherosklerotischen Risikos.
  • RCTs und Kurzzeitstudien (bis zu 2 Jahre) zeigen: Wenn sich der allgemeine Gesundheitszustand verbessert (z. B. Gewichtsverlust, Blutdrucksenkung), kann selbst ein moderater LDL-Anstieg kurzfristig keine erkennbare Gefäßschädigung verursachen⁴ ⁶.
  • Längerfristige und intensivere Exposition hingegen erfordert Vorsicht:
    • Hohes LDL unter einer tierfettlastigen Diät war mit mehr Plaque (CAC) bei jungen Erwachsenen verbunden²³,
    • sowie mit einer Verdopplung des klinischen Ereignisrisikos über zehn Jahre³⁰.
  • Selbst bei ultragesunden Keto-Anwendern kann sich über die Zeit Plaque ansammeln, auch wenn das individuelle Risiko besser über Bildgebung als über LDL allein erfasst werden könnte⁹ ¹⁰.

Fazit: LDL und ApoB bleiben zentrale Treiber der Atherosklerose, auch wenn ihr Einfluss durch andere Faktoren (z. B. Entzündung, Partikelgröße, Risikoprofil) moduliert werden kann.

Die Annahme, dass ein LDL-Anstieg unter Low-Carb-Diät rein „physiologisch“ und harmlos sei, wird durch ergebnisorientierte Evidenz nicht gestützt – insbesondere dann nicht, wenn solche Diäten reich an gesättigten Fetten sind und langfristig verfolgt werden³².

Auch wenn manche Personen (z. B. LMHRs) trotz hohem LDL nicht sofort Plaques aufbauen, sind sie nicht immun gegen Atherogenese – wie das Fortschreiten der Plaque bereits innerhalb nur eines Jahres bei vorhandener Plaque gezeigt hat¹⁴.

Fazit: Risiko versus Anpassung bei erhöhtem LDL im Low-Carb-Kontext

Signalisiert der Anstieg von LDL und ApoB unter Low-Carb-Diäten ein atherogenes Risiko, oder handelt es sich lediglich um eine harmlose Anpassung?

Die Gesamtheit der aktuellen Evidenz spricht eher dafür, diese Anstiege als potenziell atherogen zu behandeln – nicht als bloß harmlos.

Physiologisch versetzt eine sehr kohlenhydratarme / fettreiche Ernährung den Körper in den Fettverbrennungsmodus, und der LDL-Spiegel kann ansteigen, weil der Cholesterintransport zunimmt, um den Energiebedarf zu decken. Einige vermuten, dass dies eine unbedenkliche Anpassung bei „Lean Mass Hyper-Respondern“ sei.

Jedoch zeigen Studien mit harten Endpunkten, dass erhöhte ApoB-haltige Lipoproteine auch unter diesen Bedingungen in die Arterien eindringen und Plaque fördern können.

Die qualitativ besten Daten (RCTs und Langzeit-Bildgebungsstudien) zeigen keinen Vorteil eines hohen LDL – im Gegenteil:

  • Plaques bilden sich entweder gleichmäßig zurück, selbst bei hohem LDL (wenn andere Faktoren sich verbessern),
  • oder sie nehmen zu – aber hohes LDL war niemals schützend.

Wichtig ist auch: Keine einzige Studie hat gezeigt, dass eine Erhöhung von LDL bei irgendeiner Diät zu besseren kardiovaskulären Ergebnissen führt.

Ganz im Gegenteil: Höhere LDL-/ApoB-Werte gehen in der Regel mit einem größeren Risiko für Plaque und kardiovaskuläre Ereignisse einher – auch im Low-Carb-Kontext³² ²³.

Allerdings gilt: Metabolische Gesundheit und Zusammensetzung der Fette in der Ernährung (ungesättigt vs. gesättigt) können das Ausmaß des Risikos beeinflussen.

Praktisch bedeutet das: Für Menschen, die Low-Carb-, ketogene oder Carnivore-Diäten befolgen und dabei einen sehr hohen LDL-Spiegel entwickeln, ist es ratsam, ihren kardiovaskulären Status zu überwachen (z. B. durch einen CAC-Scan oder eine CCTA), anstatt davon auszugehen, dass sie vom Risiko befreit sind.

Die bisherige Evidenz legt nahe, dass ein LDL-Anstieg in diesem Kontext nicht einfach nur eine neutrale, adaptive Erscheinung des Fetttransports ist – er trägt wahrscheinlich langfristig zur Atherosklerose bei, es sei denn, andere schützende Faktoren wirken entgegen.

Wie ein Experte es ausdrückte:

Hypercholesterinämie sollte bei Low-Carb-Diät-Anhängern nicht als harmlos betrachtet werden.“³²

Das individuelle Risikoprofil mag unterschiedlich sein, aber aus öffentlich-gesundheitlicher und klinischer Sicht ist ein erhöhter ApoB-Wert ein Warnsignal – auch unter einer Low-Carb-Diät.

Strategien zur Reduktion des kardiovaskulären Risikos – sei es durch Ernährungsanpassungen, zusätzliche Ballaststoffe oder ungesättigte Fette, oder in manchen Fällen auch durch Medikamente – sollten in Erwägung gezogen werden, ergänzend zu den metabolischen Vorteilen, die solche Diäten durchaus bieten können.

Vergleich wichtiger Studien und Ergebnisse

Studie (Jahr)Design & PopulationDiät-InterventionErgebnismessung (Dauer)Zentrale Erkenntnisse
DIRECT-Carotid RCT (Shai et al., 2010)RCT mit 140 übergewichtigen Erwachsenen (Durchschnittsalter ~51 Jahre), randomisiert auf drei DiätenLow-Fat (~30 % Fett) vs. mediterran (<35 % Fett, Olivenöl) vs. Low-Carb (Atkins-Stil, anfänglich 20–40 g Kohlenhydrate) – alle kalorienreduziert zur GewichtsabnahmeUltraschall der Karotis (Intima-Media-Dicke und Plaquevolumen, 2 Jahre)Alle Gruppen zeigten eine signifikante Rückbildung der Karotis-Plaque (~5 % Rückgang des Gefäßwandvolumens) ohne Unterschiede zwischen den Diäten. Low-Carb-Anwender hatten ähnliche Verbesserungen trotz leicht erhöhtem LDL. Hauptursache des Nutzens: Gewichtsverlust und Blutdrucksenkung. Keine Hinweise auf beschleunigte Atherosklerose durch Low-Carb.
LMHR Keto vs. Kontrollen (Budoff/Soto-Mota, 2023)Querschnittsstudie, 100 „Lean Mass Hyper-Responder“ (LDL ≥190 mg/dL) auf langfristiger Keto-Diät (~5 Jahre) vs. passende Kontrollen mit normalem LDLAlle Teilnehmer der LMHR-Gruppe waren gewohnheitsmäßige sehr Low-Carb/Keto-Esser; Kontrollen mit gemischter Diät und normalem LDLKoronare CT-Angiographie (CCTA), einmalige Baseline-ErhebungKeine signifikanten Unterschiede in der koronaren Plaquelast zwischen LMHRs und Kontrollen. Trotz sehr hohem LDL hatten Keto-Anwender nicht mehr Plaque oder CAC zu Studienbeginn – Hinweis darauf, dass Diät-bedingtes LDL (zumindest kurzfristig) bei gesunden Personen nicht automatisch zu Atherosklerose führt.
KETO-CTA-Studie (Budoff/Soto-Mota, 2025)Prospektive Studie (12 Monate), 100 LMHR-Personen (schlank, Low-Carb, hohes LDL), keine Kontrollgruppe (jede Person dient als eigener Ausgangswert)Fortsetzung der langfristigen Keto-Diät (≤10–15 % Kohlenhydrate, >70 % Fett). Kein Eingriff – Beobachtung der LDL-bedingten PlaqueentwicklungSerielle koronare CT-Angiographien (Plaquevolumen über 1 Jahr)Bei den meisten Teilnehmern nahm das koronare Plaquevolumen zu, besonders nicht-kalzifizierte („weiche“) Plaque. Medianer Anstieg: +0,8 % (≈50 % relativ). Vorhandene Plaque zu Studienbeginn war stärkster Prädiktor der Progression. LDL/ApoB korrelierten nicht mit Plaquewachstum. Interpretation: Hoher LDL schützt nicht vor Atherosklerose; Bildgebung ist sinnvoller als LDL zur Risikobewertung.
CARDIA-Studie: Diät & CAC (Shan et al., 2021)Beobachtungs-Kohorte (CARDIA), 2.226 Erwachsene im Alter von ~25 bis ~45 Jahren (15–25 Jahre Follow-up)Diätbewertung über „Low-Carb-Diet-Score“ (Energieanteil aus Kohlenhydraten + Protein/Fettquellen: tierisch vs. pflanzlich). Kein Eingriff – Auswertung von ErnährungsmusternKoronarkalzium (CAC) in Jahr 15 und Jahr 20/25; CAC-Progression = Score-AnstiegLow-Carb-Diäten waren mit erhöhter CAC-Progression verbunden, v. a. wenn tierische Fette/Proteine betont wurden. 46 % höheres Risiko für CAC-Progression bei extrem Low-Carb-/fleischlastigen Diäten vs. High-Carb. Pflanzenbasierte Low-Carb-Muster zeigten keine signifikante CAC-Zunahme – deuten auf neutralere Wirkung hin.
UK Biobank: LCHF vs. Standard (Iatan et al., 2023)Prospektive Kohortenstudie (UK Biobank), 1.525 Erwachsene mittleren Alters (Ø 54 Jahre, 73 % Frauen) – 305 mit selbstberichteter „keto-ähnlicher“ LCHF-Diät, je 1:4 gematcht mit 1.220 Kontrollen (Standarddiät), Follow-up ~11 Jahre„Keto-ähnlich“: <25 % der Kalorien aus Kohlenhydraten, >45 % aus Fett (höher gesättigt; mehr tierisch) vs. Standarddiät (gemischte Makronährstoffe). Einmalige 24h-Diäterhebung bei StudienstartMACE (Major Adverse Cardiovascular Events): Angina, Herzinfarkt, Schlaganfall, CAD, pAVK oder Revaskularisierung (medianes Follow-up ~11,8 Jahre)9,8 % der LCHF-Gruppe hatten MACE vs. 4,3 % in Kontrollgruppe. HR = 2,18 (95 % CI 1,39–3,43). LDL und ApoB waren zu Beginn in LCHF-Gruppe höher. Bei sehr hohem LDL (≥5,0 mmol/L) stieg Risiko auf 6,7-faches im Vergleich zu Personen mit niedrigem LDL auf Standarddiät. Schlussfolgerung: Low-Carb-High-Fat-Diäten erhöhen LDL/ApoB und sind mit erhöhtem MACE-Risiko verbunden – Hypercholesterinämie unter Low-Carb ist wahrscheinlich atherogen, nicht harmlos.

Quellenhinweis: Die zentralen Ergebnisse wurden aus den zitierten Studien und Berichten zusammengefasst (siehe Referenzen). Jede Studienangabe verweist auf die Quelle der Ergebnisdaten oder der dargestellten Schlussfolgerungen.

Soweit so gut – die Darstellung der LDL-/ApoB-Hypothese und ihrer robusten Evidenzbasis ist differenziert und beeindruckend klar. Aber was, wenn man Lipide – insbesondere LDL – im Kontext von Low-Carb komplett anders bewerten muss? Was, wenn LDL nicht primär als Risikomarker, sondern funktional als Fetttransporter in einem alternativen metabolischen Zustand fungiert?

Damit betreten wir das Feld des Lipid-Energie-Modells – ein noch junges, aber zunehmend diskutiertes Paradigma, das insbesondere im Kontext ketogener oder sehr kohlenhydratarmer Ernährung relevant wird.

Das Lipid-Energie-Modell: Eine alternative Sichtweise

Das Lipid-Energie-Modell (LEM) wurde von Dave Feldman und anderen aus der Low-Carb-Community formuliert. Es basiert auf der Beobachtung, dass bei vielen gesunden, schlanken Personen unter ketogener Ernährung das LDL-C stark ansteigt – teils auf über 200–300 mg/dL –, ohne dass klassische kardiovaskuläre Risikomarker (wie CRP, Insulin, Triglyzeride, Nüchternblutzucker) erhöht sind. Diese Menschen werden als Lean Mass Hyper-Responder (LMHR) bezeichnet.

Die Grundannahme

  • In einem fettbasierten Energiezustand (z. B. bei Low-Carb/Keto) ist LDL nicht primär Risikomarker, sondern: Vehikel für die Mobilisierung und Verteilung von Energie – in Form von Triglyzeriden und Cholesterin.
  • In Abwesenheit von Kohlenhydraten wird Energie vermehrt in Form von Fetten (Triglyzeride) bereitgestellt.
    Diese Fette werden in VLDL-Partikeln aus der Leber exportiert, welche sich bei Lipolyse in LDL-Partikel umwandeln.
  • Je mehr Energie über Fett transportiert wird, desto mehr LDL-Partikel zirkulieren – nicht primär zur Cholesterinversorgung, sondern zur Energiebereitstellung.

Das Modell erklärt damit:

  • Warum schlanke, sportliche, insulinempfindliche Menschen unter Keto häufig besonders hohe LDL-Werte entwickeln.
  • Warum diese LDL-Werte nicht notwendigerweise atherogen wirken, da der Körper sie in einem anderen metabolischen Kontext erzeugt und nutzt.

Zentrale Prädiktoren im Lipid-Energie-Modell

Feldmans Beobachtungen zeigen ein klares Muster:

  • Je niedriger das Körperfett, je höher das HDL, je niedriger die Triglyzeride, desto höher ist typischerweise das LDL unter Low-Carb.
  • Der LDL-Anstieg korreliert also invers mit metabolischem Risiko – was gegen seine Nutzung als allgemeiner Risikomarker im Low-Carb-Kontext spricht.

Das bedeutet: Bei LMHRs ist LDL ein Surrogat für Fettmobilisierung – nicht für Entzündung oder metabolische Dysfunktion.

Vorläufige Evidenz: Beobachtung vs. Kausalität

Einige Querschnitts- und Bildgebungsstudien (z. B. Budoff 2023, KETO-CTA 2025) zeigten, dass diese LMHRs:

  • Trotz sehr hohem LDL keine nennenswerte koronare Plaquelast aufwiesen (im Vergleich zu Kontrollen),
  • und dass die Plaqueprogression über 1 Jahr nicht mit LDL korrelierte, sondern mit bereits bestehender Plaque.

Das stützt zumindest teilweise das Lipid-Energie-Modell – allerdings:

Langzeitdaten fehlen. Aktuell gibt es keinen belastbaren Beweis, dass extrem hohes LDL in diesem Kontext nicht atherogen ist. Auch wenn es nicht sofort zu Problemen führt, bleibt das langfristige Risiko ungeklärt.

Kritik und offene Fragen

Auch wenn das Modell metabolisch plausibel ist, bleiben wichtige Fragen:

  • Wie lange bleibt LDL „funktional“? Wird es im zirkulierenden Zustand oxidiert, modifiziert und damit doch atherogen?
  • Ist das Modell auf alle Low-Carb-Adaptierten übertragbar – oder nur auf LMHRs?
  • Wie beurteilt man Plaques in 10, 20 oder 30 Jahren? Gibt es eine kumulative Schadwirkung trotz metabolischer Gesundheit?

Die Fachwelt warnt:

LDL bleibt ein kausaler Treiber der Atherosklerose – auch wenn sein Risiko durch metabolische Gesundheit moduliert werden kann.

Fazit: Paradigmen in der Schwebe

Das Lipid-Energie-Modell ist eine spannende physiologische Hypothese, die wichtige Fragen über die Funktion von LDL im Energiehaushalt aufwirft – insbesondere bei Low-Carb-Adaptierten ohne metabolisches Risiko. Es stellt die Risikobewertung von LDL in diesem Sonderfall fundamental infrage.

Aber: Die klinische Beweislast liegt weiterhin auf Seiten der klassischen Lipid-Hypothese. Bis langfristige Outcome-Daten zeigen, dass LMHRs trotz hohem LDL keine erhöhte kardiovaskuläre Erkrankung haben, bleibt Vorsicht geboten.

Pragmatischer Vorschlag: LDL ist im Low-Carb-Kontext nicht automatisch gefährlich – aber auch nicht automatisch harmlos. Bildgebung (CAC, CCTA) und individuelle Risikoprofile sind bessere Instrumente als pauschale LDL-Grenzwerte.

Lipid-Energie-Modell und ApoB-Erhöhung bei Low-Carb-Ernährung

Hintergrund: Low-Carb-Diät und Lipidprofil

Ketogene und kohlenhydratreduzierte Diäten sind für ihre positiven metabolischen Effekte bekannt. Typischerweise führen sie zu Gewichtsabnahme, niedrigerem Nüchterninsulin, einem Rückgang der Triglyzeride sowie erhöhtem HDL-Cholesterin und reduzierten Entzündungsparametern (z. B. hsCRP). Ein Paradoxon dieser Ernährungsform ist jedoch die häufig beobachtete deutliche Erhöhung des LDL-Cholesterins und damit auch der Apolipoprotein-B-Konzentration (ApoB) in einigen Fällen – insbesondere bei jüngeren, schlanken Menschen ohne andere Risikofaktoren. Dieses Phänomen wirft die Frage auf, ob ein isoliert erhöhter ApoB-Wert in einem ansonsten günstigen metabolischen Umfeld als pathologisch (atherogen) oder möglicherweise als physiologisch (adaptiv) einzustufen ist. Im Folgenden werden die Hintergründe des sogenannten Lipid-Energie-Modells sowie aktuelle wissenschaftliche Erkenntnisse beleuchtet, um diese Frage kritisch zu bewerten.

Das Lipid-Energie-Modell: Mechanismus der LDL-Erhöhung unter Keto

Das Lipid-Energie-Modell (LEM) bietet eine Erklärung dafür, warum gerade schlanke Personen unter strikter Kohlenhydratrestriktion stark erhöhte Cholesterinwerte entwickeln. Bei geringer Kohlenhydratzufuhr steigt die Abhängigkeit des Körpers von Fetten als primäre Energiequelle. Dies geht mit einer erhöhten hepatischen VLDL-Produktion einher, um Fettsäuren (als Triglyzeride) zu peripheren Geweben zu transportieren. Gleichzeitig wird diese VLDL durch die Lipoproteinlipase in den Geweben rasch abgebaut, wobei LDL-Partikel entstehen, die cholesterinreich sind. Das Resultat ist ein charakteristisches Lipidprofil: stark erhöhtes LDL-Cholesterin (und ApoB) bei gleichzeitig sehr niedrigen Triglyzeriden und hohem HDL. Dieses Muster wird auch als Lean-Mass-Hyper-Responder (LMHR)-Phänotyp bezeichnet – typisch sind LDL-C-Werte teils über 300 mg/dL (vereinzelt >500 mg/dL) bei HDL ≈ 80–100 mg/dL und TG <50 mg/dL, ohne Anzeichen einer familiären Hypercholesterinämie. Kurz gesagt: Die drastische LDL/ApoB-Erhöhung unter Low-Carb wird als physiologische Anpassung an den Fettstoffwechsel interpretiert, bei der mehr Lipoproteine als „Energietransporter“ zirkulieren. Unterstützt wird dieses Modell durch Beobachtungen, dass der Ausmaß des LDL-Anstiegs invers mit dem Körperfettanteil korreliert – je schlanker die Person, desto größer die LDL-Erhöhung. Eine aktuelle Metaanalyse von 41 randomisierten Diätstudien bestätigt dies: Personen mit niedrigem BMI <25 zeigten unter Low-Carb-Diäten eine mittlere LDL-C-Zunahme um ~41 mg/dL, während bei Übergewichtigen kein Anstieg, und bei Adipösen (BMI ≥35) sogar ein leichter LDL-Rückgang beobachtet wurde. Diese Daten untermauern das Lipid-Energie-Modell und legen nahe, dass Kohlenhydratrestriktion per se – vor allem bei metabolisch Gesunden – der Treiber der LDL-Erhöhung ist, während die aufgenommene Fettmenge (z. B. gesättigte Fette) in jener Analyse interessanterweise keinen signifikanten unabhängigen Einfluss hatte. Dennoch bleibt die klinische Bedeutung dieser isolierten LDL/ApoB-Erhöhung unklar und wird kontrovers diskutiert.

Evidenz aus Studien: Risiken von erhöhtem ApoB im Low-Carb-Kontext

Um abzuschätzen, ob erhöhte ApoB-Werte unter Low-Carb pathologisch oder harmlos sind, lohnt ein Blick auf verschiedene Ebenen der Evidenz – von epidemiologischen Beobachtungen über klinische Studien bis hin zu bildgebenden Untersuchungen:

Veränderungen des Lipidprofils in klinischen Studien

Kurzfristige randomisierte Diätstudien zeigen konsistent, dass kohlenhydratreduzierte Diäten zwar Stoffwechselmarker verbessern (Gewicht, Blutdruck, HbA1c, TG), dabei aber im Durchschnitt das LDL-Cholesterin moderat erhöhen. Die mittelfristigen Auswirkungen auf „harte“ kardiovaskuläre Endpunkte sind mangels langer Follow-up-Zeiten bisher nicht durch RCTs belegt (Herzinfarkte treten innerhalb von 6–12 Monaten kaum auf). Allerdings unterstreichen prospektive Beobachtungsdaten ein potenzielles Risiko: In einer UK-Biobank-Analyse war eine selbstberichtet eingehaltene Low-Carb-High-Fat-Ernährung über ~12 Jahre mit signifikant höheren LDL-C- und ApoB-Werten assoziiert als eine Standardernährung und ging mit einem über 2-fach erhöhten Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse einher (9,8 % vs. 4,3 % Ereignisse; HR 2,18). Diese Daten stammen zwar aus einer relativ kleinen Subgruppe (305 LCHF-Anhänger) und basieren auf einer einmaligen Ernährungserhebung (Limitationen: Selbstselektion, unbekannte Langzeit-Adhärenz, mögliche Confounder wie höhere gesättigte Fettaufnahme) – dennoch liefern sie einen Warnhinweis, dass anhaltend hohes LDL/ApoB auch in metabolisch gesunden Kohorten mit mehr Herz-Kreislauf-Ereignissen korrelieren kann.

Ein weiterer indirekter Anhaltspunkt sind Studien an sonst gesunden Menschen mit isoliert hohem LDL: So zeigte die spanische PESA-Studie („Progression of Early Subclinical Atherosclerosis“), dass bereits bei mittelalten Probanden ohne klinische Vorerkrankung eine erstaunlich hohe Prävalenz subklinischer Atherosklerose besteht – und zwar oft unbemerkt, in Abwesenheit klassischer Risikofaktoren. Besonders auffällig: höhere LDL-Spiegel gingen mit deutlich häufigerem Nachweis von Plaques einher. Die untenstehende Grafik (Daten aus PESA) veranschaulicht, dass in der LDL-Kategorie <70 mg/dL praktisch niemand atherosklerotische Plaques hatte, während ab LDL ~130 mg/dL der Großteil der Probanden mindestens einen Plaque aufwies. Bei LDL-Werten >160 mg/dL fanden sich sogar bei ~80 % der vermeintlich „gesunden“ Personen Ablagerungen in mindestens einem arteriellen Gebiet. Diese Erkenntnis deckt sich mit der Tatsache, dass lebenslang erhöhte ApoB-Werte – etwa bei familiärer Hypercholesterinämie – stark mit frühzeitiger Atherosklerose verknüpft sind. Auch die 6-Jahres-Follow-up-Daten der PESA-Studie untermauern, dass LDL-C einer der stärksten Prädiktoren für das Fortschreiten subklinischer Plaques ist (neben Alter, Geschlecht, Blutdruck und Rauchen). Anders formuliert: Selbst bei jungen, metabolisch eigentlich gesunden Erwachsenen erhöht eine genügend lange und hohe LDL-„Exposition“ die Atherosklerosegefahr – ein Hinweis, dass auch im Low-Carb-Kontext ein hoher ApoB-Wert nicht folgenlos bleiben muss.

Bildgebende Untersuchungen: CAC- und CCTA-Studien

Die derzeit spannendsten Daten zu unserem Thema stammen aus bildgebenden Untersuchungen bei Low-Carb-Probanden. Eine aktuelle Studie des Lundquist Institute/Harbor-UCLA (publiziert 2025 in JACC: Advances) hat gezielt 100 Personen mit LMHR-ähnlichem Profil untersucht – also metabolisch gesunde, langjährig ketogen essende Individuen mit extrem hohem LDL/ApoB. Alle Probanden waren im Mittel ~55 Jahre alt, hatten seit ∼5 Jahren eine ketogene Diät und LDL-C ≥190 mg/dL (Durchschnitt ~272 mg/dL, Maximum 591 mg/dL) bei HDL ≥60 mg/dL und TG ≤80 mg/dL. Mittels Coronary-Artery-Calcium-Scan (CAC) und Koronar-CT-Angiografie (CCTA) wurde die Koronarplaquelast dieser Personen bestimmt und mit einer gematchten Kontrollgruppe (LDL ~123 mg/dL) verglichen. Ergebnis: Trotz des drastischen LDL-Unterschieds wiesen die Keto-Probanden keine höhere Koronargefäß-Kalklast oder Plaquemenge auf als die Kontrollen – der mediane CAC-Score lag in beiden Gruppen bei 0 und die summierte Plaquezahl in der CT war statistisch vergleichbar. Bemerkenswert war zudem, dass innerhalb der Keto-Gruppe kein linearer Zusammenhang zwischen LDL-Höhe und Plaqueausmaß bestand. Auch ein im Anschluss erhobenes einjähriges Follow-up dieser Kohorte fand keine Assoziation zwischen LDL/ApoB und dem Fortschreiten der Plaques – vielmehr stellte sich heraus, dass die Ausgangs-Plaquelast (falls überhaupt vorhanden) der stärkste Prädiktor für weitere Plaqueprogression war. Mit anderen Worten: Wer zu Studienbeginn bereits subklinische Atherosklerose hatte, entwickelte tendenziell mehr neue Plaques („Plaque begets plaque“), unabhängig vom LDL-Wert. Hohe LDL- und ApoB-Spiegel allein führten in dieser speziellen Gruppe kurzfristig offenbar nicht zu beschleunigter Atherosklerose. Diese Befunde stellen die klassische Lipid-Hypothese in Frage – zumindest für metabolisch gesunde Low-Carb-Responder – und werden von den Autoren als Argument gesehen, die kardiovaskuläre Relevanz der dietetisch bedingten Hypercholesterinämie neu zu bewerten. Gleichzeitig betonen die Forscher, dass solche Personen u. U. von einer individuellen Risikostratifizierung mittels Herz-CT profitieren könnten, um tatsächliche Plaquebelastung und Behandlungsbedarf besser abzuschätzen.

Einschränkend muss man sagen, dass diese LMHR-Studie eine mittlere Beobachtungsdauer von ~5 Jahren hatte – langfristige Effekte über Jahrzehnte bleiben unbekannt. Außerdem waren die Teilnehmer hochselektiert (keine FH-Genetik, keine Insulinresistenz, freiwillige Studienteilnahme), was einen sogenannten „Healthy User Bias“ nicht ausschließt. Einzelberichte existieren, die zeigen, dass nicht alle Low-Carb-Hypercholesterinämiker verschont bleiben: In einer Kasuistik entwickelte ein 51-jähriger „Lean Mass Hyper-Responder“ mit LDL-C ~250 mg/dL innerhalb von zwei Jahren eine deutliche Progression seiner Koronarsklerose, nachdem er seine Statintherapie abgesetzt und auf Keto-Diät umgestellt hatte. Solche Fälle erinnern daran, dass hohe ApoB-Werte prinzipiell atherogenes Potenzial tragen. Die Gesamtevidenz ist also ambivalent: Einerseits sprechen umfangreiche epidemiologische und genetische Daten für die Kausalität von ApoB-Partikeln bei der Atherogenese – unabhängig vom metabolischen Kontext. Andererseits deuten neuere Untersuchungen an speziellen Low-Carb-Kollektiven darauf hin, dass der metabolische Kontext die Wirkung von LDL/ApoB modulieren könnte und ein isolierter LDL-Anstieg hier weniger schädlich ist als befürchtet – zumindest kurzfristig.

Pathologisch oder physiologisch? – Kritische Bewertung

Aus heutiger Sicht gibt es keine endgültige Antwort darauf, ob ein isoliert erhöhter ApoB-Wert bei metabolisch gesunden Low-Carb-Anhängern als harmlos gelten kann. Die Frage „pathologisch vs. physiologisch“ sollte daher differenziert betrachtet werden:

  • Pro pathologisch: ApoB-tragende Lipoproteine (LDL, VLDL, Lp(a) etc.) sind die entscheidenden Träger des Cholesterins in der Gefäßwand. Mendel’sche Randomisierungsstudien und Interventionsstudien mit Lipidsenkern belegen klar, dass eine höhere kumulative ApoB-Belastung direkt mit mehr atherosklerotischen Ereignissen verknüpft ist – und dass Senkung von LDL/ApoB das Risiko dosisabhängig reduziert. Das gilt grundsätzlich auch bei sonst günstigen Blutwerten. Zudem wird argumentiert, dass bei einer Keto-Diät zwar Entzündungsmarker niedrig sind, jedoch die absolute Zahl der LDL-Partikel so hoch ist, dass sie über Jahre/Jahrzehnte dennoch genügend Schaden anrichten können (jede LDL-Partikel kann theoretisch in die Intima eindringen). Daten aus Studien wie PESA zeigen, dass auch junge, schlanke Menschen ohne klassischen Risikoprofile überraschend häufig subklinische Atherosklerose haben, wenn ihr LDL erhöht ist – offenbar macht sich die Gefäßalterung dann lediglich klinisch erst später bemerkbar. Kurz gesagt: Aus präventivmedizinischer Sicht sprechen viele Anzeichen dafür, dass “erhöhtes LDL ist erhöhtes LDL”, selbst wenn die Begleitumstände günstig sind.
  • Pro physiologisch: Auf der anderen Seite gibt es Hinweise, dass der qualitative Kontext der Hypercholesterinämie eine Rolle spielt. Bei Low-Carb-induzierten LDL-Erhöhungen handelt es sich meist um große, cholesterolreiche LDL-Partikel, oft begleitet von hohen HDL-Spiegeln und sehr niedrigen Triglyzeriden – ein Profil, das nicht dem klassischen atherogenen Lipidprofil des metabolischen Syndroms entspricht. Tiermodelle und Zellstudien deuten an, dass eine entzündungsarme Umgebung und stabile Insulinspiegel die Endothelfunktion begünstigen – eventuell wird die Endothelpermeabilität für LDL und die Makrophagen-Aufnahme von LDL in einem weniger entzündeten Milieu reduziert. Klinisch konnte in der erwähnten LMHR-Studie trotz massivem LDL-Anstieg keine Zunahme der Plaques festgestellt werden. Möglicherweise wird ein Teil des LDL-Cholesterins in diesem Zustand verstärkt für hormonelle Funktionen und Zellaufbau genutzt, statt sich in Gefäßen abzulagern – diese hypothetische Idee ist jedoch noch nicht belegt. Befürworter der physiologischen Sicht sprechen auch von „Pattern A“-LDL (große, fluffige Partikel) vs. „Pattern B“-LDL (kleine, dichte Partikel) und vermuten, dass erstere weniger gefäßschädlich seien. Allerdings ist zu beachten, dass bei wirklich hohen ApoB-Zahlen auch große Partikel in großer Anzahl vorhanden sind. Schließlich darf man nicht vergessen, dass nicht jeder Mensch mit hohem LDL zwangsläufig Atherosklerose entwickelt – es gibt genetisch bedingte Unterschiede in der Suszeptibilität, und einzelne FH-Patienten bleiben z. T. bis ins hohe Alter ohne Ereignis. Solche Beobachtungen mahnen zur Besonnenheit: Ein einzelner Risikofaktor wie ApoB wirkt stets im Zusammenspiel mit anderen Faktoren (Entzündung, Endothelgesundheit, oxidativer Stress, usw.). Im speziellen Keto-Kontext könnten schützende Faktoren (hohes HDL, wenig Glykolyse-Nebenprodukte, geringe Glykation, niedriger Blutdruck) das Mehr an LDL teilweise kompensieren.

Fazit dieser Abwägung: Aktuell überwiegt unter Präventivmedizinern die Auffassung, dass eine isolierte ApoB-Erhöhung nicht einfach als „physiologisch ungefährlich“ abgetan werden sollte. Vielmehr handelt es sich um eine potentielle Gefahrenkonstellation, deren tatsächliches Risiko individuell unterschiedlich ausfallen kann. Solange definitive Langzeitdaten fehlen, empfiehlt die Mehrheit der Experten vorsichtshalber, einen erhöhten ApoB-Wert auch bei Low-Carb-Patienten ernst zu nehmen, wenngleich nicht in jedem Fall sofort medikamentös zu intervenieren ist. Anders formuliert: Es könnte sich zwar um eine Adaptation handeln, aber eine, die latent pathologisch wirkt – insbesondere über sehr lange Zeiträume. Daher gilt es, den Kontext genau zu analysieren und den Entscheid zur Therapie individualisiert zu treffen.

Klinische Interpretation und Empfehlungen für die Praxis

Für Ärzt:innen stellt die Beurteilung von Low-Carb-Patienten mit hohen LDL/ApoB-Werten eine Herausforderung dar. Nachfolgend eine praxisorientierte Anleitung zur strukturierten Vorgehensweise und Risikostratifizierung:

  1. Differenzierte Lipidmessung: Bei auffällig erhöhtem LDL-Cholesterin unter Low-Carb sollte zunächst ApoB (oder alternativ LDL-Partikelzahl via NMR) bestimmt werden. So lässt sich feststellen, ob tatsächlich die Zahl der atherogenen Partikel erhöht ist oder ob lediglich die Cholesterol-Beladung pro Partikel zugenommen hat. Befund: Ist ApoB nicht erhöht trotz LDL-Anstieg, spricht dies für große LDL-Partikel ohne vermehrte Partikelzahl – die Situation kann tendenziell als weniger bedenklich eingestuft und der Patient beruhigt werden. Liegt hingegen ein klar erhöhter ApoB-Wert vor (d. h. viele LDL-Partikel), besteht ein potentiell atherogenes Profil.
  2. Sekundäre Ursachen ausschließen: Parallel sollte geprüft werden, ob andere Faktoren zur Hypercholesterinämie beitragen. Dazu gehören ein Check der Schilddrüsenfunktion (Hypothyreose ausschließen), Medikationsanamnese (z. B. Einfluss von Diuretika, Retinoiden etc.), sowie eine Familienanamnese auf frühzeitige koronare Herzkrankheit (Hinweis auf genetische Dyslipidämie). Falls eine familiäre Hypercholesterinämie (FH) vermutet wird (z. B. LDL > 190 mg/dL seit Jugend, Sehnenxanthome, positive Familienanamnese), ist die Situation anders zu bewerten – solche Patienten haben unabhängig von Diät ein sehr hohes Risiko und sollten nach Leitlinien behandelt werden. Bei einer rein diätetischen Genese (kein FH) kann man hingegen weitere konservative Schritte erwägen.
  3. Zeitfaktor und Verlaufsbeobachtung: Wichtig ist, den Verlauf der Lipiderhöhung zu berücksichtigen. Ist der Anstieg erst mit der Diätumstellung aufgetreten und befindet sich der Patient eventuell noch in der Gewichtsabnahmephase? Rasche Gewichtsreduktion kann temporär das LDL erhöhen – einige Experten vermuten, dass dieser Effekt nach ca. 6–12 Monaten Stabilisierung der Gewichtskurve teilweise nachlässt. Daher kann es sinnvoll sein, ohne weitere Risikofaktoren zunächst diätetisch weiter zu beobachten und nach einigen Monaten erneut das Lipidprofil inklusive ApoB zu kontrollieren, bevor therapeutische Schritte eingeleitet werden. Ein moderater Rückgang des LDL/ApoB nach Stabilisierungsphase würde die Dringlichkeit einer Intervention vermindern.
  4. Risikostratifizierung mittels Bildgebung: Besteht die isolierte LDL/ApoB-Erhöhung weiter, sollte im nächsten Schritt das tatsächliche Atheroskleroserisiko individueller abgeschätzt werden. Klassische Risikorechner (z. B. SCORE2 oder ASCVD Risk Calculator) stoßen hier an Grenzen, da ein 30- oder 40-jähriger Patient trotz hohen LDL aufgrund des jungen Alters oft als „niedrigrisikoklassifiziert“ wird – das Risiko wird möglicherweise unterschätzt. Daher bieten sich bildgebende Verfahren zur Erfassung subklinischer Atherosklerose an.

    Zwei Optionen sind:
    • Koronarer Kalziumscore (CAC): Ein niedrigschwelliger, nicht-invasiver CT-Test, der Kalkablagerungen in den Koronargefäßen quantifiziert. Ein Ergebnis von CAC = 0 (kein Nachweis von Verkalkungen) bei einem >40-jährigen Patienten spricht für eine geringe aktuelle Plaquelast und erlaubt einige Beruhigung hinsichtlich kurz- bis mittelfristigem Herzinfarktrisiko. In diesem Fall könnte man – immer vorausgesetzt der Patient bleibt unter engmaschiger Beobachtung – vorerst auf aggressive Lipidsenkung verzichten und den Verlauf z. B. in 2–3 Jahren erneut mittels CAC überprüfen. CAC > 0 hingegen (besonders Werte >100 oder über dem Alters- und Geschlechtsdurchschnitt) weisen auf beginnende Atherosklerose hin. Damit hätte die LDL-Erhöhung bereits Spuren hinterlassen, was eher für eine behandlungsbedürftige, pathologische Konstellation spricht. Die Entscheidungsgrenze kann hier individuell gesetzt werden; viele Experten würden bei einem nachgewiesenen CAC bereits zu aktiverem Eingreifen raten.Koronar-CT-Angiografie (CCTA): Bei unklaren Fällen oder sehr hohen LDL-Werten kann eine CCTA erwogen werden. Sie bildet auch nicht verkalkte (weiche) Plaques ab, die gerade bei jüngeren Patienten (CAC=0) vorhanden sein können. Die CCTA liefert die Gesamtplaque-Belastung und Plaque-Morphologie. Studien an LMHR-Patienten zeigten, dass die Gesamtplaque an sich ein wichtiger Prädiktor ist – z. B. wenn bereits weiche Plaques vorliegen, ist dies ein Alarmzeichen trotz jungem Alter. Allerdings ist die CCTA mit mehr Aufwand, Kosten und Strahlenexposition verbunden; sie wird primär bei bereits auffälligem CAC oder bei Symptomen eingesetzt. Für die reine Risikostratifizierung asymptomatischer Low-Carb-Patienten bleibt der CAC-Scan meist der Vorzug.
    (Anmerkung: Auch ein Carotis-Intima-Media-Dicken-Ultraschall (cIMT) kann subklinische Atherosklerose anzeigen. Er ist günstig und ohne Strahlung, jedoch störanfälliger und weniger standardisiert als CAC. Ein fortgeschrittenes cIMT-Alter oder Plaques an der Halsschlagader wären ebenfalls Argumente, die Diät-induzierte LDL-Erhöhung als pathologisch zu werten.)
  5. Lebensstilmodifikation gezielt anpassen: Unabhängig von der Bildgebung (oder spätestens bei Plaquenachweis) sollte versucht werden, das Lipidprofil diätetisch zu optimieren, ohne den Low-Carb-Grundgedanken komplett aufzugeben. Konkret empfehlen Experten folgende Schritte, um LDL/ApoB zu senken, während metabolische Vorteile erhalten bleiben:
    • Gesättigte Fette reduzieren: Insbesondere solche, die bekanntermaßen LDL stark erhöhen (z. B. Butter, Sahne, fetter Käse, Kokosöl), sollten zugunsten von ungesättigten Fetten (Olivenöl, Avocado, Nüsse) vermindert werden. Auch innerhalb einer ketogenen Diät lässt sich die Fettsäurezusammensetzung verschieben.
    • Proteinanteil erhöhen: Einen Teil der Energie aus Fetten kann durch mageres Protein ersetzt werden. Ein höherer Proteinanteil (bei weiterhin niedrigen Kohlenhydraten) kann das LDL tendenziell senken und fördert gleichzeitig Sättigung und Muskelerhalt.
    • Kohlenhydrate moderat erhöhen: In Absprache mit dem Patienten kann erwogen werden, die Netto-Kohlenhydratmenge schrittweise zu steigern (z. B. von 20 g auf 50–100 g täglich), bis zu einem Punkt, an dem LDL deutlich fällt, aber metabolische Marker (Glukose, Insulin) weiterhin im Normbereich bleiben. Manche „Hyper-Responder“ finden so ein individuelles Gleichgewicht. Wichtig ist, gesunde Kohlenhydrate (Gemüse, Beeren, ggf. Hülsenfrüchte) zu wählen.
    Nach diesen Anpassungen sollte man nach einigen Wochen erneut ApoB/Lipidwerte messen. Nicht selten normalisiert sich ein zuvor extremes LDL unter diesen Modifikationen zumindest teilweise.
  6. Medikamentöse Therapie und Follow-up: Zeigen obige Maßnahmen keine ausreichende Wirkung und besteht nach wie vor ein hohes Risikoprofil (z. B. persistierend ApoB >>130 mg/dL, LDL-C >~4,9 mmol/L bzw. 190 mg/dL, oder Nachweis von Plaque), wird eine pharmakologische Intervention empfohlen. Leitlinien-gemäß sind Statine Mittel der Wahl, gegebenenfalls kombiniert mit Ezetimib, um das ApoB-tragende Lipoproteinaufkommen zu reduzieren. Bei sehr hohen Werten oder Unverträglichkeit können auch PCSK9-Inhibitoren in Erwägung gezogen werden. Wichtig ist, den Patienten in die Entscheidungsfindung einzubeziehen – manche präferieren eine medikamentöse LDL-Senkung, um ihre Diät beibehalten zu können, andere möchten zunächst ohne Medikamente auskommen. In jedem Fall sollten solche Patienten engmaschig nachverfolgt werden. Dazu gehört eine jährliche Kontrolle von Lipidprofil (inkl. ApoB), Blutzucker/HbA1c, Nieren- und Leberwerten sowie ggf. wiederholte bildgebende Kontrollen (CAC alle paar Jahre, wenn initial Plaque festgestellt wurde, allerdings ohne seriale Überbewertung; primär zur Neubewertung nach ~5 Jahren oder bei Symptomen).

Risikodifferenzierung: Nicht zuletzt sollte man zusätzliche Faktoren berücksichtigen, um das Risiko besser einzuschätzen. Dazu gehören Lipoprotein(a)-Messung (ein hoher Lp(a) ist ein eigenständiger Risikotreiber und könnte bei Low-Carb zusätzlich ungünstig wirken), Familienanamnese (frühere Herzinfarkte in der Verwandtschaft deuten auf geringere Toleranz für hohes LDL hin), sowie Dauer der Diät (je länger ein Patient bereits mit hohem LDL lebt, desto eher könnte sich Atherosklerose manifestieren). Insgesamt gilt: Je höher und länger anhaltend der ApoB-Wert, desto eher ist von einer pathologischen Relevanz auszugehen – besonders wenn zusätzliche Risikofaktoren vorliegen oder Plaques bereits sichtbar sind. Umgekehrt kann man bei moderat erhöhten Werten, kurzer Expositionsdauer und völlig unauffälliger Gefäßbildgebung durchaus zunächst konservativ bleiben. Wichtig ist eine individuelle, evidenzbasierte Entscheidungsfindung.

Schlussfolgerung

Zusammenfassend ist das Phänomen isoliert erhöhter ApoB-Werte bei jungen, metabolisch gesunden Low-Carb-Anwendern ein Dilemma der modernen Lipidologie. Das Lipid-Energie-Modell liefert eine plausible physiologische Erklärung für die Entstehung dieses Profils. Aktuelle Studien zeigen einerseits beunruhigende Zusammenhänge zwischen LDL/ApoB und Atheroskleroserisiko selbst in gesunden Populationen, andererseits deuten spezielle Untersuchungen bei Keto-Patienten auf eine mögliche Risikorelativierung durch den metabolischen Kontext hin. Bislang gibt es keinen Konsens, dieses LDL-Phänomen als völlig unbedenklich einzustufen – zu groß ist das Gewicht jahrzehntelanger Evidenz, die ApoB als kausalen Faktor der Arteriosklerose identifiziert. Praktisch bedeutet dies: Ein erhöhter ApoB-Wert im Low-Carb-Kontext sollte nicht ignoriert, sondern ganzheitlich interpretiert werden. Kliniker sind angehalten, kontextsensitiv vorzugehen – mittels weiterführender Diagnostik (ApoB-Bestimmung, ggf. Bildgebung) und gegebenenfalls frühzeitiger Intervention – anstatt pauschal zu Entwarnung oder Alarm zu neigen. Letztlich dürfte es Fälle geben, in denen die Hypercholesterinämie vorübergehend und harmlos ist (physiologische Adaptation), und andere, in denen sie ein erster Vorbote einer künftigen Pathologie ist. Die Kunst besteht darin, diese Fälle auseinanderzuhalten. Künftige Langzeitstudien und RCTs (etwa zur aggressiven LDL-Senkung bei Low-Carb-Patienten) werden hoffentlich mehr Klarheit bringen. Bis dahin sollte das Motto lauten: „So viel Prävention wie nötig, so wenig Intervention wie möglich“, stets orientiert am individuellen Risikoprofil des Patienten.

LDL/ApoB-Ratio (LAR): Ein unterschätzter Schlüssel zur Interpretation erhöhter LDL-Werte bei Low Carb

Bei vielen Menschen, die sich kohlenhydratarm oder ketogen ernähren, ist eine moderate bis deutliche Erhöhung des LDL-Cholesterins (LDL-C) zu beobachten. Dies hat immer wieder zu Unsicherheit geführt – sowohl bei Betroffenen als auch bei medizinischem Fachpersonal: Bedeutet ein erhöhtes LDL automatisch ein erhöhtes Risiko? Oder hängt das Risiko stärker von der Qualität der LDL-Partikel ab – insbesondere von ihrer Größe und Dichte?

Es sind primär die kleinen LDL Partikel, die das grösste atherogene Potential besitzen. Mit Hilfe der LDL / ApoB Ratio kann die Partikelgrösse bestimmt werden.

Ein zunehmend anerkanntes Werkzeug zur Einschätzung dieser Partikelqualität ist die sogenannte LDL-C/ApoB-Ratio (LAR). Da jedes atherogene Partikel nur ein ApoB-Molekül trägt, erlaubt diese Ratio eine Näherung an die durchschnittliche Cholesterinmenge pro Partikel – und damit indirekt Rückschlüsse auf die Partikelgröße:

  • Ein hoher LAR-Wert (z. B. ≥ 1.3) spricht für große, weniger dichte LDL-Partikel („pattern A“)
  • Ein niedriger LAR-Wert (z. B. < 1.2) deutet auf kleine, dichte und proatherogene sdLDL-Partikel hin („pattern B“)

In einer großen NHANES-Auswertung mit über 12.000 Teilnehmenden konnte nun gezeigt werden, dass ein niedriger LAR-Wert (< 1.2) signifikant mit erhöhter kardiovaskulärer und Gesamtsterblichkeit assoziiert war – unabhängig von klassischen Risikofaktoren, Triglyzeriden oder Medikamenteneinnahme (PMID: 37480052).

Kontext Low Carb: Erhöhtes LDL – aber wie groß sind die Partikel?

Personen, die sich Low Carb oder ketogen ernähren, zeigen häufig:

  • niedrige Triglyzeride
  • hohes HDL
  • erhöhtes LDL-C
  • aber oft auch einen hohen LAR-Wert, d. h. wenige, große LDL-Partikel

Diese Konstellation weist auf ein weniger atherogenes Partikelprofil hin. Während also das LDL-C isoliert betrachtet erhöht erscheint, könnte die Risikoqualität des LDLs im Kontext metabolischer Gesundheit und hoher LDL/ApoB-Ratio niedriger sein als erwartet.

Was bedeutet das für die Praxis?

  • Eine isolierte Erhöhung des LDL-C unter Low-Carb-Bedingungen sollte nicht automatisch als pathologisch gewertet werden.
  • Entscheidend ist, ob ApoB ebenfalls erhöht ist – und wie sich daraus die LAR ergibt.
  • Bei hoher Ratio (z. B. > 1.3) und sonst gesunder Stoffwechsellage kann das Risiko geringer sein als bei einer niedrigen Ratio, selbst wenn das absolute LDL-C gleich ist.
  • Eine LAR < 1.2 hingegen könnte auf ein proatherogenes LDL-Muster hinweisen – auch bei „normalem“ LDL-C.

Fazit: Mehr Kontext, weniger Panik

Die LDL-C/ApoB-Ratio bietet einen einfachen, kostengünstigen und klinisch relevanten Marker, um die Qualität einer LDL-Erhöhung besser einzuschätzen. Besonders bei Lebensstilmodellen mit kohlenhydratarmer Ernährung liefert sie eine differenziertere Risikoprognose als LDL-C allein.

Bei jungen, gesunden, schlanken Menschen spricht ein hohes HDL, niedrige Triglyzeride, niedriger BMI, sowie niedrige Insulinwerte für exzellente metabolische Gesundheit. Wie genau in einem solchen Fall ein isoliert erhöhtes LDL unter kohlenhydratrestriktiver Ernährung zu bewerten ist, ist wissenschaftlich noch nicht abschliesend geklärt. Im Rahmen des Lipid-Energie-Modells spricht vieles dafür, dass das LDL in diesem Fall ausschliesslich als harmloser Fetttransporter agiert.

Die Oreo Cookie Studie: Kekse effektiver als Statine?

Um die These zu untermauern, dass LDL bei jungen, gesunden Menschen unter kohlenhydratrestriktiven Bedingungen kein hilfereicher Risikomarker ist, führten Norwitz et al. kürzlich die “Oreo Cookie Studie” durch. Ziel war es zu beweisen, dass ein solcher metabolisch gesunder Mensch sein LDL innnerhalb von Tagen senken kann, wenn er einfach wieder viel Zucker isst.

In der Studie führte ein 27-jähriger Mann, der eine ketogene Diät zur Behandlung seiner Colitis ulcerosa einhielt, ein Crossover-Experiment durch. In der ersten Phase konsumierte er 16 Tage lang täglich 12 Oreo-Kekse (ca. 100 g Kohlenhydrate), wobei die Ketose durch exogene Ketonsupplemente aufrechterhalten wurde. Sein LDL-Cholesterin sank dabei von 384 mg/dL auf 111 mg/dL – eine Reduktion von 71 %. Nach einer dreimonatigen Rückkehr zur ketogenen Diät stieg der LDL-Wert wieder auf 421 mg/dL. In der zweiten Phase erhielt er sechs Wochen lang täglich 20 mg Rosuvastatin, was den LDL-Wert auf 284 mg/dL senkte – eine Reduktion von nur 32,5 %.

In einem LMHR Phänotyp unter Kohlenhydratrestriktion hat die Wiedereinführung von Kohlenhydraten einen grösseren Effekt auf LDL als eine Statintherapie.

Diese Ergebnisse deuten darauf hin, dass die kurzfristige Wiedereinführung von Kohlenhydraten in die Ernährung bei LMHRs den LDL-Cholesterinspiegel effektiver senken kann als hochdosierte Statintherapie. Die Autoren betonen jedoch, dass es sich um eine Einzelfallstudie handelt und keine allgemeine gesundheitliche Empfehlung darstellt.

Abschließend verdeutlicht diese Einzelfallstudie eine zentrale Erkenntnis: LDL-Cholesterinwerte dürfen nicht isoliert betrachtet werden, insbesondere nicht bei jungen, schlanken und metabolisch gesunden Menschen, die sich kohlenhydratarm oder ketogen ernähren. Die drastische Senkung des LDL-Wertes durch den gezielten Einsatz von Kohlenhydraten – stärker als durch hochdosierte Statintherapie – zeigt, dass LDL bei bestimmten Menschen kein fixer Marker, sondern ein dynamischer Parameter ist, der stark von der metabolischen Situation und dem Energietransport im Körper abhängt.

Diese Ergebnisse werfen die Frage auf, ob es wirklich sinnvoll ist, bei jedem Menschen mit erhöhtem LDL-Wert automatisch eine aggressive medikamentöse Therapie zu beginnen. Denn während LDL in vielen epidemiologischen Studien mit erhöhtem kardiovaskulären Risiko assoziiert ist, stellt sich immer wieder die Frage, inwieweit dieser Zusammenhang kausal ist – besonders in Populationen mit niedriger Entzündung, niedrigen Triglyzeriden, hohem HDL und insgesamt stabiler Stoffwechsellage. In solchen Fällen könnte ein erhöhtes LDL eher ein physiologisches Begleitphänomen der gesteigerten Fettsäuremobilisierung als ein pathologischer Risikofaktor sein.

Die Wissenschaft hat bislang keine abschließende Antwort auf diese Fragen gefunden. Es mehren sich aber Hinweise, dass das kardiovaskuläre Risiko aus einem komplexen Zusammenspiel vieler Faktoren entsteht, darunter systemische Entzündung, Insulinresistenz, oxidativer Stress, Lebensstil und genetische Prädisposition. Ein hoher LDL-Wert in einem gesunden Gesamtstoffwechselmilieu hat womöglich eine andere Bedeutung als derselbe Wert in einem Kontext von chronischer Entzündung, Adipositas oder metabolischem Syndrom.

Fazit: LDL-Cholesterin sollte nicht dogmatisch, sondern individualisiert im Kontext der Gesamtgesundheit bewertet werden. Eine einheitliche Therapieempfehlung für alle Menschen mit hohem LDL – unabhängig von Alter, Lebensstil und metabolischer Gesundheit – wird der biochemischen und klinischen Realität wahrscheinlich nicht gerecht.


LDL-Cholesterin und die „Diet-Heart“-Hypothese

Die LDL-Hypothese der Herz-Kreislauf-Erkrankungen besagt, dass erhöhtes LDL-Cholesterin kausal an der Entstehung der Arteriosklerose beteiligt ist. Tatsächlich zeigen zahlreiche epidemiologische Studien, dass hohe LDL-Spiegel mit einem erhöhten Risiko für koronare Herzkrankheit einhergehen. Darauf basiert die traditionelle Diet-Heart-Hypothese: Durch den Ersatz gesättigter Fettsäuren (erhöhen LDL) durch mehrfach ungesättigte Fettsäuren – vor allem Linolsäure-haltige Pflanzenöle – soll das LDL-Cholesterin gesenkt und in der Folge Herzinfarkte verhindert werden. Statine und andere LDL-senkende Therapien reduzieren in kontrollierten Studien tatsächlich Herzinfarkte, was die LDL-Hypothese stützt.

Allerdings blieb der direkte Nachweis der Diät-Herz-Hypothese (“Lipidhypothese”) in randomisierten Ernährungsstudien erstaunlich aus. Als historisches Beispiel gilt das Minnesota Coronary Experiment (MCE) (1968–73), die größte jemals durchgeführte Diät-Studie mit ~9.570 Patienten. Hier wurde in einer doppelblinden RCT gesättigtes Fett (z. B. Butter) durch Maiskeimöl (reich an n‑6 Linolsäure) ersetzt. Erwartungsgemäß sank das Serumcholesterin im Interventionsarm deutlich (im Mittel um ~14 %, p<0,001). Überraschend zeigte sich jedoch kein Vorteil bei den klinischen Endpunkten: Weder die Gesamtmortalität noch koronare Todesfälle wurden durch die LA-reiche Diät reduziert. Im Gegenteil fand die Nachanalyse der Originaldaten sogar einen Trend zu höherer Sterblichkeit bei starker Cholesterinsenkung – pro 30 mg/dl Cholesterolverringerung stieg das Sterberisiko um 22% (HR 1,22; 95%-KI 1,14–1,32). Dieses Ergebnis illustriert die Diskrepanz zwischen den klaren epidemiologischen Cholesterin-Risikokurven und der fehlenden experimentellen Bestätigung durch Diätstudien.

Schematische Darstellung der Diet-Heart-Hypothese. A) Der Austausch gesättigter Fette durch LA-reiche Pflanzenöle senkt zuverlässig das Serumcholesterinpubmed.ncbi.nlm.nih.gov (gesicherter Zusammenhang, blaue Vollinie). B) In Beobachtungsstudien ist ein niedrigeres Cholesterin robust mit weniger koronaren Ereignissen assoziiert (Statistischer Zusammenhang, gestrichelte Linie B). C) Allerdings konnten RCTs bislang nicht konsistent zeigen, dass eine LA-reiche Diät zu weniger Herzinfarkten oder Todesfällen führt (kein bewiesener Kausalzusammenhang, gestrichelte Linie C). Dieses „fehlende Glied“ ruft nach Erklärungsansätzen jenseits der reinen LDL-Senkung.

Evidenz aus Ernährungsstudien: Gesättigte vs. mehrfach ungesättigte Fettsäuren

In den 1960–70er Jahren wurden mehrere randomisierte Diätstudien durchgeführt, um die Diet-Heart-Hypothese zu prüfen. Die Ergebnisse dieser RCTs zur Fettsäuren-Substitution waren jedoch uneinheitlich oder enttäuschendsciencedaily.compubmed.ncbi.nlm.nih.gov:

  • Minnesota Coronary Experiment: (siehe oben) Trotz deutlich gesenktem Cholesterin keine Reduktion der koronaren Sterblichkeit; bei älteren Patienten mit starkem Cholesterinabfall sogar erhöhte Mortalität.
  • Sydney Diet Heart Study: RCT (1966–73) bei 458 Männern mit KHK, die tierische Fette durch Safloröl (reich an n‑6 Linolsäure, kein n‑3) ersetzten. Ergebnis: Die Interventionsgruppe zeigte signifikant höhere Sterblichkeit an koronarer Herzkrankheit und insgesamt im Vergleich zur Kontrollgruppe
  • Eine Meta-Analyse einschl. dieser Daten ergab keinerlei Hinweis auf kardiovaskulären Nutzen durch reine n‑6-PUFA-Erhöhung, vielmehr einen möglichen Schaden. Dieses Resultat stellt die „gesättigtes Fett schlecht, Omega‑6 gut“-Dogmatik infrage.
  • Los Angeles Veterans Study: Langzeit-RCT (8 Jahre, 846 Männer) in einem Veteranenheim. Hier führte die LA-reiche Diät zwar zu weniger Herzinfarkten, jedoch zeigte sich kein Überlebensvorteil, da nicht-kardiale Todesursachen (u. a. Krebs) in der Interventionsgruppe häufiger auftraten. Somit neutralisierten sich Vor- und Nachteile.
  • MARGARIN-Trial: Moderne niederländische Studie (2000er) bei Personen mit hohem kardiovaskulärem Risiko. Untersucht wurde der Effekt einer ALA-reichen Margarine (α-Linolensäure, n‑3) vs. einer LA-reichen Margarine (n‑6), teils kombiniert mit Ernährungsschulung. Nach 2 Jahren zeigten sich kaum Unterschiede in Risikofaktoren: Beide PUFA-Diäten senkten das berechnete 10-Jahres-Risiko für KHK in ähnlichem Ausmaß. Ein deutlicher kardiovaskulärer Vorteil durch Ersatz gesättigter Fettsäuren mit vorwiegend Linolsäure ließ sich also auch hier nicht eindeutig nachweisen.

Zusammengefasst senkt der Ersatz gesättigter Fette durch linolsäurereiche Öle zwar konsistent das LDL-Cholesterin, doch führt dies in kontrollierten Studien nicht zuverlässig zu weniger Herzinfarkten. Diese Befunde wecken Zweifel, ob die alleinige LDL-Senkung über die Ernährung der Schlüssel zum Erfolg ist – oder ob andere Mechanismen eine Rolle spielen, die den Nutzen aufheben.

Die OXLAM-Hypothese: Oxidative Metabolite als fehlender Mechanismus?

Eine vorgeschlagene Erklärung für die ausbleibenden Erfolge ist die OXLAM-Hypothese. Oxidized Linoleic Acid Metabolites (OXLAMs) sind oxidative Abbauprodukte der Linolsäure, die entstehen, wenn überschüssige LA in Lipiden (z. B. LDL-Partikeln oder Zellmembranen) oxidiert wird. Chemisch gehören dazu z. B. 9- und 13-Hydroxyoctadecadien­säure (9-HODE, 13-HODE) und weitere Oxidationsprodukte. Wichtig ist: Linolsäure ist hochoxidierbar – sie ist die am leichtesten oxidierbare Fettsäure im LDL. Wenn LDL-Partikel einen hohen LA-Gehalt aufweisen, entstehen unter oxidativem Stress bevorzugt diese OXLAMs.

Wie könnten OXLAMs Arteriosklerose fördern? Experimentelle Befunde deuten auf mehrere pathogene Effekte hin: OXLAMs wirken direkt zytotoxisch auf das Endothel, indem sie Entzündungsreaktionen und oxidative Stresskaskaden auslösen. Zudem werden oxidierte LA-Metaboliten von Immunzellen erkannt – sie binden an Scavenger-Rezeptoren auf Makrophagen und können so die Einwanderung von Monozyten und Neutrophilen in die Gefäßwand fördern. In der Gefäßwand begünstigen OXLAMs die Bildung von Schaumzellen (durch unregulierte Aufnahme oxidierten LDLs in Makrophagen) und fördern einen proinflammatorischen Milieu, das das Fortschreiten der Plaque begünstigt. Tatsächlich findet man OXLAMs in atherosklerotischen Läsionen in hoher Konzentration, was ihre Beteiligung an der Plaquebildung nahelegt. Insgesamt könnte ein hoher LA-Konsum somit einen Zweischneideneffekt haben: Einerseits sinkt das LDL quantitativ, andererseits wird das verbleibende LDL „anfälliger“ für Oxidation, sodass vermehrt atherogene OXLAMs entstehen.

Auch systemische Effekte von OXLAMs werden diskutiert. So spielen LA-Metabolite eine Rolle in der Schmerz- und Entzündungsmodulation. Eine Studie von Ramsden et al. untersuchte Patienten mit chronischer Migräne: Durch eine Diät mit stark reduzierter Linolsäure (von ~7% auf 2% der Energie) und gleichzeitig hoher Omega‑3-Zufuhr sanken die Plasma-OXLAM-Spiegel, und die Patienten verzeichneten signifikant weniger Kopfschmerztage sowie eine bessere Lebensqualität. Im Vergleich dazu führte eine isolierte LA-Reduktion (ohne zusätzliche n‑3-Fettsäuren) kaum zu Verbesserungen. Dieses Ergebnis passt zur OXLAM-Hypothese: Weniger LA in der Nahrung bedeutet weniger oxidierte LA-Metaboliten im Körper – was hier zu reduzierten Entzündungsschmerzen (Migräne) korrelierte. Übertragen auf die Arteriosklerose könnte eine LA-reduzierte Ernährung analog das proinflammatorische OXLAM-Niveau im Gefäßsystem senken.

Sydney Diet-Heart Study

In einer 7-jährigen Studie hatten Teilnehmer, die Samenöle in Form von Distelölund Margarine aßen, eine 62% höhere Sterberate im Vergleich zur Gruppe, die Olivenöl und Butter aßen.
Quelle



Minnesota Coronary Experiment

In einer anderen Studie hatten Teilnehmer, die ihren Verzehr von Maisöl und Margarine (reich an Omega-6-Linolsäure) erhöhten, 86% mehr Herzinfarkte und für diejenigen, die 65 Jahre oder älter waren, ein höheres Sterberisiko nach 4 Jahren.
Quelle



MARGARIN Trial

In einer 2-jährigen randomisierten kontrollierten Studie hatten Teilnehmer, die Margarine mit mehr Linolsäure aus Samenölen aßen, 7-mal so viele Schlaganfälle, Herzinfarkte und Todesfälle durch Herz-Kreislauf-Erkrankungen wie die Gruppe, die Margarine mit niedrigerem Linolsäuregehalt aß.
Quelle

LA Veterans Study

In einer 8-jährigen Studie hatten die Teilnehmer, die mehr Öle aus Samen zu sich nahmen, ein 82% höheres Risiko, an Krebs zu sterben als die Kontrollgruppe, die weniger Öle aus Samen zu sich nahm. Trotz der Zufallsauswahl hatte die Kontrollgruppe 2-mal so viele schwere Raucher, aber immer noch deutlich weniger Krebssterbefälle.
Quelle



Migräne

In einer 16-wöchigen Studie bei Migränepatienten führte eine Reduzierung des Omega-6-Linolsäuregehalts (LA) von 7% auf 2,5% der Kalorienaufnahme zu einer Reduzierung der Kopfschmerzen um 30-40%.
Nur die Erhöhung des Omega-3-Gehalts half, aber auch die Reduzierung des Omega-6 war 2x so wirksam.
Quelle



Körperfett

In einer 9-wöchigen randomisierten kontrollierten Studie erhielten Frauen täglich ein fettiges Frühstück, das entweder Sojaöl (reich an Linolsäure) oder Olivenöl (geringer an Linolsäure) enthielt. Die Gruppe, die weniger Linolsäure zu sich nahm, verlor ~80% mehr Körperfett.
Quelle

Oxidierte Linolsäuremetaboliten (OXLAMs) und Arteriosklerose: Hypothese, Evidenz und Mechanismen

Einführung

Die Arteriosklerose (Atherosklerose) ist eine komplexe Erkrankung, bei der sich fetthaltige Plaques in den Arterienwänden bilden und zu Herz-Kreislauf-Erkrankungen führen. Eine etablierte Theorie besagt, dass oxidiertes LDL-Cholesterin (OxLDL) eine zentrale Rolle spielt. In den letzten Jahren wurde jedoch verstärkt die Hypothese diskutiert, dass oxidierte Linolsäuremetaboliten (OXLAMs) – also Oxidationsprodukte der Omega-6-Fettsäure Linolsäure – eine ursächliche Rolle bei der Entstehung von Arteriosklerose spielen. Hintergrund ist, dass Linolsäure (LA) die häufigste Fettsäure in LDL-Partikeln ist und in der modernen Ernährung (z.B. durch pflanzliche Omega-6-reiche Öle) in großen Mengen konsumiert wird. Befürworter der OXLAM-Hypothese argumentieren, dass eine übermäßige Zufuhr von LA zur vermehrten Bildung von OXLAMs führt, welche gefäßschädigende Wirkungen entfalten und so die Atherogenese antreiben. In diesem Bericht wird der aktuelle wissenschaftliche Kenntnisstand (Stand 2024/2025) zu dieser Hypothese zusammengefasst – einschließlich In-vitro-Befunden, Tierexperimenten, klinisch-observationalen Studien und Interventionsstudien am Menschen. Zudem werden die biochemischen Wirkmechanismen der OXLAMs, ihre Unterschiede zu anderen Lipidoxidationsprodukten sowie Kontroversen, methodische Limitationen und offene Fragen beleuchtet.

Die “oxidierte Linolsäure Hypothese” ist keine “Fringetheorie” mehr, sondern wurde bereits mehrfach in renommierten Journals behandelt, da die Evidenz dafür nicht zu ignorieren ist.

Was sind OXLAMs? Entstehung und Beispiele

Oxidierte Linolsäuremetaboliten (OXLAMs) sind eine Gruppe bioaktiver Lipidverbindungen, die durch Oxidation der zweifach ungesättigten Linolsäure (18:2 ω-6) entstehen. Sie können nicht-enzymatisch durch reaktive Sauerstoffspezies (ROS) oder enzymatisch durch Lipoxygenasen gebildet werden. Wichtige Vertreter sind z.B.:

  • Hydroxy-Fettsäuren: 9-Hydroxyoctadecadien-Säure (9-HODE) und 13-Hydroxyoctadecadien-Säure (13-HODE) – primäre Oxidationsprodukte, die entweder zufällig (als Racemate 9/13 R/S-HODE) oder durch 15-Lipoxygenase (S-Stereoisomer) entstehen.
  • Keto-Fettsäuren: 9-Oxooctadecadien-Säure und 13-Oxooctadecadien-Säure (9-oxoODE, 13-oxoODE) – entstehen durch weitere Oxidation der HODEs.
  • Reaktive Aldehyde: 4-Hydroxynonenal (4-HNE) und Malondialdehyd (MDA) – Abbauprodukte der Linolsäure-Peroxidation mit hochreaktiven Carbonylgruppen. 4-HNE entsteht z.B. verstärkt, wenn LA-haltige Öle stark erhitzt werden (z.B. Frittieren), was klinisch relevant ist – erhöhte 4-HNE-Spiegel wurden mit Herzinsuffizienz in Verbindung gebracht, und Kardiologen raten u.a. deshalb vom Verzehr frittierter Speisen ab.

Bildung in LDL: LDL-Partikel enthalten Linolsäure vor allem in ihren Cholesterinestern und Phospholipiden. LA ist die häufigste Fettsäure in LDL und zugleich sehr oxidationsanfällig. Bereits in frühen Stadien der LDL-Oxidation wird LA bevorzugt peroxidiert. Endothelzellen können z.B. durch oxidative Enzyme das vorbeiströmende LDL gezielt oxidieren und dabei v.a. Linolsäure-Hydroperoxide (HpODEs) erzeugen. Diese zerfallen oder werden zu stabileren HODEs und anderen OXLAMs reduziert.

OXLAMs im Körper: OXLAMs können frei vorliegen (z.B. als freie Fettsäuren im Plasma) oder kovalent an Lipoproteine und Zellbestandteile gebunden sein. So wurden OXLAMs in oxLDL-Partikeln und in atherosklerotischen Plaques nachgewiesen: Humanpathologische Studien zeigen, dass in Plaquematerial deutlich erhöhte Linolsäure-Oxidationsprodukte vorkommen und dass der Grad der Lipidoxidation mit dem Schweregrad der Atherosklerose korreliert. Speziell konnte 13(R)-HODE – ein nicht-enzymatisches LA-Oxidationsprodukt – mittels neuartiger Antikörper im Plaquegewebe menschlicher Karotiden immunhistochemisch lokalisiert werden. Interessanterweise dominiert in menschlichen Plaques offenbar das R-Isomer (oxidativer Stress-Ursprung) gegenüber dem S-Isomer (15-LOX-Ursprung). Dies deutet darauf hin, dass in der Gefäßwand eine starke nicht-enzymatische Oxidation von LA abläuft – trotz hoher 15-LOX-Aktivität im Plaque. Die Rolle von 15-LOX und enzymatischen LA-Metaboliten ist komplex (möglicherweise teils protektiv durch S-HODE via PPARγ-Aktivierung, siehe unten), während die unkontrolliert entstehenden R-Oxidationsprodukte als stärker pro-atherogen verdächtigt werden.

Zusammenfassend bilden OXLAMs eine vielfältige Klasse oxidierter Lipide, die in oxidativem Stress reichlich entstehen. Im Folgenden wird erörtert, wie diese OXLAMs auf Zellebene wirken und warum man annimmt, dass sie Arteriosklerose antreiben.

Wirkmechanismen: Wie OXLAMs atherogene Prozesse fördern

OXLAMs können über mehrere biochemische Wege zur Atherogenese beitragen. Sie wirken teils direkt zytotoxisch, teils als Signalmoleküle (danger signals) für Entzündungsreaktionen. Im Folgenden die wichtigsten Mechanismen, durch die OXLAMs pro-atherogen wirken könnten, und wie sie sich von anderen Oxidationsprodukten unterscheiden.

Ungesättigte Fette wie Linolsäure bieten aufgrund ihrer Doppelbindungen ein grösseres oxidatives Potential. Gleichzeitig ist die Linolsäure die häufigste Fettsäure in LDL Partikeln und damit das zentrale Substrat für die Oxidierung von LDL Partikeln. Gesättigte Fette hingegen können so gut wie gar nicht oxidieren.

Endotheliale Dysfunktion und Permeabilität

Eine intakte Endothelzellschicht schützt die Arterienwand, reguliert den Gefäßtonus und verhindert, dass zu viele Lipoproteine in die Gefäßwand gelangen. OXLAMs können das Endothel auf verschiedene Weise schädigen:

  • Direkte Toxizität: Studien zeigen, dass freie LA und ihre Hydroxy-Derivate (z.B. 13-HODE) direkt endothelschädigend sind. Sie induzieren in Endothelzellen oxidativen Stress (erhöhte ROS-Bildung) und inflammatorische Aktivierung, was sich in verstärkter Expression von Adhäsionsmolekülen (ICAM-1, VCAM-1) zeigt. Zudem können bestimmte OXLAMs in hohen Konzentrationen Apoptose im Endothel auslösen (z.B. wurde für lipolytisch freigesetzte oxidierte Fettsäuren aus Lipoproteinen eine endotheliale Apoptose und gestörte Zell-Zell-Kontaktstruktur beobachtet). Eine vorgeschädigte, durchlässigere Endothelbarriere erleichtert nachfolgend die Infiltration von LDL in die Intima.
  • Erhöhte LDL-Transzytose: Interessanterweise gibt es Befunde, dass die Präsenz von LA/OXLAMs selbst den Transport von LDL-Partikeln durch das Endothel steigern kann. In Zellkultur-Experimenten führte die Exposition des Endothels gegenüber LA zu einer Zunahme der LDL-Durchlässigkeit. Somit können hohe LA-Spiegel (und daraus entstehende OXLAMs) bereits früh die Ansammlung von LDL in der Gefäßwand fördern – ein Schrittmacher-Ereignis der Plaquebildung.
  • Stickoxid-Verlust: Obwohl nicht spezifisch nur durch OXLAMs ausgelöst, trägt oxidative Belastung durch OXLAMs zur Inaktivierung von NO (Stickstoffmonoxid) bei, indem vermehrt Superoxidanionen gebildet werden, die NO abfangen. Beispielsweise erhöht 4-HNE in Endothelzellen die Superoxid-Produktion und vermindert dadurch die NO-Verfügbarkeit. Ein NO-Mangel begünstigt Endotheldysfunktion und vasokonstriktorische sowie prothrombotische Zustände.

Insgesamt schwächen OXLAMs also die endotheliale Schutzfunktion: Sie verletzen das Endothel, steigern die LDL-Permeabilität und schaffen ein proinflammatorisches Milieu an der Gefäßwand – ideale Bedingungen für den Start atherosklerotischer Läsionen.

Entzündungsreaktion und Immunzell-Rekrutierung

Arteriosklerose wird heute als entzündliche Erkrankung der Gefäßwand verstanden. OXLAMs können als Gefahrensignale fungieren, die Immunzellen anlocken und aktivieren:

  • Chemotaxis von Monozyten/Neutrophilen: Oxidierte Lipide einschließlich OXLAMs werden von Immunzellen erkannt. In vitro wurde gezeigt, dass OXLAMs (zusammen mit oxidiertem Phosphatidylcholin) humanen Monozyten einen Wanderungsreiz (Chemotaxis) geben. OXLAM-exponierte Monozyten erhöhten z.B. die Expression der Chemokinrezeptoren CCR9 und CXCR4, was ihre gerichtete Migration fördert. In atherosklerotischen Läsionen finden sich tatsächlich zahlreiche eingewanderte Monozyten und neutrophile Granulozyten; OXLAMs könnten dazu beitragen, diese Zellen anzuziehen. Dies fördert die initiale Entzündungsreaktion in der Gefäßwand.
  • G-Protein-gekoppelte Rezeptoren: Spezialisierte Rezeptoren auf Immunzellen erkennen oxidierte Fettsäuren. Ein Beispiel ist der G2A-Rezeptor (GPR132) auf Monozyten/Makrophagen, der von bestimmten OXLAMs wie 9-HODE aktiviert werden kann. Die Signalgebung über GPR132 wurde mit atherosklerotischen Prozessen in Verbindung gebracht (obwohl Tiermodelle teils widersprüchliche Ergebnisse liefern, was auf komplexe modulatorische Rollen hindeutet). Aktivierung solcher Rezeptoren durch OXLAMs kann zur Ausschüttung proinflammatorischer Mediatoren und veränderter Genexpression in Immunzellen führen.
  • Zytokinfreisetzung: OXLAMs stimulieren Makrophagen zur Produktion entzündlicher Zytokine. Beispielsweise induziert 9-HODE (und in geringerem Maße 13-HODE) in Makrophagen die Freisetzung von IL-1β, einem zentralen proinflammatorischen Zytokin. 9-HODE gilt als potenter Entzündungsaktivator, der NF-κB-Signalwege anwerfen kann – somit könnte er sowohl Marker als auch Mitverursacher atherosklerotischer Entzündung sein.
  • Angeborene Immunaktivierung: Oxidationsprodukte fungieren als DAMPs (damage-associated molecular patterns). OXLAM-beladenes oxLDL wird von Pattern-Recognition-Rezeptoren erkannt (z.B. CD36/Toll-like Rezeptor-4-Komplex) und kann so die angeborene Immunantwort triggern. OXLAMs sind Teil der OxLDL-Partikel, welche in der Gefäßwand Mastzellen und dendritische Zellen aktivieren und eine sterile Entzündung aufrechterhalten.

Die Folge all dieser Prozesse ist eine chronische Entzündung in der Gefäßwand. Die eingewanderten Monozyten differenzieren zu Makrophagen, die vor Ort weitere Oxidationsprodukte aufnehmen und noch mehr Zytokine und ROS freisetzen – ein selbstverstärkender Kreislauf. OXLAMs spielen darin eine Rolle als Initialzündstoff für die Entzündungsantwort.

Modifikation von LDL und Schaumzellbildung

Ein Kernereignis der frühen Atherogenese ist die Bildung von Schaumzellen, d.h. Lipid-beladenen Makrophagen. OXLAMs fördern dies sowohl indirekt als Bestandteil von OxLDL als auch direkt durch Beeinflussung des Makrophagenstoffwechsels:

  • Entstehung von OxLDL durch OXLAM-Addukte: Wenn LDL in der Gefäßwand oxidiert wird, führen OXLAMs zu strukturellen Veränderungen von LDL. So entstehen bei LA-Peroxidation MDA und 4-HNE, die kovalent an Apolipoprotein B (ApoB) binden und dieses stark modifizieren. Dadurch verliert das LDL-Partikel die Fähigkeit, vom normalen LDL-Rezeptor erkannt zu werden. Stattdessen entstehen OxLDL-Epitope, die von Scavenger-Rezeptoren auf Makrophagen erkannt werden. Makrophagen nehmen OxLDL unreguliert auf (via CD36, SR-A u.a.), was zur Cholesterinüberladung und letztlich zur Schaumbildung führt. Kurz: Die OXLAM-induzierten ApoB-Addukte markieren LDL-Partikel als „gefährlich“ und zwingen sie auf den alternativen Aufnahmepfad in Makrophagen – ein Schlüsselschritt zur Plaquebildung.
  • PPARγ-Aktivierung und Lipidaufnahme: Einige OXLAMs (insb. 9- und 13-HODE) dienen als endogene Liganden für PPARγ (Peroxisom-Proliferator-aktivierter Rezeptor gamma). PPARγ ist ein nukleärer Transkriptionsfaktor, der in Makrophagen die Lipidaufnahme und -speicherung fördert, aber auch entzündungshemmende Gene induziert. Die Aktivierung von PPARγ durch HODEs kann die Expression von Scavenger-Rezeptoren steigern und die Makrophagen in einen lipidakkumulierenden, teils weniger entzündlichen Phänotyp überführen. Dies begünstigt einerseits die Umwandlung zum Schaumzell-Phänotyp (verstärkte Cholesterinester-Speicherung), könnte aber andererseits entzündliche Überreaktionen dämpfen. Die Netto-Wirkung von PPARγ-Agonisten wie HODEs in der Atherogenese ist komplex – möglicherweise anfänglich schützend (durch Entzündungshemmung), aber langfristig kritisch, da sie das Überleben lipidbeladener Makrophagen fördern und so den Pool an Schaumzellen erhöhen.
  • Beeinträchtigung des Cholesterinabbaus: OXLAMs können auch die Mechanismen stören, mit denen Makrophagen überschüssiges Cholesterin wieder loswerden. Es gibt Hinweise, dass oxidierte Fettsäuren den Cholesterin-Efflux über Transporter (ABCA1/G1) beeinträchtigen können, was die Cholesterinakkumulation verstärkt. Zudem führen OXLAM-induzierte oxidative Schäden in Makrophagen zu Funktionsverlust bestimmter Enzyme und Rezeptoren, die am Cholesterinstoffwechsel beteiligt sind.

In Summe tragen OXLAMs somit entscheidend dazu bei, dass aus eingewanderten Makrophagen Schaumzellen werden – sei es durch die Bildung von OxLDL (das bevorzugt von Makrophagen aufgenommen wird) oder durch intrazelluläre Signalwege, die die Lipidanreicherung fördern. Schaumzellen sind pathognomonisch für frühe Fettstreifen in Arterien und setzen durch ihren gestörten Stoffwechsel weitere Entzündungsfaktoren frei.

Weitere Wirkungen und Unterschiede zu anderen Oxidationsprodukten

Vergleich mit Oxysterolen: Neben OXLAMs enthält OxLDL auch oxidierte Cholesterinderivate (Oxysterole wie 7-Ketocholesterin, 7β-Hydroxycholesterin u.a.). Diese unterscheiden sich in ihren Wirkmechanismen: Oxysterole sind weniger entzündungs-chemoattraktiv für Monozyten, wirken dafür aber direkt zytotoxisch auf Zellen der Plaque. Beispielsweise induziert 7-Ketocholesterin in Makrophagen und glatten Muskelzellen programmierte Zelltode (Apoptose) und trägt so zur Bildung nekrotischer Plaque-Zentren bei. Oxysterole können über nukleäre Rezeptoren wie LXR die Genexpression beeinflussen, was z.T. protektiv (Cholesterin-Efflux hoch) oder schädlich (Inflammasom-Aktivierung) wirken kann. OXLAMs dagegen sind oft reaktivere Moleküle (Aldehyde, Peroxide), die kovalente Proteinaddukte bilden und akute Entzündungssignale senden. Beide tragen zur Atherogenese bei, aber auf unterschiedlichen Ebenen: OXLAMs eher im Frühstadium (Endothelaktivierung, Monozytenanlockung), Oxysterole verstärkt im Spätstadium (Schaumzell-Tod, Plaqueinstabilität).

Oxidierte Phospholipide: LA ist häufig als Fettsäurerest in Phospholipiden von LDL und Zellmembranen vorhanden. Bei Oxidation entstehen hier oxidierte Phospholipid-Fragmente (z.B. OxPAPC-Komponenten wie POVPC, PGPC) und Lysophosphatidylcholin (LPC). Diese Produkte wirken ebenfalls pro-atherogen, überschneiden sich aber mit OXLAM-Wirkungen: OxPL und LPC induzieren Entzündungsreaktionen im Endothel (über NF-κB, erhöhter VCAM-1/ICAM-1) und fördern die Rekrutierung von Monozyten. Sie werden von Musternkennungsrezeptoren erkannt (TLR2/4, CD36) und können Makrophagen polarisieren. Unterschied: OXLAMs (freie Fettsäuren oder Aldehyde) können zellpermeabel wirken und intrazelluläre Signalwege (z.B. MAPK, Keap1/Nrf2 via HNE) beeinflussen oder direkt Proteine schädigen, während OxPL oft Membranrezeptor-vermittelt wirken. Beide Klassen verstärken sich gegenseitig: OxPL-Zerfallsprodukte enthalten oft OXLAM-Strukturen, und umgekehrt können OXLAMs aus membranständigen LA stammen.

Protein-Addukte (ALEs): Ein Aspekt, in dem sich OXLAMs auszeichnen, ist die Bildung irreversibler Advanced Lipoxidation Endproducts (ALEs). So formen 4-HNE und MDA kovalente Addukte mit Lysinen auf Proteinen (z.B. MDA-Lysine in ApoB). Diese Addukte schaffen Neo-Epitope, die vom Immunsystem erkannt werden – es bilden sich autoantigenartige Strukturen (z.B. Antikörper gegen MDA-modifiziertes LDL). Solche immunologischen Reaktionen sind charakteristisch für oxidationsspezifische Epitope in Plaques. Oxysterole und OxPL können zwar ebenfalls an Proteine binden oder Signale senden, sind aber weniger reaktiv im Sinne von direkten Kreuzvernetzungsreaktionen. Kurzum: OXLAMs unterscheiden sich durch ihre hohe Reaktivität und Signalfunktion: Sie verbinden die LDL-Oxidation eng mit entzündlicher Immunaktivierung, während andere Oxidationsprodukte eher an metabolischen Dysfunktionen (Cholesterinablagerung, Zelltod) beteiligt sind. Wichtig ist jedoch, dass alle diese Oxidationsprodukte in OxLDL vorhanden sind und kumulativ zur Atherogenese beitragen.

Zwischenergebnis: Die OXLAM-Hypothese wird durch eine Reihe pathophysiologischer Mechanismen gestützt: OXLAMs fördern Endothelschäden, Entzündungsreaktionen und Schaumzellbildung in einzigartiger Weise. Doch wie stichhaltig ist diese Hypothese empirisch? Im Folgenden betrachten wir die Evidenzlage aus verschiedenen Studientypen.

Evidenz aus In-vitro-Studien und Tiermodellen

Zahlreiche In-vitro-Experimente sowie Studien an Tiermodellen haben die oben genannten Mechanismen untermauert:

  • Endothelzell-Experimente: Wang et al. (2009) zeigten, dass beim Abbau triglyceridreicher Lipoproteine durch Lipoproteinlipase nicht nur normale Fettsäuren, sondern auch bereits oxidierte freie Fettsäuren freigesetzt werden, die in Endothelzellen eine Entzündungsreaktion auslösen. Eiselein et al. (2007) fanden, dass solche oxidierten Lipolyseprodukte die Endothelbarriere durchlässiger machen und den Zelltod einleiten. Diese kontrollierten Zellkulturstudien stützen die Idee, dass OXLAMs (entstanden z.B. bei postprandialer Lipämie) direkt gefäßschädigend wirken.
  • Makrophagen-Studien: In isolierten Makrophagen wurde beobachtet, dass 9- und 13-HODE die Sekretion von IL-1β induzieren, wie oben erwähnt. Zudem bewirken OXLAMs Veränderungen in der Genexpression der Makrophagen: Nagy et al. (1998) entdeckten, dass oxidiertes LDL über seine Lipidkomponenten (später identifiziert als HODEs und andere Oxidationsprodukte) PPARγ-abhängige Genprogramme aktiviert. Dies liefert eine molekulare Erklärung, wie OXLAMs die Differenzierung von Makrophagen und ihre Aufnahme-Kapazität für Lipide erhöhen. Neuere Arbeiten untersuchen auch gezielt den GPR132-Signalweg: So wird GPR132 durch HODEs aktiviert und Knockout-Studien in Mäusen deuten an, dass das Fehlen dieses Rezeptors die Atherosklerose eher verschlimmern kann, was überraschend ist. Dies könnte bedeuten, dass die GPR132-Signalwirkung von OXLAMs komplex ist – möglicherweise einerseits chemotaktisch pro-atherogen, andererseits bei der Entzündungsauflösung beteiligt (eine bipolare Rolle, die weiter erforscht werden muss).
  • Nachweis in Geweben: Pathologische Untersuchungen an Tieren und Menschen belegen die Präsenz von OXLAMs in situ. Ein bekanntes Kaninchenmodell zeigte, dass die atherosklerotisch veränderte Aorta eine erhöhte 15-LOX-Expression aufweist, die lokal Linolsäure zu 13-HODE oxidiert. Interessanterweise war das enzymatisch gebildete 13(S)-HODE aber nicht das einzige Produkt – es traten auch hohe Spiegel von 13(R)-HODE auf, was die Mitwirkung von nicht-enzymatischer Peroxidation betont. Diese Ergebnisse an Tieren werden durch die erwähnte humanpathologische Studie (Shibata et al. 2009) gestützt, die OXLAM-Einlagerungen in menschlichen Plaques sichtbar machte.
  • Tierische Fütterungsstudien: Zur ursächlichen Rolle stellt sich die Frage: Erhöht eine LA-reiche Ernährung (mit potenziell höherer OXLAM-Bildung) die Atherosklerose im Tierversuch? Ergebnisse hierzu sind teils kontrovers: Einige ältere Versuche an z.B. Kaninchen und Mäusen ergaben, dass Diäten mit sehr hohem LA-Anteil zwar den Cholesterinspiegel senken, aber gleichzeitig die Anfälligkeit der LDL für Oxidation steigern. So führte substituiertes Ölsäure-reiches Fett (mehr einfach ungesättigt) oder eine LA-ärmere Diät in einigen Studien zu weniger oxidationsanfälligem LDL. In ApoE^-/- Mäusen konnte gezeigt werden, dass eine Reduktion des LA-Gehalts im Futter die Plasma-OXLAM-Spiegel deutlich senkt. Umgekehrt erhöhte die Zufütterung von oxidierten Fetten die Entzündungsmarker. Ein Beispiel: Hennig et al. (2015) berichteten, dass eine LA-reiche Diät im Rattenmodell proinflammatorische Marker in Gefäßen hochreguliert. Allerdings ist die Lage nicht ganz eindeutig – denn die meisten High-LA-Fütterungsstudien verändern auch andere Parameter (z.B. Cholesterin, ω3-Zufuhr), sodass die isolierte Wirkung erhöhter OXLAM-Bildung schwer zu bestimmen ist. Dennoch tendieren Tierdaten dazu, den OXLAM-Mechanismus zu unterstützen: Mehr LA -> mehr OXLAMs -> mehr atherosklerotische Veränderungen, sofern andere Einflussfaktoren konstant gehalten werden.

Zwischenfazit (präklinisch): In-vitro und Tiermodelle liefern zahlreiche Indizien zugunsten der OXLAM-Hypothese. OXLAMs sind in der Lage, sämtliche Schlüsselprozesse der Atherogenese – Endothelaktivierung, Entzündung, Lipidakkumulation – zu beeinflussen. Die Herausforderung besteht darin, diese Kausalkette auch beim Menschen nachzuweisen. Dazu betrachten wir als Nächstes die humanen Studienergebnisse.

Humanstudien: Beobachtungen und klinische Evidenz

Beobachtungsstudien (epidemiologisch): Einige Forschungsarbeiten haben OXLAM-Spiegel in Menschen mit und ohne Herz-Kreislauf-Erkrankungen verglichen:

  • Es wurde festgestellt, dass Patienten mit koronarer Herzkrankheit tendenziell höhere Spiegel von Linolsäure-Oxidationsprodukten in Plasma und LDL aufweisen als Gesunde. In einer Studie waren z.B. 9-HODE und 13-HODE in den LDL-Partikeln von Patienten mit Atherosklerose signifikant erhöht.
  • Subklinische Atherosklerose: Interessant ist eine Ultraschall-Studie der Karotiden bei scheinbar gesunden Personen: Hier zeigte sich, dass Probanden mit hohen 9-HODE-Spiegeln im LDL bereits Anzeichen atherosklerotischer Wandverdickungen trugen. Bemerkenswert ist auch, dass diese OXLAM-Spiegel im Blut mittleren Alters (40–50 J.) anzusteigen scheinen – also lange vor klinisch manifester Herzkrankheit. Dies unterstützt die Idee, dass OXLAMs als Frühmarker und potenziell Frühauslöser der Atherogenese fungieren könnten.
  • Krankheits-assoziierte Atheroskleroserisiken: Bei Patienten mit chronischen Entzündungsleiden wie rheumatoider Arthritis (RA) findet man erhöhte OxLDL-Spiegel im Blut. Damit einher gehen signifikant gesteigerte 9- und 13-HODE-Werte, was als ein Grund für das erhöhte Herzrisiko von RA-Patienten diskutiert wird. Die chronische Entzündung könnte über oxidative Mechanismen die OXLAM-Belastung steigern und so vorzeitig Atherosklerose fördern.
  • Akute Koronarsyndrome: In einer Fall-Kontroll-Studie im Irak (Raeef et al. 2023) wurden bei Patienten mit akutem Koronarsyndrom deutlich höhere Plasmakonzentrationen von 13-HODE gemessen als bei Kontrollpersonen (im Mittel ca. 12–15 µg/ml vs. 8–11 µg/ml; p<0.0001). 13-HODE zeigte in dieser Untersuchung sogar eine gewisse diagnostische Trennschärfe (AUC ~0,74) für das Vorliegen eines ACS. Dies untermauert, dass 13-HODE nicht nur ein Nebenprodukt ist, sondern ein dynamischer Mediator im akuten Geschehen sein könnte – möglicherweise reflektiert durch Entzündung getriggerte schnelle Oxidation von LA während eines Plaqueruptur-Ereignisses.
  • Trotz dieser Assoziationen muss betont werden, dass prospektive Daten spärlich sind. Eine prospektive Nested-Case-Control-Studie (Singapore Chinese Health Study) mit über 700 Infarktpatienten fand beispielsweise keinen starken unabhängigen Zusammenhang zwischen den Gesamthydroxy-LA-Spiegeln (Summe 9- und 13-HODE) im Plasma und dem zukünftigen Myokardinfarktrisiko. Die OR per Standardabweichungserhöhung der HODEs war statistisch nicht signifikant (~0,96; 95%-KI 0,84–1,10). Dies deutet darauf hin, dass die Gesamt-OXLAM-Belastung im Plasma allein als Prädiktor begrenzt sein könnte – eventuell, weil momentane Blutspiegel nicht ausreichend die lokale Gefäßwand-Situation oder kumulative Exposition widerspiegeln.

Interventionsstudien (Ernährung und klinische Trials): Um Kausalität zu prüfen, ist es aufschlussreich zu sehen, wie sich Änderungen der Linolsäurezufuhr oder OXLAM-Bildung auf kardiovaskuläre Endpunkte auswirken:

  • Diätetische LA-Reduktion: Ramsden et al. (2012) führten eine Diätstudie durch, in der bei Probanden die Aufnahme von Omega-6-LA deutlich gesenkt wurde. Ergebnis: Schon nach einigen Wochen war eine signifikante Reduktion der OXLAM-Spiegel im Blut messbar. Dies bestätigt einerseits den direkten Einfluss der Ernährung auf die systemische OXLAM-Belastung. Für klinische Endpunkte war die Studie zu kurz – aber sie zeigt, dass weniger LA im Essen -> weniger oxidierte LA-Metaboliten im Körper.
  • LA-Ersetzung statt gesättigter Fettsäuren: Die öffentliche Gesundheitsempfehlung der letzten Jahrzehnte lautete, gesättigte Fette durch mehrfach ungesättigte (reich an LA) zu ersetzen, um Herzkrankheiten vorzubeugen. Überraschenderweise haben einzelne kontrollierte Studien in den 1960–70ern nicht den erwarteten Nutzen gezeigt, teils sogar das Gegenteil. Eine vielzitierte Neuanalyse (Sydney Diet Heart Study, Ramsden et al. 2013) ergab, dass eine reine Erhöhung von Omega-6-LA (Sonnenblumenöl) mit höherer Sterblichkeit einherging im Vergleich zur Kontrollgruppe. Eine Meta-Analyse, die diese und ähnliche Trials berücksichtigte, fand einen Anstieg von kardiovaskulären und Gesamt-Todesfällen, wenn gesättigte + Trans-Fette ausschließlich durch Omega-6-reiche Öle ersetzt wurden. Befürworter der OXLAM-Hypothese deuten dies als Hinweis darauf, dass zwar das Cholesterin sank, aber verstärkte Lipidoxidation (erhöhte OXLAMs) den Nutzen überkompensierte. Allerdings sind diese alten Studien mit Vorsicht zu interpretieren (teils methodische Mängel, z.B. Ungleichverteilungen bei Rauchern).
  • Aktuelle Evidenz pro-LA: Im Gegensatz dazu steht eine große Menge moderner Evidenz, die kein erhöhtes Risiko bei höherer LA-Zufuhr findet – eher im Gegenteil. Eine Meta-Analyse von 13 prospektiven Kohorten (über 300.000 Teilnehmer) zeigte, dass die höchsten versus niedrigsten Kategorien der Linolsäurezufuhr 15% weniger koronare Ereignisse und 21% weniger koronare Todesfälle aufwiesen. Ebenso sind höhere LA-Spiegel in Blutgeweben konsistent mit niedrigerem Risiko für Herzinfarkt, Schlaganfall und Typ-2-Diabetes assoziiert. Interventionell fand eine Cochrane-Analyse von RCTs, in denen gesättigte Fette durch pflanzliche PUFA (meist LA) ersetzt wurden, eine ~19%ige Reduktion koronarer Ereignisse. Diese breite Evidenzbasis lässt renommierte Forscher schließen: „Reichlich Belege zeigen, dass eine hohe n-6-PUFA-Aufnahme eine wichtige Rolle in der Prävention von KHK spielt“. Diese Daten scheinen der OXLAM-Hypothese zu widersprechen, zumindest was moderate LA-Aufnahme betrifft.
  • Erklärungsansätze für Diskrepanz: Wie lassen sich diese widersprüchlichen Befunde zusammenbringen? Ein wichtiger Faktor ist das Dosis- und Kontextproblem. Möglicherweise sind moderate LA-Mengen (im Rahmen einer ausgewogenen Ernährung mit ausreichend Antioxidantien und Omega-3-Fetten) überwiegend vorteilhaft – etwa durch LDL-Cholesterinsenkung und antiinflammatorische Effekte von Derivaten wie 13(S)-HODE (PPARγ-vermittelt). Die schädlichen OXLAM-Effekte könnten erst bei exzessiver LA-Zufuhr, bestimmten Verarbeitungsformen (stark erhitzte Öle -> viele vorgefertigte OXLAMs) oder in Pro-Oxidations-Milieus (Rauchen, Entzündung, oxidativer Stress) klinisch relevant in den Vordergrund treten. Einige Autoren postulieren, dass die heutige hohe LA-Verfügbarkeit (6–8% der Energie in westlicher Kost) in Kombination mit moderner Lebensweise (oxidative Stressoren) ein bislang unterschätzter Risikofaktor sein könnte. Demgegenüber argumentiert die Gegenfraktion, dass der menschliche Organismus über Puffersysteme verfügt und moderate LA-Erhöhungen eben weitgehend in ungefährliche Bahnen (z.B. Verstoffwechselung zu weniger schädlichen Metaboliten) lenkt.

Zusammengefasst liefern Humanstudien kein einheitliches Bild: Es gibt deutliche biochemische und pathologische Hinweise, dass OXLAMs am Menschen mit atherosklerotischen Prozessen verknüpft sind (höhere Spiegel bei Kranken, in Plaques etc.). Klare prospektive Beweise für eine kausale Rolle stehen aber aus, da Ernährungsstudien mehrdeutig sind und OXLAMs oft mit anderen Faktoren kovariieren.

Kritikpunkte und konkurrierende Theorien

Die OXLAM-Hypothese ist Teil einer breiteren Debatte um die Rolle von Nahrungsfetten bei Herzkrankheiten. Kritische Stimmen und alternative Erklärungen sind:

  • Korrelation vs. Kausalität: Gegner betonen, dass erhöhte OXLAM-Level auch lediglich ein Biomarker erhöhten oxidativen Stresses sein könnten, nicht aber die treibende Ursache. Arteriosklerose-Patienten haben systemischen oxidativen Stress – da ist es erwartbar, auch mehr oxidierte Lipide zu finden. Analog könnten OXLAMs in Plaques vorwiegend Begleiterscheinungen sein (quasi „Rauch“ statt „Feuer“). Dass die Reduzierung von OXLAMs (z.B. durch Antioxidantien) in großen Studien nie eindeutig zur Risikosenkung führte, wird als Argument gegen einen alleinigen kausalen Impact gewertet.
  • LA-Paradoxon in Epidemiologie: Wie oben beschrieben, weisen viele Bevölkerungsstudien auf eine Schutzwirkung von Linolsäure hin. Diese Daten stehen scheinbar im Widerspruch zur Gefährdungsthese. Mögliche Auflösung: Die positiven Effekte einer LA-reichen Kost (z.B. Vermeidung von tierischen gesättigten Fetten, Verbesserung Lipidprofil) könnten die potenziellen negativen Effekte von OXLAMs überwiegen, zumindest bis zu einem gewissen Intake-Niveau. Außerdem könnte LA-Konsum hier proxy für einen allgemein gesünderen Lebensstil sein (mehr Pflanzenöle, weniger Transfette etc.). Kritiker der OXLAM-Hypothese betonen somit, dass im realen Setting beim Menschen keine Evidenz vorliegt, dass heutige LA-Mengen die Atherosklerose fördern – im Gegenteil scheinen populationsweite Anstiege in LA-Aufnahme mit sinkenden KHK-Raten einhergegangen zu sein.
  • Andere Lipidoxidationsprodukte: Einige Forscher argumentieren, dass nicht Linolsäureoxidation per se, sondern andere Aspekte des LDL-Oxidationsprozesses die Haupttreiber sind. Zum Beispiel werden oxidierte Phospholipide (OxPL) oft als die eigentlichen „bösen Akteure“ in OxLDL angesehen. Diese aktivieren spezifische Entzündungswege, gegen die der Körper sogar natürliche Antikörper bildet (z.B. anti-OxLDL IgM). Es gibt konkurrierende Hypothesen, die den Fokus mehr auf Cholesterinoxidation (Oxysterole) oder Myeloperoxidase-induzierte Chlorierung von LDL legen. Im Endeffekt finden sich all diese modifizierten Lipide in einem atherogenen Partikel – welches genau dominierend ist, bleibt Gegenstand von Forschung. Die OXLAM-Hypothese könnte also überbetonen, was nur ein Teil des oxidativen Schadens ist.
  • Methodische Limitationen: Viele Studien zu OXLAMs arbeiten mit Surrogatmaßen. Zum Beispiel wird die Oxidationsanfälligkeit von LDL ex vivo gemessen (Conjugated Diene formation etc.) – aber das korreliert nur bedingt mit in-vivo Plaquebildung. Oder es werden Plasma-HODE-Spiegel gemessen, die akuten Aufnahmen unterliegen und kaum die lokale Gefäßwandkonzentration widerspiegeln. Ein genereller Kritikpunkt ist, dass menschliche Interventionen mit harter Endpunktmessung (z.B. Herzinfarkt-Rate) für OXLAMs fehlen. Weder Antioxidantien-Studien (Vitamin E etc.) noch Diätstudien haben konsistente Ergebnisse geliefert, was Interpretationsspielraum lässt. Auch die Einheitlichkeit der Messung ist problematisch: Verschiedene Labors quantifizieren teils unterschiedliche OXLAMs (freie vs. esterifizierte Formen), was Vergleichbarkeit erschwert.
  • Alternative Theorien: Die Atherosklerose-Forschung hat in den letzten Jahren neue Akzente gesetzt: Inflammation (z.B. IL-1β-Inhibition in CANTOS-Studie) und klonale Hämatopoese als unabhängige Faktoren, mikrobiomassozierte TMAO-Bildung, klassische Risikofaktoren wie Hypertonie und Hyperglykämie – all dies spielt ebenfalls eine Rolle. Einige Experten halten die Fixierung auf Nahrungsfette für überbewertet und verweisen darauf, dass z.B. Insulinresistenz und subklinische Entzündung (durch Adipositas, Zuckerkonsum) die wahren Treiber seien, die dann sekundär die Oxidation von LDL (inkl. OXLAM-Bildung) antreiben. Diese konkurrierenden Modelle mindern aber nicht unbedingt die OXLAM-Hypothese, sondern ordnen sie als Mittel zum Zweck ein: OXLAMs könnten das Bindeglied sein, durch das z.B. Hyperglykämie (via ROS) letztlich die LDL-Schädigung bewirkt.

Offene Fragen und Forschungsbedarf

Obwohl in den letzten Jahren viel über OXLAMs gelernt wurde, bleiben etliche Punkte ungeklärt:

  • Wie viel LA ist zu viel? Die Schwelle, ab der diätetische LA-Aufnahme pathogene OXLAM-Effekte überwiegt, ist unklar. Tierstudien legen nahe, dass sehr hohe Prozentsätze in der Nahrung (>10en%) problematisch sein könnten, aber epidemiologisch sieht man bis ~6–8en% keinen Schaden. Möglicherweise gibt es individuelle Unterschiede (Genetik, Antioxidans-Status). Zukünftige Studien könnten versuchen, in Interventionsstudien beim Menschen gezielt hohe vs. moderate LA-Dosen zu vergleichen und dabei OXLAM-Biomarker und Gefäßfunktion zu messen.
  • Präventionsstrategien: Wenn OXLAMs wesentlich sind, müsste eine Senkung der OXLAM-Belastung Nutzen bringen. Dies könnte erreicht werden durch LA-Reduktion in der Ernährung, Vermeidung von oxidierten Ölen (industriell gehärtete oder erhitzte Fette) oder Verstärkung der Antioxidantienzufuhr. Bisher fehlen jedoch RCTs, die zeigen, dass z.B. eine LA-arme Diät die Progression der Atherosklerose bremst – ein lohnendes Forschungsziel. Auch pharmakologisch könnten OXLAM-Fänger oder Inhibitoren der Lipidperoxidation (über die klassischen Antioxidantien hinaus) interessant sein.
  • Gute vs. schlechte OXLAMs: Die Familie der LA-Metaboliten ist breit und möglicherweise haben nicht alle dieselbe Wirkung. Beispiel: 13(S)-HODE (aus 15-LOX) könnte anti-atherogen wirken, indem es PPARγ aktiviert und Entzündungen abbremst, wohingegen 13(R)-HODE pro-atherogen ist. Ebenso könnten DiHOME-Metaboliten (Dihydroxy-octadecenoate) andere Effekte haben als HODEs. Ein tieferes Verständnis der individuellen Metaboliten – welche fördern Plaquewachstum, welche vielleicht Plaquestabilisierung? – steht noch aus. Künftige Studien mit Targeted Metabolomics in Patienten könnten helfen, „gute“ vs. „schlechte“ OXLAM-Profile zu definieren.
  • Interplay mit Omega-3-Fettsäuren: Omega-3-Fettsäuren (α-Linolensäure, EPA, DHA) konkurrieren mit LA um oxidative Verarbeitung und Einbau in Membranen. Ein Überschuss an LA könnte z.B. die Bildung entzündungsauflösender ω3-Oxylipine behindern. Daher wird das Verhältnis n-6/n-3 oft diskutiert. Bislang ist das ω6:ω3-Verhältnis jedoch kein klarer Prädiktor – man hält es für wenig aussagekräftig, wichtiger ist die absolute Zufuhr beider. Dennoch bleibt offen, ob eine Erhöhung von Omega-3 (die ja auch sehr leicht oxidieren können) die OXLAM-Wirkungen abmildert oder verstärkt. Hier besteht Forschungsbedarf, insbesondere da Kombinationen in der realen Ernährung vorkommen.
  • Klinische Validierung von OXLAM-Biomarkern: Könnten OXLAMs als Risikomarker dienen? Erste Arbeiten (z.B. 13-HODE im ACS) sind vielversprechend, aber es braucht große prospektive Kohorten mit Standardisierung der Messmethoden, um z.B. zu etablieren: “Ein hoher Plasma-HODE-Spiegel = erhöhtes 10-Jahres-Risiko für KHK”. Gelingt dies, hätte die Hypothese praktischen Nutzen für Prävention und personalisierte Medizin.

Fazit

Oxidierte Linolsäuremetaboliten (OXLAMs) stellen einen plausiblen mechanistischen Link zwischen modernen Ernährungsgewohnheiten, oxidativem Stress und Arteriosklerose dar. Die aktuelle Studienlage zeigt, dass OXLAMs in der Tat viele atherogene Prozesse anstoßen können: Sie schädigen das Endothel, fördern Entzündungsreaktionen, ziehen Immunzellen an und verwandeln LDL in gefährliches OxLDL, was von Makrophagen aufgenommen wird – letztlich entsteht die fettstreifenartige Läsion in der Arterienwand. Zahlreiche In-vitro– und Tierdaten untermauern diese Kaskaden. Zudem finden sich OXLAMs in menschlichen Plaques und im Plasma atherosklerosekranker Patienten erhöht, was konsistent mit einer pathophysiologischen Rolle ist.

Allerdings muss betont werden, dass die Human-Evidenz nicht eindeutig beweist, dass OXLAMs die Arteriosklerose verursachen. Große Bevölkerungsstudien sprechen eher für neutrale bis vorteilhafte Effekte einer linolsäurereichen Ernährung – ein scheinbarer Widerspruch. Möglicherweise liegt die Wahrheit in der Mitte: OXLAMs sind notwendige Mediatoren der atherogenen Wirkung von oxidativem Stress auf LDL, aber im normalen Rahmen werden ihre schädlichen Effekte durch andere Schutzmechanismen kompensiert. Erst bei einem Zuviel an LA (oder Zuviel an oxidativer Belastung) kippt das Gleichgewicht ins Negative.

Für die Wissenschaft bleibt es wichtig, diese Hypothese weiter kritisch zu prüfen. Hochwertige Peer-Reviewed-Studien haben das Thema beleuchtet, doch es gibt auch viele Meinungsartikel und Narrative Reviews – hier gilt es, Evidenz von Spekulation zu trennen. Unbestritten ist: Lipidoxidation ist ein integraler Bestandteil der Atherosklerose, und OXLAMs sind dabei früh und reichlich vorhanden. Ob sie wirklich die Zündschnur sind, an der man ansetzen sollte (z.B. durch diätetische Empfehlungen zur LA-Reduktion), oder ob sie lediglich ein Funke unter vielen sind, der das Feuer der Atherosklerose nährt, wird die Forschung der nächsten Jahre zeigen. Bis dahin erscheint ein pragmatischer Ansatz sinnvoll: eine ausgewogene Fettsäureaufnahme (inkl. ω-3-Fettsäuren), Vermeidung von stark oxidierten Fetten, und Kontrolle klassischer Risikofaktoren, um sowohl die Bildung von OXLAMs als auch ihre Wirkungsentfaltung einzudämmen. Die Hypothese der OXLAMs als atherosklerotische Täter ist also gerechtfertigt, aber noch nicht endgültig verurteilt – das „Gerichtsverfahren“ der wissenschaftlichen Evidenz ist im Gange, mit weiteren Zeugen (Studien) in der Pipeline.

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